Band 19

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Uwe Heins 

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Ein Band 19

in der Buchreihe "Zeitzeugen des Alltags"

Uwe Heins

nur noch wenige Eigendrucke des Herausgebers vorrätig - demnächst

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 Band 19  - Band 19

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Das bunte Leben eines einfachen Seemanns

direkt beim Herausgeber: 13,90 € - Bestellungen

   Band 19 - ISBN 978-3-8476-8685-9

Das bunte Leben eines einfachen Seemanns

 


Dieser Text ist als Band 19 in der maritimen Zeitzeugen-Buchreihe "Seemannsschicksale"  erschienen.

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Leseprobe:

Uwe Heins

Geboren wurde ich 1940 in Altlandsberg und anschließend auch dort getauft.  Dieser Ort liegt in der Nähe von Berlin, wo meine Mutter bei der LVA arbeitete.  Einen Vater gab es zwar, ich habe ihn aber nie kennen gelernt.

Meine Großeltern mütterlicherseits wohnten in einer Schule in Lübeck Moisling.  Als mein Großvater, der damals sehr kriegsbegeistert war, mich das erste Mal im Arm hatte, gab er mich nicht wieder her, somit wuchs ich bei meinem Opa und meiner Oma in Lübeck auf, wurde auch hier eingeschult.

Nach dem Kriege zogen wir nach Lübeck-Karlshof, einer Wohnsiedlung in Richtung Travemünde.  hier trat ich damals dem Fußballverein LBV Phönix bei, deren Platz in unmittelbarer Nähe lag.  Die Schulzeit sowie die Freizeitaktivitäten genoss ich gemeinsam mit einem Namensvetter, zu dem ich noch heute Kontakt habe, sehr.  Noch heute kann ich mich sehr genau an viele gemeinsame Unternehmungen erinnern.  Oftmals tobten wir im nahe gelegenen Lauerholz.  Die Querwege hatten für uns immer fortlaufende Wegnummern.  Wir übersprangen schier unüberwindbar scheinende breite Gräben, bauten Hütten aus Holz.  Im Winter liefen wir auf den breiten zugefrorenen Gräben Schlittschuh und spielten mit krummen Stöcken Eishockey.  In einer nahe gelegenen Sandkuhle mit angrenzendem Fichtenwald spielten wir Indianer.  Ich könnte heute noch die Kriegsschreie wiederholen.  Auch unser Erkennungsgeheimwort weiß ich noch: "Feurige Lohe".  Ich kann mich auch noch an den gelblichen Hund "Hasso" erinnern, der immer hinter einer hohen Holztür rechts neben dem Haus "Am Rusch 13" in Lübeck-Karlshof bellte.  Auch weiß ich noch von einer Frettchenzucht, die hinter dem Haus war.  Durch unterschiedliche schulische Weiterbildung und den Fortzug meiner Mutter in die Lübecker Innenstadt lief sich mein Freundeskreis auseinander, loser Kontakt bestand aber immer weiter.  Meine Mutter war inzwischen verheiratet, und ich hatte auch Halbgeschwister.

Irgendwann konnte meine Großmutter nicht mehr so für mich sorgen, wie es hätte sein müssen und ich kam zu meiner Mutter und zu meinem Stiefvater nach Lübeck.  Ich besuchte bald darauf die Mittelschule und musste sehr darunter leiden, dass alle meine Lehrkräfte einmal bei meinem Großvater zur Schule gegangen waren, und damals hatte ja wohl noch der Rohrstock regiert.  Noch heute meine ich, dass meine insgesamt sieben Fünfen, die ich in der 9. Klasse im Zeugnis hatte und die mich zur unweigerlichen Wiederholung des Schuljahres zwangen, versteckte Racheakte der Lehrer waren.  Aber auch das überstand ich und schloss 1957 mit Mittlerer Reife die Schule ab, einen Berufswunsch hatte ich nicht zu haben, es war ganz klar, dass ich zur Bundesbahn gehen würde, mein Großvater (stiefväterlicherseits) war Inspektor bei der Bahn und wollte dies schon richten.

Wir wohnten damals inzwischen in der Moislinger Allee in Bahnhofsnähe mit Blick aus dem 3. Stock auf das gesamte Panorama von Lübeck, allem voran das weltbekannte Holstentor.

Dann kam der Tag, der mein Leben verändern sollte.  Wie des Öfteren, schlenderte ich durch den nahe gelegenen Lübecker Hauptbahnhof.  An einer dieser früher üblichen Kartenkontrollstellen entdeckte ich einen ehemaligen Schulkollegen, der, weil er nicht kleben geblieben war, ein Jahr früher die Schule verlassen konnte und jetzt bei der Bahn eine Ausbildung machte.  Er knipste hier die Fahr- und Bahnsteigkarten, die zu damaligen Zeiten vorgezeigt werden mussten und entwertet wurden.  Erstaunt fragte ich ihn, ob solche "Arbeiten" auch zu der Ausbildung zum höheren Dienst gehören würden.  Es kam ein eindeutiges "Ja".  Ich weiß heute nicht mehr, woher ich den unglaublichen Mut hatte, meiner Mutter entgegenzutreten und zu sagen, dass dies doch wohl in keinem Fall etwas für mich wäre, ich würde nie und nimmer zur Bahn gehen, da könne passieren, was da wolle.  Es muss sie sehr beeindruckt haben, denn sie versprach mir, mit mir zum Arbeitsamt gehen zu wollen, und zwar so schnell wie möglich.

Ich brauchte nicht lange zu warten, da machte meine Mutter ihr Versprechen wahr und schleppte mich zum Arbeitsamt.  Ich weiß heute nicht mehr, welche Fragen das damalige Gespräch mit dem Berufsberater beinhaltete, ich musste jedenfalls nach etwa 20 Minuten nach draußen auf den Flur und meine Mutter sprach alleine mit dem Mann.  Als sie aus dem Zimmer herauskam, wollte ich natürlich wissen, was denn nun der Tipp des Berufsberaters sei.  Sie meinte, der einzige Rat, den der Berufsberater ihr gegeben hätte, war der, dass es wohl am besten sei, man würde mich in die weite Welt entlassen.

Nun weiß ich heute, dass ich damals sicherlich noch nicht reif genug war, einfach so in die Welt hinaus zu gehen, was immer es auch heißen konnte.  Durch einen Kontakt bei uns im Hause kam das Gespräch auf die "Christliche Seefahrt."

Ich glaube nicht, dass ich damals euphorisch gejubelt habe, aber ich konnte mich in meinem damals naiven pubertären Denken mit dem Gedanken anfreunden, irgendwo auf Haiti am Strand spazieren zu gehen.

Schiffsjungenschule Priwall

Vorher war da aber noch eine Voraussetzung zu erfüllen, die mir meine Mutter schnellstens erklärte: Bevor man eine Ausbildung zum Matrosen machen konnte, musste man zu damaliger Zeit erst einmal auf eine Schiffs­jungenschule.  Eine solche befand sich in Lübeck-Travemünde auf dem Priwall.

Mit den Formalitäten der Anmeldung hatte ich nichts zu tun, ich weiß nur noch, dass ich am 15. April 1957 mitsamt Seesack per Bahn nach Travemünde fuhr, mit der Fähre zum Priwall übersetzte und nachmittags wohlbehalten in der Schiffsjungenschule eintraf.

Hier merkte ich schnell, dass ich nicht der Einzige war, der den Lehrgang zu absolvieren hatte, mit mir standen etwa 60 andere junge Leute in der Begrüßungshalle.

Nach einer kurzen Ansprache durch den Lehrgangsleiter, einen Kapitän Krieger, wurden uns allen die Zimmer zugewiesen, wo wir die nächsten 3 Monate nächtigen sollten.

Die Zimmer bestanden aus jeweils drei Doppelstockbetten, einem Tisch mit Stühlen in der Mitte sowie sechs Holzspinden, in die jetzt jeder von uns Ankömmlingen seine mitgebrachten Sachen einräumte.

Dann ging es zum Essen. In einem riesengroßen Speiseraum wurde aufgetischt, mit uns Neuen waren noch etwa 60 andere Teilnehmer anwesend, sie hatten inzwischen die Hälfte des Lehrgangs absolviert und trugen eine Arbeitskleidung, mit der wir erst noch ausgestattet werden sollten, was auch am Nachmittag geschah.

Der angebrochene Nachmittag und der Abend standen zu unser freien Verfügung, was damit genutzt wurde, uns richtig miteinander bekannt zu machen und das Haus näher kennen zu lernen.

Am nächsten Tag erfolgte schon am Morgen der erste Schreck, schon um 6:00 Uhr wurden wir mit dem jetzt bekannten Türenaufreißen und Schreien (Reise, Reise, raus aus der Scheiße) geweckt, ein zeitlich limitiertes Waschen und Anziehen folgte, danach war im Flur eine Paradeaufstellung einzunehmen und es wurde abgezählt, was wir, die neu waren, aber noch gehörig lernen mussten.

Dann wurde die Planung für den Tagesablauf bekannt gegeben, dieses ganze Retorium sollte sich in den nächsten drei Monaten fast täglich wiederholen, im Sommer war das Antreten aber des Öfteren draußen, auf so einer Art Kasernenhof.  In den nächsten Tagen wurden wir systematisch ausgebildet.

Nach dem morgendlichen Frühstück von 7:00 Uhr bis 7:30 Uhr fand ein regelrechter Unterricht bei verschiedenen Lehrern statt, die alle Kapitäne waren.

Theoretischer Unterricht und praktische Ausbildung wurden meist gesplittet, so dass wir nicht den ganzen Tag auf unserm Hintern sitzen mussten.

An die Theorie kann ich mich gar nicht mehr so recht erinnern, die Praxis war sowieso für alle viel interessanter.  Es wurde im Freien die Bearbeitung von Tauwerk geübt, das Spleißen und die ganze Knotentechnik.  An dicht beistehenden Davids hingen zwei Rettungsboote, die immer wieder zu Übungen ins Wasser gelassen wurden, um das Rudern und auch das Wriggen zu üben, beim gemeinsamen Rudern kam es in erster Linie auf die strikte Befolgung der Kommandos an, was uns sichtlich schwer fiel.

Das Mittagessen wurde immer gemeinsam im Speisesaal eingenommen.  Es summte dann dort wie in einem Bienenkorb.  Wir saßen alle auf langen Bänken und schielten gelegentlich zu unseren Ausbildern, die natürlich getrennt von uns, an normalen Tischen und auf normalen Stühlen saßen.

So gegen 16:00 Uhr war Feierabend, dann wuschen wir uns und zogen unsere Freizeitkleidung an.   Die Zimmer wurden gereinigt,  die schon morgens gebauten Betten noch einmal geprüft und auch der Schrankinhalt noch einmal gerade gezupft, denn gegen 17.30 war immer ein bedeutsamer Zeitpunkt, jeden Werktag: Ein Oberbootsmann kam ohne Anklopfen ins Zimmer, jeder sprang sofort hoch und nahm Hab-Acht-Stellung ein, der auf jedem Zimmer gewählte Zimmersprecher machte Meldung wie beim Militär und der Oberbootsmann begutachtete nach Lust und Laune einige Spinde von innen oder bemängelte die Glätte eines Bettbezuges oder Ähnliches.  Danach zog er wieder ab, und wir atmeten tief durch.

Die ersten 14 Tage waren angefüllt mit neuen Eindrücken.  Mit einem Ausgang war in dieser Zeit nicht zu rechnen.  Neidvoll hatten wir schon immer die betrachtet, die an Wochenenden von den Ausgängen zurückkehrten, allerdings war immer abends 22:00 Uhr Zapfenstreich, es sei, sie hatten, wie auch wir später, eine "Landgangsbescheinigung" für eine Heimfahrt, diese galt dann von Samstag Mittag bis zum Sonntag Abend, natürlich 22.00 Uhr.

Nach 14 Tagen wurden wir mit der "Landgangsuniform" eingekleidet, eine uns damals unheimlich störende Kluft, dunkelblaue Hose mit Schlag und vorne mit der Klappe, einem blauen Hemd, was immer schön gebügelt sein musste, einem dunkelblauen Schlips, einem Kolani, einer joppenähnlichen Uniformjacke mit einem Ärmelstreifen, der uns sofort als Lehrgangsteilnehmer auf dem Priwall erkennbar machte. Dazu ein dunkelblaues Schiffchen, deren Sitz auf dem Kopf genau vorgeschrieben war.

Dazu kam nach 14 Tagen die Regelung, bei "Landgang" jeden Vorgesetzten, den man auf der Strasse außerhalb der Schiffsjungenschule traf, durch Stehenbleiben und Handanlegen an das Schiffchen grüßen musste. Eine für uns abscheuliche Angelegenheit, der wir uns oftmals durch einen Bürgersteigwechsel zur anderen Straßenseite zu entziehen versuchten.

Wer nun gedacht hatte, samstags wäre allgemeines Abrauschen in die Freiheit, dem wurde erst einmal eine immer stattfindende Hürde in den Weg gelegt, bei der wir das erste Mal fast alle stolperten.

Um 14:00 Uhr wurde vor dem geplanten Landgang allgemeines Antreten angeordnet, draußen.  Der Oberausbilder schritt nun die Reihen ab und begutachtete jeden von uns, und - oh Schreck -, er hatte fast bei jedem etwas auszusetzen, sei es, dass etwas mit dem Hemd nicht stimmte, das Schiffchen nicht richtig saß, die Schuhe nicht gut genug geputzt waren, die Fingernägel zu lang waren, oder man eben nur aus dem Mund roch.

Für die Beseitigung der Mängel gab es jetzt eine Frist von fünfzehn Minuten, dann musste man wieder zurück sein, und es wurde noch einmal geprüft, und wehe, es war nicht so, wie der Ausbilder es sich vorstellte: Abmarsch auf die Bude, Kleidung wechseln und Strafwache schieben.  Und es waren schon einige dabei, die das erste Wochenende auf dem Schulgelände bleiben mussten, ich war dabei.

Als zusätzliche Strafe musste ich damals Wache gehen, d. h. die ganze Nacht im Zwei-Stunden-Rhythmus in einer Wachuniform am Zaun der gesamten Anlage entlanggehen, ausgerüstet mit einer Taschenlampe, sonst nichts.

Für dieses Privileg, für die Sicherheit zu sorgen, bekam ich die Erlaubnis, am Sonntag nach dem Frühstück in meinem Bett liegen zu dürfen, aber auch nur bis zum Mittag. - Toll.

Schon das nächste Landgangsvorhaben glückte, geschniegelt wie ein Zirkusbär, verließ ich zusammen mit einem Kollegen, der schon länger da war, die Anlage, dicht bei der gegenüber Travemünde liegenden „PASSAT“ (die hier noch immer liegt), setzten wir mit einer kleinen Fähre über die Trave über.

Der Kollege war aus Travemünde, er nahm mich mit zu sich nach Hause, wo wir uns beide der Uniform entledigten, von ihm bekam ich dann passendes anderes Zeug.  So ging das also, schade dass der Kamerad schon bald seine drei Monate um hatte.

Jetzt war der Weg frei für "Abenteuer" in der Freiheit, wie wir damals irrtümlich glaubten.  Ausgelassen genossen wir diese paar Stunden außerhalb der Ausbildungsstätte, mit 17 blickte man ja auch schon mal den jungen Mädchen hinterher, oft genug beschränkte es sich, gegenüber heute, jedoch auf heiße Blicke, jeder in meinem Alter weiß, dass schon eine zufällige Berührung mit dem anderen Geschlecht damals schon etwas besonderes war, über dass man sich freute, und wovon man eventuell noch abends im Bett träumte.

Die Tage liefen aufgrund aller neuen Erfahrungen nur so dahin, sämtliche "Schikanen", denen wir unserer Meinung nach ausgesetzt waren, waren immer schnell vergessen, nach der Hälfte der frei Monate bekamen wir neue Gesichter zu sehen, denen wir Neuigkeiten sowie Besonderheiten, die uns am Anfang weisgemacht wurden, mitteilten, es waren eigentlich schöne Tage, wenngleich ich nach heutigem Maßstab meine, nicht viel in den drei Monaten gelernt zu haben.

An eines, was mir vermittelt und von den Ausbildern als besonders wichtig empfunden wurde, werde ich mich aber wohl immer erinnern, es betraf die Nichtsteuerungsfähigkeit eines Schiffes auf hoher See, doch davon später mehr.  Glück hatte ich offenbar mit den Wetterverhältnissen, bei Besuchen von ehemaligen Auszubildenden hörte ich, dass es hier im Winter ganz schön hart zugehen würde, so beispielsweise mit Appellen nachts um 3:00 Uhr draußen im Schlafanzug.

Eine allgemein unbeliebte Strafmaßnahme habe ich allerdings nie vergessen.  Es war bei einigen Ausbildern so Sitte, eine Bestrafung auszuwählen, die ich später bei der Seefahrt von vielen bestätigt bekommen habe.  Hatte man bei bestimmten Ausbildern schlechte Karten, der Ausgang war schon gestrichen, die Wachen besetzt, wurde man in einer Gruppe von sechs bis acht Mann am Samstag genau um die Zeit auf den Vorplatz bestellt, an dem auch die landgangswürdigen Kadetten das Haus verließen.  Ausgestattet mit Spitzhacke, Vorschlaghammer und Schubkarre durften die Bestraften nun die Betonplatten, die wohl von einem ehemaligen Flugplatz stammten, zertrümmern und mittels Karre ca. 30 Meter weiter zu einem Berg aufschütten.  Eine - gerade bei schönem Wetter - erquickende Arbeit, die immer wieder viel Hohn und Spott ernten ließ.  Man erzählte sich, der Oberausbilder wolle hier, wenn die Steine entfernt seien, einen Gemüsegarten anlegen.

Es gab aber auch andere Teilnehmer der Maßnahme, die noch Jahre später behaupteten, ihre Bestrafung hätte darin bestanden, am Rande der befestigten Betonfläche viele Aufhäufungen von zertrümmertem Beton mittels Schaufel und Schubkarre zur Auffüllung freigemachter Flächen innerhalb der Betonwüste zu verbringen. Und dies schien mir glaubhaft.

Was sind schon drei Monate am Beginn eines jungen Lebens?  Diese 90 Tage, an die ich mich heute immer noch gerne erinnere, gingen eben auch vorbei, mit einem Zeugnis und ziemlich viel Bla Bla wurden damals 60 von uns verabschiedet und mit den besten Wünschen für die "Eroberung" der Meere entlassen.

Mit dem Zug ging es dann nach Lübeck, zu meiner Mutter, die Uniform konnten wir behalten, sie hing noch Jahre später im Kleiderschrank meiner Mutter und wurde nie mehr benutzt.

Schade nur, dass kein Bild meine Männlichkeit in Uniform bestätigt, obwohl nicht gerade mit Stolz, aber mit einiger Portion Erinnerungswert würde ich es heute wohl gerne betrachten.

Endlich wieder zu Hause, sprach meine Mutter schon gleich von dem nun beginnenden Ernst des Lebens und von der Heuerstelle in Hamburg, von der sie anscheinend mehr wusste als ich.

Wohin geht's, Seemann?

Eine Fahrt mit dem Zug von Lübeck nach Hamburg dauerte damals wie heute eine knappe Stunde, schneller als mir lieb war, saß ich drin und war gespannt, was mich in Hamburg erwarten würde.

Ausgestattet mit sauberer Wäsche, die in meinem Seesack verstaut war, und etwas Bargeld für eine eventuelle Unterkunft in einem Seemannsheim kam ich am 16. Juli 1957 in Hamburg auf dem Hauptbahnhof an, die Adresse der Heuerstelle hatte ich bei mir, ebenso mein Allerheiligstes, das neu erstellte Seefahrtsbuch.

Nachdem ich mich erkundigt hatte, wie ich denn nun zur Heuerstelle, die dicht bei den St. Pauli-Landungsbrücken lag, kommen könnte, saß ich schon wieder in einem Zug, diesmal der U Bahn, die mich bis zur Haltestelle St. Pauli-Landungsbrücken brachte, von dort machte ich mich zu Fuß auf bis zur Heuerstelle.

Ich kann heute nicht mehr sagen, was für Vorstellungen ich von einer Heuerstelle hatte, als ich jedenfalls das Haus in Hamburg betrat, war ich überrascht.  Es mögen wohl 100 Leute gewesen sein, die hier auf Fluren und Gängen standen, alle schienen sich irgendwie zu kennen, denn jeder sprach mit jedem, und über was!  Ich hatte keinen blassen Schimmer von dem, was hier ablief, aber ich hatte zwei gesunde Augen und merkte schnell, wie alles ablief.  Ab und zu öffneten sich kleine Klappen von einem der angrenzenden Büros, ein Gesicht war zu sehen und begann zu rufen: "Matrosen für BERNHARD RUSS" oder "drei Heizer für TETE OLDENDORFF“ und ähnliches.  Daraufhin drängten sich immer wartende Leute zu den kleinen Schaltern und warfen ihre Seefahrtbücher hinein.  So war das also.  Der Mann da hinter der Klappe hatte die Fäden in der Hand, und es gab nicht nur eine Klappe, sondern bestimmt fünf oder sechs davon, und hinter allen herrschte rege Tätigkeit.

Da ich als Schiffsjunge anfangen musste, brauchte ich also nur zu warten, bis dieser Dienstgrad aufgerufen wurde.  Nach etwa einer Stunde war es soweit.  Heizer, Matrosen, Jungmänner und Leichtmatrosen, Reiniger und Schmierer waren glücklich gemacht worden, dann kam für mich der Aufruf: "Schiffsjungen für mehrere Schiffe, alle Fahrtgebiete".  Was ich doch drängeln konnte!  So schnell habe ich selten eine Wegstrecke von etwa fünf Metern zwischen anderen wartenden Leuten zurückgelegt, zur Klappe hin, mein Seefahrtbuch rein gegeben, wie auch noch vier andere schmalgesichtige junge Männer und jetzt hieß es warten.

Nach etwa 20 Minuten ging die Klappe auf und mein Name wurde gerufen, der Mann, von dem ich nur das Gesicht sehen konnte, gab mir das Seefahrtbuch wieder, zusammen mit einem Heuerschein, wie ich schnell erkannte.  Nach ein paar zusätzlichen Informationen, die aber für mich völlig unwichtig waren, wurde ich nun endlich vertraglich in die Arbeitswelt entlassen.

Wie ich aus dem empfangenen Papier, dem Heuerschein, entnehmen konnte, lag das Schiff, die "STECKELHÖRN" an den Pfählen im Hafenbecken von Waltershof.  Also, nichts wie hin, aber wie?  Gut, dass wohl jemand meine ratlose Miene beim Studieren des Heuerscheins richtig deuten konnte, denn von ihm, einem bärtigen Endfünfziger, erfuhr ich, von wo aus ich mit einem Boot zum Hafenbecken nach Waltershof kommen würde, zum Glück war es nicht weit bis zur Anlegestelle der kleinen Barkasse.

Zu Fuß war es nicht weit bis zu den Landungsbrücken, wo die Barkasse abfahren sollte, nachdem ich mich an den langen Anlegestegen durchgefragt hatte, fand ich schnell die Stelle, wo das Boot schon von mehreren Seeleuten erwartet wurde.  Durch Zufall hörte ich aus einem Gespräch heraus, dass auch ein Matrose auf die STECKELHÖRN wollte, also hängte ich mich an ihn und schon eine Stunde später stand ich an Deck des Schiffes, was mich in die „weite Welt“ hinausbringen sollte.

Nachdem ich den Heuerschein und das Seefahrtsbuch beim 1. Offizier abgegeben hatte, wurde mir meine Kammer, die im Achterschiff unter Deck lag, und die ich mit einem zweiten Decksjungen teilen musste, gezeigt.  Ich begann, meinen Seesack zu leeren, alles einzuräumen, und lernte auch den anderen Decksjungen kennen.  Dieser war schon vier Monate an Bord und machte mir gleich unmissverständlich klar, dass es sein Privileg wäre, die untere Koje benutzen zu dürfen.  Ich musste also in die obere ziehen, was mir aber gar nichts ausmachte.  Mein Kammerkollege zeigte mir an diesem Tage noch so einiges vom Schiff, auch führte er mich in meine Arbeit ein, und das war die erste Überraschung.  Dachte ich doch tatsächlich, ich könne am nächsten Tag an Deck die nötigen Arbeiten verrichten bzw. sie erlernen, so machte er mich mit Arbeiten vertraut, die zwar oben an Deck, aber innen in der Mannschaftsmesse zu erledigen waren, grob gesagt, ich war die Putzfrau, der Kellner, der Essenholer, kurz gesagt, der „Moses“ eben.

In den kleinen Aufbauten am Heck des Schiffes befanden sich neben der Messe für das Mannschaftspersonal nur noch einige Abstellräumlichkeiten, die Messe, in der die Decks- und Maschinencrew zusammen, aber an getrennten Tischen die Mahlzeiten einnahmen, war mein Revier.  Mir wurde gezeigt, wie ich zu den Mahlzeiten aufdecken musste, wo sich das Inventar befand und welche Rituale beim Essenholen zu den Hauptmahlzeiten beim Koch vor der Kombüse mittschiffs herrschten, alle waren freundlich und zuvorkommend, zumindest noch hier in Hamburg.

Nach zwei Tagen verholten wir in ein anderes Hafenbecken, wo wir Stückgut luden, von all dem bekam ich aber nicht viel mit, zu eingebunden war ich in mein Tagwerk und zu groß auch meine Angst, schon gleich etwas verkehrt zu machen.  Als wir drei Tage später ausliefen, war ich mittlerweile alleine für die Mahlzeiten und das nötige Nebenbei verantwortlich, ich musste ab jetzt dreizehn Leute der Decksbesatzung und sieben Mann des Maschinenpersonals bedienen und für sie das Essen von mittschiffs aus der Kombüse holen.

Wir befanden uns längst auf See, als ich das Ziel der Reise erfuhr.  Nach Zuladungen in Bremen, Amsterdam und Bordeaux sollte die Reise nach Westafrika gehen, mit verschiedenen Löschhäfen, die mir zu damaliger Zeit alle unbekannt waren.

In Bremen bekamen wir eine Vielzahl von Kisten und Kasten an Bord, von der eigentlichen Beladung sah ich aber nicht viel, ich musste beim Essenholen nur immer aufpassen, wenn ich über Deck nach mittschiffs zur Kombüse ging, musste immer die dem Land abgewandte Seite wählen.  An einen Landgang war überhaupt nicht zu denken, erstens hatte ich kein Geld, und zweitens war mein Dienst erst abends um 19 Uhr beendet, danach ab unter die Dusche und dann in die Kammer, Unterhaltung mit dem anderen Decksjungen und dann ab in die Koje, denn morgens um 6.30 wurde schon wieder aufgestanden.

Der Tagesablauf im Hafen beim Lade- oder Löschbetrieb sah für mich folgendermaßen aus: Die Schichten der Hafenarbeiter begannen um 6 Uhr morgens, dann waren schon einige der Besatzungsmitglieder an Deck, um das Ladegeschirr richtig zu stellen bzw. die Luken vorher zu öffnen, deshalb war morgens meine erste Arbeit, diese Leute mit Kaffee zu versorgen, vorher musste ich aber erst einmal die Unordnung der Nacht beseitigen.  Es war bei den Seeleuten so üblich, dass sie, wenn sie nachts von Land kamen, sich oftmals noch in der Messe aufhielten, um sich noch selbst was zum Essen aus dem Kühlschrank zu holen, oder sich eine Tasse Kaffee zu machen.  Die Überreste nächtlicher "Gelage" durfte ich dann morgens als erstes beseitigen, danach wurde für das Frühstück aufgedeckt, was um 7.30 Uhr begann, kurz vorher musste ich über Deck nach mittschiffs zum Koch und die Mahlzeiten dort in speziellem Geschirr abholen und bei jedem Wetter über Deck nach achtern tragen.

Üblicherweise gab es jeden morgen an Bord eine warme Mahlzeit, seien es Frikadellen, Eier in jeder Form, auch mal Bratwurst oder Würstchen, mal ein Kotelett, dazu natürlich mehrere Sorten Brot, viele Sorten an Wurst und immer Butter.  Margarine war an Bord unbekannt, dazu Kaffee bis zum Abwinken.  Ich musste immer aufpassen, dass genug auf den Platten war, ich selbst musste bei der Nahrungseinnahme immer zurückstehen, war immer als letzter dran.  Hatten alle gegen 8.00 fertig gefrühstückt, begaben sie sich an ihren Arbeitsplatz an Deck oder in die Maschine.

Jetzt begann für mich das große Saubermachen. Alles musste abgeräumt und gereinigt werden, das Geschirr wieder eingeräumt, Reste von Wurst und Käse in den Kühlschrank gelegt werden.

Der Tisch, an Bord Back genannt, musste piekfein gesäubert und auch der glatte Fußboden gewischt werden.  Zwischendurch blieb kaum Zeit für einen Blick an Deck, wo doch hier in Europa alle Ladung für die afrikanischen Häfen an Bord gehievt wurde, was mich durchaus interessierte, ich würde sicher später noch genug Gelegenheit bekommen, den Lösch- und auch Ladebetrieb kennen zu lernen.

Um 10.00 Uhr war schon wieder Kaffeezeit, alle Utensilien, wie Kaffeebecher, Teelöffel, Milch und Zucker mussten parat stehen, wenn die Decksbesatzung und auch das mitunter arg ölverschmutzte Maschinenpersonal pünktlich in der Messe eintrudelten.  Jetzt musste der Kaffee fertig sein, denn viel Zeit war nicht für diese Pause der Besatzung, jeder wollte gerne der erste sein, der sich aus der übergroßen Kaffeekanne einschenkte, natürlich gab es auch hierbei die an Bord übliche Hierarchie.

In dieser Hierarchie stand ich ganz unten, deshalb durfte ich auch sofort, nachdem die Mannschaft die Messe wieder verlassen hatte, wieder mit dem Saubermachen beginnen, alles musste abgewaschen, alles wieder in die Schubladen und Schränke eingeräumt werden.

Und weiter ging es auch in den Gängen im gesamten Achterschiff.  Auch hier musste ich fegen und feudeln, die Handläufe mussten abgewischt werden und beim Hinaustragen von Eimern mit Müll zur an Deck stehenden Tonne mit Abfall, die damals erst immer auf See geleert wurde, stieß ich mir immer noch die Schienenbeine wund an den hohen Einstiegssüllen, die ein Eindringen von Wasser in die Unterkunftsräume verhindern sollten. Aber das würde sich schon geben, wie man mir sagte.

Inzwischen ging es auf die Mittagszeit zu, und ich musste langsam daran denken, wieder die Backen herzurichten, Teller, Messer, Gabel, Löffel bereit legen und das Tragegestell mit den Essenstöpfen hervor holen.

Pünktlich um 12:00 Uhr dann musste das Essen, welches ich zeitig genug aus der Kombüse mittschiffs zu holen hatte, achtem in der Messe auf der Back sein.  Viele hungrige Mäuler bedienten sich mit großem Appetit.  Mein Augenmerk musste sich immer auf eventuellen Nachschub richten, denn viele aus der Mannschaft waren mit einem Schlag nicht voll zufrieden, sondern nahmen auch manchmal einen zweiten Nachschlag.  Ich jedenfalls war dauernd in Bewegung, allerdings nicht, ohne auch meinen Teil zu mir zu nehmen.

Im Hafen hatte die Decksbesatzung bis 13:00 Uhr Pause, die Restzeit der Stunde nach dem Essen verbrachten die Leute meist in der Kammer oder saßen bei gutem Wetter an Deck, ehe auch für sie wieder die Arbeit begann.

Das Schlimmste für mich war, dass noch Leute nach dem Essen in der Messe sitzen blieben, denn das brachte meinen Zeitplan beim Saubermachen doch etwas durcheinander, Platz machte mir damals vor 13:00 Uhr keiner, und ich wollte schnell fertig werden, denn meine Pause war nach dem Säubern der Messe bis zur Nachmittagskaffeezeit, die um 15:00 Uhr begann.

In den ersten Wochen meiner Fahrzeit, in der noch alles neu war, nutzte ich diese Pause, um mich ein wenig an Deck umzusehen oder auch einfach nur, dem Ladebetrieb zuzusehen.

Das Kaffeekochen, eine der Hauptbeschäftigungen, begann dann schon wieder um 14:30 Uhr, dazu wurden wieder Kaffeebecher mit Löffeln aufgedeckt, Milch dazugestellt, bevor die Matrosen, Leichtmatrosen, Jungmänner und mein Kammerkollege sowie die Maschinenleute in der Messe erschienen.  15 - 20 Minuten Kaffeepause, Gespräche über Gott und die Welt und ich war schon wieder mitten drin.  Alles abdecken, abwaschen, wegräumen sowie fegen und feudeln, reine Routine.  Aber es lag ja nur noch eine Mahlzeit vor allen.

Um 15:30 Uhr war ich wieder mit der Arbeit alleine, wieder alles abräumen, abwaschen, wegräumen, danach war auch mal Zeit, aus der Kombüse Nachschub an Wurst und Käse zu besorgen, auch Brot und Butter mussten ständig aufgefüllt werden.

Gegen 17:30 Uhr war dann wieder aufgedeckt, aus der Kombüse wurde wieder etwas Warmes geholt und alle Decksbesatzungsmitglieder sowie das Maschinenpersonal erschienen zum letzten Gefecht für diesen Tag, nur mit dem Unterschied, dass sie schon Feierabend hatten und frisch gewaschen in der Messe erschienen.  Ich hatte dann das Vergnügen, wieder alles abwaschen zu dürfen, alles wegzuräumen, kurz durchfeudeln, dann wurde auch für mich das Wort "Feierabend" zur Wirklichkeit.

Die Liegezeit in Bremen war nicht lange, weiter ging es nach ein paar Tagen in Richtung Amsterdam, ein Katzensprung nur.  Hier erhielten wir wieder Mengen Ladung in alle Kuken für Afrika.  Es war zu der Zeit sehr schlechtes Wetter, die Decksbesatzung schimpfte, da abends nach Ladeende immer alle Luken mit Regensegeln dicht gehängt werden mussten, bei gutem Wetter konnten die Lukenöffnungen einfach bis zum nächsten morgen offen bleiben.

Diese Schlechtwetterperiode betraf mich auf den ersten Blick eigentlich gar nicht, ich war ja im Trockenen, allerdings musste ich ja immer das Essen von mittschiffs aus der Kombüse holen, ca. 45 Meter über Deck, was manchmal voller Stauholz oder abgelegter Scheerstöcke war.  Es war wirklich manchmal eine richtige Kletterei - und wehe, ich fiel mal hin!  Wegen mir war es nicht schlimm, aber das Essen!  Dazu gibt es eine Episode, zu der ich später einmal etwas berichten werde.  Von der Stadt Amsterdam habe ich bei diesem Aufenthalt leider nichts zu sehen bekommen, aber das holte ich später nach.

Der Seetörn nach Bordeaux war schon etwas länger, hier ging es stundenlang den Gironde-Fluss hinauf, das erste Mal hatte ich Gelegenheit, versenkte Schiffe, die aus dem Wasser ragten, als Kriegshinterlassenschaft zu sehen.  Hiervon hatte ich schon vor Jahren gelesen, hätte aber nie gedacht, dass sie immer noch hier liegen würden.

Bordeaux war der erste Hafen, in dem ich Gelegenheit hatte, in der Mittagspause an Land zu gehen, leider war die Zeit zu kurz, um viel zu sehen.  Interessant war der Hafen. Bordeaux war und ist ein Tidehafen, der Tidenhub beträgt fast acht Meter, und ich konnte mit Erstaunen das Schiff fast auf dem Grund liegen sehen.

Hier in Bordeaux wurde die Ladung an Bord genommen, die in den ersten Löschhäfen wieder entladen werden sollten, dies sollte unter anderem Dakar in Westafrika sein, auf einer Landkarte konnte ich mir schon mal ansehen, wo es lag.

Nach einigen Tagen, in denen mein Verhältnis zu den übrigen Besatzungsmitgliedern immer besser und intensiver wurde, verließen wir Bordeaux und die Reise nach Westafrika begann.

Auf See  - Freiheit total

Noch während der Revierfahrt auf dem Fluss, dem offenen Meer entgegen, hatte die Decksbesatzung alle Hände voll zu tun, das Schiff musste seeklar gemacht werden, die Bäume wurden heruntergelassen, das Ladegeschirr abgetakelt und verstaut, die Luken waren nach dem Laden verschlossen worden, Persenninge verhinderten ein Eindringen von Wasser auf See.

Nachdem wir die Mündung der Gironde verlassen hatten, war es inzwischen Abend geworden, ich hatte meine Arbeit verrichtet und stand diesen Abend lange an Deck an der Reling und schaute hinaus ins offene Meer.

Jetzt wurde es von Tag zu Tag wärmer, man kam jeden Tag der Sonne näher, sooft ich Zeit hatte, war ich jetzt draußen an Deck und genoss den Ausblick, schaute den "Tagelöhnern" bei der Arbeit zu und fragte, wann immer es ging, nach Sachen, die ich nicht verstand und die mir oftmals unbegreiflich waren.

Ich hatte das große Glück, dass der 3. Offizier auch aus Lübeck war.  Dieses, so vermutete ich, veranlasste ihn des Öfteren, mir Einzelheiten des Schiffsbetriebes außerhalb meiner bis jetzt doch relativ eintönigen Aufgaben zu zeigen und auch zu erklären.  So lernte ich auch den von der Decksbesatzung durchgeführten Wachbetrieb kennen, der sich im Einzelnen so abspielte:

Die 24 Stunden eines Tages teilten sich für die Decksbesatzung auf in drei Wachen: 4 - 8 Uhr, 8 - 12 Uhr und 12 - 16 Uhr, danach war wieder die 4 - 8 Uhr-Wache dran mit Wache von 16 - 20 Uhr, dann war Wache von 20 - 24 Uhr und von 00 - 04 Uhr in der Nacht, diese nannte man die „Hundewache“.

Während einer vierstündigen Wachzeit, die mit zwei Mann besetzt war, ging ein Mann Ruderwache, d. h. er steuerte nach Vorgaben des diensthabenden Offiziers das Schiff, die zweite Person verrichtete andere Sachen, wie z. B. Ausguck bei schlechter Sicht, sorgte mal für Kaffee oder bekam andere Aufgaben vom Offizier.  Dieser zweite Mann löste dann nach zwei Stunden den Rudergänger am Steuer ab, und die Aufgaben wechselten.  Somit waren immer zwei Mann auf Wache und sorgten zusammen mit dem diensttuenden Offizier für die Sicherheit.

Der restliche Teil der Decksbesatzung wurde vom Bootsmann (an Land würde man ihn Vorarbeiter nennen) für Instandsetzungsarbeiten (meistens Rost entfernen und malen) an Deck eingeteilt.  Dies waren die so genannten Tagelöhner, die von morgens um 8.00 Uhr bis nachmittags 16 Uhr Arbeiten verrichteten.

Um alle anfallenden Arbeiten, deren Ausführung bei einem Hafenaufenthalt nicht möglich waren, auf See durchzuführen, konnten auch Matrosen sowie Junggrade außerhalb ihrer Wache an Deck arbeiten, dies nannte man "zutörnen" (törn tau), die anfallenden Stunden wurden dann als Überstunden abgegolten.

Bedenken muss man aber, dass diese Zusatzstunden, die außerhalb der Wache zustande kamen, auf Kosten des Schlafes gingen, denn bei den Wachgängern lagen ja nur immer acht Stunden zwischen den Wachen.  So war es nur zu verständlich dass meistens nur vier Stunden "zugetörnt" wurde, der Rest der Zeit ging dann für Essenszeiten und Ruhepause drauf.

Jetzt wurde es auch schon spürbar wärmer, wer an Deck zu tun hatte, hielt sich dort nur in ganz leichter Kleidung auf, irgendwann trugen auch einige einen Tropenhelm, der an Bord zur gestellten Ausrüstung gehörte.

Ab und zu konnte man auch Schiffe beobachten, meist waren sie aber so weit entfernt, dass man nicht einmal die Nationalität erkennen konnte.

Meine mir aufgetragenen Arbeiten machten mir inzwischen viel Spaß, irgendwie hatte ich es gelernt, so effektiv wie möglich zu arbeiten und auch die mir am Tage verbleibende Freizeit gut zu nutzen, wenngleich bei der zunehmenden Hitze immer öfter Faulenzen angesagt war.

Irgendwann, nach 16 Tagen auf See, begleiteten uns plötzlich Möwen, sie kreisten immer wieder über dem Schiff, von Mannschaftsmitgliedern vernahm ich, dass es nicht mehr weit bis nach Dakar, dem ersten Hafen in Westafrika, sein würde.  Nun kam auch bald die Küste in Sicht, aber es dauerte immer noch etwa zwölf Stunden, bis wir mit Lotsenhilfe im Hafen von Dakar anlegten.

Alles Freunde?

Sofort, nachdem das Schiff sicher am Kai lag, wurde die Gangway heruntergelassen und die Behörden kamen an Bord, auch der Zoll erschien mit einigen Leuten.

Die Besatzung machte sich sofort daran, die Luken zu öffnen, das Ladegeschirr musste richtig gestellt werden, insgesamt wurde alles vorbereitet für das Löschen der für Dakar bestimmten Ladung, welches am nächsten Morgen beginnen sollte.  Ich selbst hatte nach dem Anlegen nichts Besseres zu tun, als nur an der Reling zu stehen und an die Pier zu schauen.

Es war für mich einfach überwältigend, nur dunkelhäutige Leute zu sehen, z. T. doch recht ärmlich gekleidet, am Kai war reger Betrieb, viele Leute lungerten hier einfach nur so herum, wie es schien.  Eine große, in eine Khaki-Uniform gezwängte männliche Person fiel mir irgendwann auf, die zielstrebig einen zweirädrigen kleinen Gummiwagen in die Nähe des Schiffes zog, ihn hier stehen ließ und die Gangway hoch kam.

Hier sprach er mit einem Offizier und ließ bald darauf eine Wurfleine von Deck hinunter an die Pier.  Danach ging er wieder die Gangway herunter, befestigte einen Schlauch, der auf seinem Gummiwagen war, an der Leine, ging wieder an Bord und zog den Schlauch in die Höhe.

Hier schloss er den Schlauch an einer an Deck befindlichen Anschlussstelle an, ging wieder nach unten, schloss das andere Ende des Schlauches an eine Anschlussstelle an Land an und drehte dann ein Ventil auf.

Des Rätsels Lösung war denkbar einfach, es war der "Waterman", ein schon seit Jahren in Johnson-Line-Uniform diensttuender Angestellter der Hafenbehörde, dessen einzige Aufgabe es war, die einlaufenden Schiffe mit Trinkwasser zu beliefern.

Am ersten Tag in Dakar war auch Postausgabe für die Besatzung, leider war für mich noch nichts dabei, hatte ich doch wirklich noch keine Gelegenheit gehabt, meiner Mutter bzw. meinem Großvater zu schreiben und die Adresse der Reederei mitzuteilen.  Dieses wollte ich aber unbedingt hier in Dakar erledigen.

Am nächsten Tag wurde es hektisch, schon vor dem Frühstück herrschte reges Treiben an Bord.  Viele Schwarze kamen an Bord, bereiteten die Entladung vor, wie es schien.  Viele gingen aber auch nach vorne unter die Back und tauchten erst mal nicht wieder auf.  Wieder ein Rätsel?  Durch einen meiner Kollegen wurde ich aufgeklärt.

Für die gesamte Lösch- und Ladezeit in Westafrika waren hier in Dakar, und das passierte jede Reise, 37 so genannte "Crew Boys" an Bord gekommen, 36 davon bewältigten die gesamten Lösch und Ladegeschäfte und damit verbundenen Decksarbeiten, der 37ste war der Wachmann, der, wie ich erfuhr, schon seit drei Jahren regelmäßig auf das Schiff kam.  Er hatte eine Unterkunft in einem Decksraum des hinteren Windenhauses und war abends nach Arbeitsende der Arbeiter immer präsent in der Höhe der Gangway, um ungebetenen Besuch zu verhindern.  Diese Maßnahmen waren schon seit Jahren hier in den Häfen so üblich.

Die Räumlichkeiten unter der Back  auf dem Vorschiff, waren für die nächsten zwei Monate der Schlafraum für die anderen Crew Boys, hier kochten sie auch selbst.  Alle Arbeiter waren nicht das erste mal hier an Bord, kannten sich mit den Gegebenheiten an Bord bestens aus und kannten auch die Besatzungsmitglieder, die nicht, wie ich, ihre erste Reise machten, kurzum, man kannte sich.

Gesagt werden aber muss noch, dass für alle Einheimischen, die sich von nun an länger hier an Bord aufhalten würden, das Betreten der übrigen Räumlichkeiten der Besatzung streng verboten war.  Warum diese Anordnung bestand, wurde mir nur zu deutlich vor Augen geführt.  Ein Mannschaftsmitglied erzählte mir von abenteuerlichen Diebstählen in früheren Zeiten, und auch der Koch wusste vom Verschwinden einiger gekochter Hühner zu berichten.  Wie er sagte, seien sie bestimmt nicht durch das geöffnete Bullauge der Kombüse entflogen.  Auf jeden Fall war ich gewarnt, trotzdem sollte es später zu einer seltsamen Begebenheit kommen, für die ich eine einfache Erklärung hatte.

In Dakar lagen wir nur wenige Tage, dann ging es zum nächsten Löschhafen, vorbei an einer Anlegestelle, wo unglaublich hohe Berge von gestapelten Bettgestellen aus Metall lagen, eine nicht zu schätzende Menge.  Uns wurde erzählt, dass die dreiteiligen einfachen Metallbetten schon vor Monaten hier abgeladen worden waren und für eine Hilfsorganisation bestimmt seien, aber bisher habe sich nichts getan.

Dicht unter der Küste fahrend ging es zum nächsten Hafen, Conakry, hier wurde nur kurz Station gemacht, einen Tag lang entluden die mitfahrenden Crew Boys die für diesen Hafen bestimmte Ladung, auffallend war die große Anzahl von "Verwandten" der Crew Boys, die hier, wie auch in den folgenden Häfen, immer wieder an Bord kamen, und jeder brachte was mit, was die Angehörigen mit zu anderen "Verwandten" mitnehmen sollten.

Mir fiel erst hier ein unförmiges Gestell auf, welches an der Backbordseite vorne über das Vorschiff hing, eine Art flaches Zelt, was über dem Wasser schwebte, befestigt an der Verschanzung des Vorschiffes.  Des Rätsels Lösung war nicht schwer zu erraten, nachdem den ganzen Tag lang die Crew Boys sowie alle dunkelhäutigen Besucher, die sich auf dem Schiff aufhielten, immer mal hinter den flatterigen Planen verschwunden waren und anschließend immer etwas außenbords ins Wasser plumpste, war mir schnell klar, was es war, und es hatte auch an Bord einen Namen: "Shit House". Dass im Hafen, wenn mit Backbordseite angelegt war, jeder, der sich unten an der Pier aufhielt, alles beobachten konnte, störte hier keinen.

Am nächsten Tag waren wir schon wieder auf See, aber nur einige Stunden.  Freetown war der nächste Hafen.  Auch hier das selbe Spielchen.  Da hier das Löschen über zwei Tage dauerte, hatte ich das erste Mal Gelegenheit, abends an Land zu gehen, aber nicht alleine.  Dies war uns von der Schiffsleitung ausdrücklich untersagt worden, und wir hielten uns dran.  Viele Matrosen, die diese Reiserouten schon kannten, erzählten fast unglaubliche Storys.

Unglaublich waren auch die Eindrücke, die ich hier bei meinem ersten Landgang abends wieder mit an Bord nahm.  Nichts, was an Verhältnisse in Europa erinnerte.  Kam man mal von der Hauptstrasse ab, war man sofort in den Gegenden, die man besser meiden sollte.  Hier war alles dunkel und verdächtige Gestalten lungerten überall herum.  Oftmals wurde man auch, da man sofort als Europäer erkannt wurde, von aufdringlichen Einheimischen nach Zigaretten gefragt.  Ziel der abendlichen Ausflüge an Land waren fast immer Kneipen oder, wie man es hier nannte, Bars. Es waren primitiv eingerichtete Kaschemmen, deren Türen immer offen standen und aus denen auch immer laute Musik zu hören war.

Mein Kammerkollege und einer der Messejungen der Offiziersmesse, die mich begleiteten, brauchten eigentlich nur dem Geräuschpegel folgen, da machte man nichts verkehrt.  Ausgelassenheit und Freude herrschte in solchen Bars vor, alleine die farbenfrohe Kleidung der Einheimischen und die vornehmlich jüngeren Frauen waren schon den Besuch wert.  Trotzdem waren wir immer wieder froh, wenn wir an Bord zurück waren.  Die paar Flaschen Bier, die wir getrunken hatten, machten uns das Einschlafen leicht.

Doch auch Freetown war nur eine kleine Episode entlang der Küste von Westafrika, weiter ging es zum nächsten Hafen, Monrovia, einem für damalige Verhältnisse großen Hafen, aus dem Schiffe aus aller Welt Eisenerz holten.  Hier pulsierte das Leben im Hafen und auch in der Stadt noch mehr als anderswo, alles war, zumindest im Zentrum der Stadt, schon viel moderner für damalige Zeiten.  Die zwei Nächte, die wir in Monrovia waren, nutzen wir fast alle für einen ausgiebigen Landgang, zumindest die Matrosen schienen hier schon recht heimisch zu sein, denn hier, wie auch noch in einem anderen Hafen, tauchten auch nachts Frauen an Bord auf, obwohl dies verboten war.

Am Tage hatte ich dann auch mein erstes negatives Erlebnis.  Nachdem ich von fliegenden Händlern geschnitzte Hartholzfiguren gekauft hatte (Zahlungsmittel waren Zigaretten), was an Deck vor sich ging, brachte ich diese in meine Kammer.  Diese lag an Backbordseite und aus meinem geöffneten Bullauge konnte ich an die Pier sehen, als ich gerade in der Kammer war, tauchte ein schwarzer Kopf nahe der Öffnung auf und bot mir Sonnenbrillen an.  So etwas war hier bei der glühenden Sonne natürlich immer zu gebrauchen, und so wechselten zwei Sonnenbrillen den Besitzer, vier Schachteln Lucky Strike wurden dafür nach draußen gelangt.  Damit war der Kauf perfekt und ich ging wieder meiner Arbeit nach.  Als ich Stunden später wieder einmal in meine Kammer kam, staunte ich nicht schlecht, die Holzfiguren, die ich nahe des Bullauges deponiert hatte, waren weg, da half kein Suchen und Schimpfen, es war mir klar, dass der Sonnenbrillenverkäufer das offene Bullauge genutzt hatte und die Figuren herausgefischt hatte.  Also in Zukunft: Bullauge im Hafen immer geschlossen halten!

Weiterer Unmut bereitete mir manchmal der morgendliche Blick in die Messe.  Immer, wenn ich voller Tatendrang, mitunter auch etwas unter Zeitdruck, das Frühstück vorbereiten wollte, bekam ich einen Schlag.  Die Messe sah aus wie ein Schweinestall.  Nachts an Bord gekommene Matrosen und Maschinenleute hatten wohl nach ausgedehnter Zechtour an Land erst noch mal so richtig gegessen und Kaffee getrunken, natürlich war nichts wieder sauber gemacht oder gar weggeräumt worden.  Da lagen benutzte Brotbretter, verschmierte Messer, halb volle Auf­schnittplatten mit Wurst und Käse, benutzte Becker mit Kaffeeresten standen auf der Back und die Butter schwamm mehr, als dass sie eine streichfähige Masse war.  Brotreste und natürlich Krümel überall.  Dass der Fußboden gleichermaßen sein Aussehen verändert hatte, leuchtet wohl allen ein, zusätzlich waren überall Zigarettenkippen in unzähligen Aschenbechern verteilt.

Schnellstens musste dann von mir alles weggeräumt und gereinigt werden, denn im Hafen tauchten pünktlich die ersten Hungrigen auf.

Endlich mal wieder andere Deutsche

Der nächste Hafen, den wir anliefen, war Abidjan, hier bot sich beim Einlaufen am frühen Nachmittag ein herrliches Bild.  Mindestens sechs Schiffe mit dem Heimathafen Hamburg lagen hier an den Kais, beim Vorbeifahren betätigte der Kapitän unser Typhon als Begrüßung, das war, wie ich später merkte, so üblich, wenn hier an der Westküste Afrikas andere deutsche Schiffe im Hafen lagen.

Während auch hier zwei Tage lang gelöscht wurde, nahmen viele von uns die Gelegenheit wahr, abends auf ein anderes Schiff aus Deutschland, womöglich noch eins der selben Reederei, zu gehen und dort Besuche zu machen. Das beschränkte sich unter Mannschaftsgraden dann oftmals auf das Leeren von einigen Kasten Bier und dem Austausch von mehr oder weniger glaubhaften Gruselgeschichten aus anderen Häfen.

Durch diese Besuche hatte ich wiederum Gelegenheit, auch andere Gegebenheiten auf anderen Schiffen kennen zu lernen, die Kammergröße für Mannschaftsgrade, die Ausstattung und Sorten der Biere, vornehmlich deutsches Export, sowie Zigarettenmarken, meist amerikanisch, war ohnehin gleich.

Ein Gesprächsthema war auch oftmals die Verpflegung.  Zu dieser Zeit machte ein Gerücht die Runde, dass aufgrund von schlechten Frachtraten die Reedereien Einsparungsmaßnahmen bei der Verpflegung planen würden, wovon aber keiner etwas Genaues wusste.

Ausflüge mit der Barkasse

Vor unserem nächsten Löschhafen, Accra, gingen wir vor Anker, riesige Pontons kamen längsseits.  Auf die wurde dann die für diesen Hafen bestimmte Ladung gestellt und abtransportiert.

Hier kam auch die an Bord befindliche Barkasse erstmals zum Einsatz.  Nachdem die Besatzung sie zu Wasser gelassen hatten, machten wir an einem Wochenende, das wir hier verbrachten, mit zwölf Mann einen Ausflug, einfach den Fluss hinauf, nach einiger Zeit hatten wir rechts und links richtigen Urwald, den wir aber nicht betraten.  Das war wirklich mal eine gute, wenn auch nicht allzu lange Abwechslung.

Obwohl wir hier nur in Sichtweite der Stadt vor Anker lagen, wie übrigens andere Schiffe auch, kamen viele kleine Boote mit fliegenden Händlern längsseits.  Sie machten immer auf der Seite des Schiffes fest, an der sie nicht den von Bord gehenden Löschbetrieb störten oder durch ihn gefährdet wurden.  Hier kaufte ich, oder besser gesagt, tauschte ich noch einmal Holzfiguren aus ganz schwerem, schwarzen Material gegen Zigaretten, diesmal aber verstaute ich die Souvenirs gleich in meinem Spind, obwohl hier aufgrund der Höhe keine Gefahr bestand, durchs Bullauge hindurch bestohlen zu werden.

Der Koch droht mit dem langen Messer

Der nächste Löschhafen, Cotonou, brachte aus den Luken sehr viel Stauholz zu Tage, welches auf der dem Land abgewandten Seite in die Gangbord abgelegt wurde, ein wüstes Durcheinander von Planken, Brettern und zerbrochenen Holzteilen.  Außerdem lagen hier auch noch gestapelt dicht am Lukenrand die Holzlukendeckel der jeweiligen Luke.  Diese Unordnung sollte für mich noch einige Konsequenzen haben, wie sich nur allzu schnell zeigen sollte.

Weil es morgens Eier gegeben hatte (bei der Seefahrt gab es jeden Donnerstag Eier), muss es ein Donnerstag gewesen sein!

Mittags ging ich - wie gewohnt - nach mittschiffs zur Halbtür der Kombüse, um mit dem Tragegeschirr die Essen für die Mannschaft abzuholen.  Es gab Pfannkuchen mit Apfelmus bzw. Preiselbeermarmelade, jeder so, wie er wollte.  Der Weg zurück zur Mannschaftsmesse gestaltete sich als schwierig aufgrund der schon beschriebenen Verhältnisse.  Holzbretter lagen ungeordnet wild durcheinander, und ich musste darüberklettern.  Dann kam es, wie es kommen musste, ich stürzte und ließ, um mich abzustützen, das Tragegeschirr mit den Essen fallen.  Auf den Brettern lagen jetzt etwa 30 große Pfannkuchen, etwas davon entfernt die beiden Gefäße mit dem Apfelmus und den Preiselbeeren, zum Glück nicht umgestürzt.  In manchen Situationen hat man eine Eingebung!  Ich hatte genau in dem Moment eine, indem ich merkte, dass mich keiner sah!  Mit den Händen packte ich die Pfannkuchen, rieb kurz die daran haftenden Sägespäne und Holzsplitter ab, bzw. meinte dies zu tun, - ­alles rein in das Gefäß, ein kurzer Blick noch in Richtung Kombüse, einer in Richtung achtern zu den Bullaugen der Messe und ab ging es wie die Feuerwehr in die Messe.  Hier war noch keiner der Mannschaft, ich hatte aber gerade die Pfannkuchen auf dafür vorgesehene große Platten gelegt, schnell noch einige Splitterchen beseitigt, als die ersten Hungrigen schon kamen.  Argwöhnisch sah ich zu, wie die Leute zulangten, sich  einen Pfannkuchen auf den Teller legten, Apfelmus darauf füllten, es etwas verstrichen, oder eben dasselbe mit den Preiselbeeren, und anfingen, genüsslich zu essen.

Das Schicksal nahm jetzt ziemlich schnell seinen Lauf.  Nachdem der erste kleine Holzsplitter von einem Matrosen gefunden war, ließen sich auch die anderen den Teig langsamer zwischen den Zähnen hin und herwandern, und siehe da, plötzlich hatten mehrere was aus ihrem Mund gefischt und hielten es drohend nach oben.  "Dieser Koch!"

Es durchzuckte mich, ich war aber noch zu naiv, um zu glauben, dass die Wahrheit nicht ans Licht kommen würde.  Ich wurde beauftragt, mit den beanstandeten Pfannkuchen zum Koch zu gehen und von ihm Rechenschaft zu verlangen und natürlich neues Essen.  Ich also los, wieder über die Bretter hin zur Kombüse, ich hatte gerade damit begonnen, mein Essgeschirr über die Halbtür in die Kombüse zu reichen, als es auch schon losging.  Ich brachte etwas zögernd die Einwände der Matrosen hervor und berichtete von gefundenen Holzteilchen in den Pfannkuchen, als der Kochsmaat auftauchte.  Der Koch griff nach seinem wahrscheinlich längsten Messer, als der Kochsmaat mich spöttisch fragte, ob ich denn wohl auch alle Pfannkuchen zwischen dem Stauholz wiedergefunden hätte.  Zum Glück fuchtelte der Koch nur, ich bekam neue Pfannkuchen und die Matrosen hatten das Gefühl, es durch mich dem Koch einmal wieder so richtig gegeben zu haben.  Pfannkuchen mit Holzsplittern drin, wo gibt’s denn so was!  Ich für mich dachte nur: "Noch mal gut gegangen."  Komischerweise wurde von Seiten des Kochs und des Kochsmaaten in Gegenwart der Mannschaft nie von dieser Episode gesprochen. Vielleicht zum Glück für mich.

Als nächster Hafen stand Lagos auf der Liste, nur wenige Stunden Seetörn, und wir hatten dort festgemacht.  Wieder wurden durch die fleißigen Crew Boys viele der Kisten und sonstigen sperrigen Teile aus dem Schiff an Land verbracht und von der Pier aus mit klapperigen LKW weiterbefördert, währenddessen es bei den Matrosen, die schon mehrmals hier in Lagos waren, nur ein Gesprächsthema gab, eine Bar, die sich „Dressler-Bar“ nannte.

Hier sollte sich alles abends abspielen, hier gab es die schönsten Frauen und die heißeste Musik, hieß es, aber alles kostete Geld, und das hatte ich nicht.  Immer konnte man auch keine Zigaretten verkaufen, ein Leichtmatrose gab mir dann aber einen Tipp, wie man zu Geld kommen könnte.

Ich hätte doch eine Lederjacke, meinte er, die solle ich einfach mit an Land nehmen, da kämen die Leute von ganz alleine, um sie zu erwerben.  Ich dachte, der spinnt, hier in den Tropen und dann die schwarze Lederjacke.  Der Gedanke daran, vielleicht aber was zu versäumen, brachte mich aber doch dazu, abends, als ich mit dem 2. Decksjungen und dem Messejungen aus der Offiziersmesse an Land ging, die Lederjacke mitzunehmen und sie, weit genug vom Schiff entfernt, anzuziehen.

Wir waren noch gar nicht sehr weit in Richtung Stadt gegangen, als wir auch schon von ein paar Einheimischen angehalten wurden, die neugierig die Jacke betatschten und wissen wollten, was sie denn wohl kosten sollte.  Ich nannte einen Preis, der mir angemessen schien und einer der Leute wollte sie gerne anprobieren, wofür ja eigentlich kein Hinderungsgrund vorhanden war.  Ich zog also die Jacke aus, er streifte sie über, drehte sich, sprach mit seinen Freunden, alle begutachteten die Qualität, den Strickkragen und auch die Gangbarkeit des Reißverschlusses, er wurde rauf und runter gezogen, immer noch einmal.

Dann ging alles ganz schnell und einfach!  Der gute Mann lief einfach weg, er und seine Kollegen verschwanden alle in verschiedene Richtungen.  Ehe wir uns versahen, standen wir alleine auf weiter Flur.  Uns war ganz schnell klar, dass da keine Chance bestand, die Jacke wiederzubekommen, in der Hoffnung, auch so in der so genannten Dressler-Bar irgendwie einen zu treffen, der uns einen ausgab, fragten wir uns nach der Bar durch.

Die so genannte Bar lag im Stadtteil Apapa und war wohl mehr eine Bruchbude als ein normales Haus, verfehlen konnte man diese angebliche Sehenswürdigkeit nicht, laute Musik und bunte Lichter außen an der windschiefen Baracke wiesen uns schon von weitem den Weg.  Innen war im wahrsten Sinne des Wortes der Teufel los, etwa 50 bis 60 Leute waren in einem Raum von wahrhaft unglaublicher Ausstattung.  Bunte Lampen überall, an den Wänden übergroße Zeichnungen von halbbekleideten Mädchen, eine Tanzfläche von etwa 25 qm, ein unheimlich rustikal zusammen gezimmerter Tresen, laute Musik aus einer modernen Music-Box und um die Tanzfläche herum etwa 15 Tische mit einfachen Stühlen.  Das unbedingte Glanzstück war aber die Frau hinter dem Tresen!  Eine absolute Schönheit, bekleidet mit einem Kleid aus imitiertem Tigerfell, nur ein Träger führte über eine der Schultern, das Kleid war so kurz, dass man es auch als breiten Gürtel bezeichnen konnte.  Und dann dieses Lächeln.  Nicht nur, dass es dauernd das braune Gesicht zierte, nein, man hatte auch das Gefühl, wenn man vom Blick getroffen wurde, als wenn es direkt für jeden persönlich gedacht war.  Und die Bedienungen, alle mit ähnlicher Figur wie auch die "Tigerfrau" waren auch nicht schlecht, mit meinen gerade 17 ½ Jahren klafften aber Träume und Wirklichkeit ganz weit auseinander.  Da hatten die Matrosen, die sich auch um viele andere junge Mädchen bemühten, die sich hier aufhielten, schon bessere Chancen.

Aber im Moment hatten wir andere Wünsche.  Obwohl es nicht besonders auffiel, wenn man zwischen den ganzen Leuten einfach nur so dastand, Unterschiede gab es schon, denn wir hatten nichts zu trinken.  Der 2. Decksjunge hatte schließlich den Mut, einen der Matrosen anzusprechen, von dem er dann auch ein paar Dollar bekam, so dass wir endlich auch etwas trinken konnten.  Wir ließen uns an einem der Tische nieder und schlürften behaglich das (daher der Name der Bar) Dressler-Bier, schön eisgekühlt.  Meine Augen flogen nur so hin und her, sie kamen nicht zur Ruhe, so etwas hatte ich noch nie gesehen.  Getanzt haben wir drei damals nicht, dazu waren wir wohl doch noch zu jung und unerfahren, aber das Leben lag ja noch vor uns, das würde sicher noch anders werden.

Gegen zwei Uhr nachts waren wir wieder an Bord, der Wachmann empfing uns mit einem Grinsen an der Gangway. "Dressler-Bar"?  "Yes, Dressler-Bar, wonderfull", war die Antwort.

Als ich in der Koje lag, mein Kollege unter mir, sprachen wir noch eine geraume Zeit über diese wunderbare "Dressler-Bar", und auch später sollte ich auf der ganzen Welt Seeleute treffen, die diese Bar, wenn sie einmal in Lagos gewesen waren, nur zu gut kannten.  Der Morgen beim Frühstück bestätigte die so genannte Einmaligkeit dieser Vergnügungsstätte in Lagos / Apapa, auch die Matrosen und das Maschinenpersonal, die ja schon wesentlich mehr Erfahrung aufwiesen als ich, sprachen beim Essen noch länger über die nächtlichen Erleb­nisse, wohl wissend, dass es wohl der letzte Hafen dieser Reise sein würde, auf dem man mal so richtig einen draufmachen konnte.

Der letzte Löschhafen der STECKELHÖRN war Douala, hier wurde auch der Rest der Stückgutladung gelöscht, die wir in Europa geladen hatten, danach liefen wir in Ballast wieder in nördliche Richtung aus, letzter Hafen in Westafrika sollte Takoradi werden, hier sollten wir Baumstämme für Hamburg laden.

Wenn ich gedacht hatte, in Takoradi, dem Ladehafen der Baum­stämmen für Hamburg, noch mal abends an Land gehen zu können, sah ich mich getäuscht.  In Sichtweite des Hafens gingen wir vor Anker, es dauerte nicht lange, dann wurden riesige Mengen von schwimmenden Baumstämmen rings um das Schiff herum gebracht, Stunden später, das Ladegeschirr war richtig gestellt, begann die Beladung.

Das an Deck liegende Stauholz, ebenso in den Räumen befindliche Holzreste waren auf See von der Decksbesatzung unter Mithilfe der Crew Boys einfach über Bord geworfen worden, eine damals gängige Praxis, denn benötigt wurde es für die Ladung hier nicht, und ganz mit nach Hamburg mit dem Abfallholz?  Kein Kommentar.

Obwohl die Barkasse hier auch zu Wasser gelassen worden war, bestand absolutes Landgangsverbot, warum, erfuhren wir nie richtig.

Das Beladen der STECKELHÖRN mit den riesigen Edelhölzern war schon ein Schauspiel für sich, die Standards, die in Europa für Hafenarbeiter galten, hatten hier gar keine Bedeutung, barfuss turnten hier die Dunkelhäutigen auf den Baumstämmen umher, die rund um das Schiff lagen, und für dessen Bewegung zu den richtigen Stellen zum Anbringen der Drahtseile ein kleiner Motorschlepper zuständig war.  Die Winden an Deck wurden von den Crew Boys bedient, auch im Laderaum waren sie für die richtige Platzierung eines jeden Stammes zuständig.  Jeder Stamm dieses hochwertigen Holzes aus dem Urwald Afrikas hatte übrigens eine selbständige Markierung, die immer am Kopfende jeden Stammes angebracht war, war neben der Nummer ein A, zeigte dies, dass es das untere, also dickste Stück eines Stammes war, ein B war das nächst höhere Stück und ein C bedeutete, dass es einmal der höchste, also dünnste Teil eines Stammes war.  So ein Stamm wog schon mal 5 bis 6 Tonnen und war am untersten Ende 2,50 Meter dick.

Von morgens bis abends wurde jetzt an allen Luken gearbeitet, Stamm um Stamm wurde in den Laderäumen verstaut, als die Räume voll waren, wurden sie vom Deckspersonal angedeckelt und so mit Persenningen überzogen und verschalkt, als wenn es ohne Decksladung auf See gehen würde.  Danach begannen die Crew Boys, an Deck weitere schwere Holzstämme zu lagern, dabei entstand schon mal so manche Beule an den Geländern der Deckshäuser.

Am 17. Oktober 1957 waren die Ladungsarbeiten abgeschlossen, die Decksmannschaft ließ die Bäume herunter und verzurrte alles, was irgendwie lose war.  Dann verließen wir den Ankerplatz in Takoradi, kurze Zeit später legten wir noch einmal in Dakar an, wo die Crew Boys von Bord gingen, diesmal mit vielen Kisten und Säcken, denn auf unserer Reise zu den anderen afrikanischen Häfen und den vielen Besuchen ihrer Angehörigen war es zu einer wundersamen Vermehrung ihrer anfangs mitgebrachten Habseligkeiten gekommen.  Mit viel Wortschwall und Gestik verließen die uns vertraut gewordenen Gesichter das Schiff, der Wachmann bekam von einem der Offiziere noch ein besonderes Geschenk für seine immer währende Aufmerksamkeit.

Nachdem auch die Formalitäten durch die Behörden erledigt waren, legten wir endlich ab, jetzt stand uns eine Seereise von etwa 12  bis 13 Tagen bevor, danach sollten wir Hamburg wiedersehen.

Heimreise

Gerade mal aus dem Hafen heraus, begann die Mannschaft damit, auf der Deckslast, also über die Baumstämme hinweg, Laufstege aus Brettern zu errichten.  Schnell merkte ich, dass dies auch unbedingt erforderlich war, denn ein Laufen auf den glitschigen Baumstämmen, die ja schon wochenlang im Wasser gelegen hatten, war sehr gefährlich, aus diesem Grund wurden auch zusätzliche Laufseile gespannt, um sich in Notfällen festhalten zu können.  Die Decksbesatzung hatte jetzt bei der Heimfahrt lange nicht so viel zu tun, denn das Deck, an dem man hätte arbeiten können, war ja nicht frei.  Für mich persönlich hatten sich die Arbeitsbedingungen erheblich verschlechtert, denn, immer wenn ich nach mittschiffs zum Essenholen musste, hatte ich achtern einen Aufstieg auf die Deckslast hinauf und mittschiffs wieder hinunter mit dem Essgeschirr zu bewältigen, zurück nach achtern zur Mannschaftsmesse wieder dasselbe in umgekehrter Reihenfolge.

Das Wetter war immer noch wunderbar, die Temperaturen angenehm, allerdings wurde es in nördlicheren Breitengraden von Tag zu Tag kühler, und man musste sich immer öfter ein Kleidungsstück mehr anziehen.  Ungewöhnliche Vorkommnisse gab es in den ersten Tagen auf See nicht, doch desto dichter wir wieder in heimische Gefilde kamen, desto gereizter wurde die allgemeine Stimmung.

Einmal morgens beim Frühstück hatte ich wohl übersehen, dass auf der Back des Maschinenpersonals keine Butter hingestellt war, einer der Reiniger rief daraufhin zu der Decksbesatzung herüber : "schmeiß mir mal die Butter rüber", einer der Matrosen nahm dies wörtlich und warf die Butter in Richtung des Reinigers, er zog allerdings den Kopf ein und die Butter landete hinter ihm an der Verkleidung.  Maschine und Deck waren nicht nur hier wie Katz und Maus, noch auf mehreren Schiffen, in denen sie eine gemeinsame Messe hatten, konnte man eine gewisse Streitsüchtigkeit zwischen beiden Berufsgruppen beobachten.

Als wir nach einigen Tagen den Eingang der Biscaya erreichten, änderte sich das Wetter total, wir bekamen, wie man sagt, "richtig einen auf die Mütze".  Das Schiff rollte und stampfte und in der Messe rutschten die Teller und Tassen hin und her, die Schlingerleisten an den Seiten der Tische wurden hochgeklappt, das Essenholen wurde jetzt zu einem Erlebnis, die Überholbewegung war manchmal so schlimm, dass mir einer von der Decksbesatzung helfen musste, und ich muss ehrlich sagen, ich hatte ganz schön die Hosen voll.  Den Matrosen und anderen langjährigen Fahrensleuten machte dies alles nichts aus, ich für meinen Teil war jedenfalls heilfroh, als wir den Ausgang der Biscaya und damit den Eingang zum Englischen Kanal erreichten.  Es wurde spürbar besser mit dem Wetter, aber dafür aber immer kälter.

Einer der Offiziere nahm mich hier, im Englischen Kanal, das erste Mal mit auf die Brücke.  War das eine Aussicht!  Ich staunte nur so, und immer wieder griff ich zum Fernglas, um andere, manchmal gar nicht so weit entfernte, Schiffe zu betrachten.  Mir wurde von dem Offizier auch die Handhabung des Ruders erklärt und ich durfte einen Blick auf den Radarbildschirm werfen, das Kartenhaus wurde mir gezeigt und die Funkbude, aus der wir vom Funker jeden Sonntag immer das Telegramm mit den Fußballergeb­nissen aus unserer Heimat bekommen hatten.  Alles war schon sehr beeindruckend für mich.  

Bedauerlicherweise wurde mir aber auch eröffnet, dass ich in Hamburg von Bord gehen müsse.  Einerseits tat es mir leid, andererseits war ich auch froh, denn ich hatte doch ein wenig Heimweh nach Lübeck.  Nach dem Löschen der Holzladung in Hamburg sollte die STECKELHÖRN eine Reise in Ballast nach Archangelsk machen und dort Grubenholz für Frankreich laden, eine damals sehr häufige Fracht.  Aber das sollte ich ja nun nicht miterleben, mit mir wollten noch acht andere Mannschaftsmitglieder in Hamburg von Bord gehen, auch der andere Decksjunge, der bei dem schlechten Wetter unheimlich seekrank geworden war, wollte endlich wieder mal nach Hause.

Bei „Elbe 1“ wurde der Seelotse übernommen, dieses konnte ich früh morgens vom Achterschiff aus beobachten, viele Schiffe waren zu sehen, die aus der Elbe kamen oder in See gingen, jetzt war es nicht mehr weit bis zum Hamburger Hafen.

Leider verpasste ich die Schiffsbegrüßungsanlage in Schulau, später sollte ich aber noch öfter Gelegenheit bekommen, diese auf der Welt einmalige Einrichtung kennen zu lernen.

Mein Seesack war natürlich längst gepackt, als wir im Hafenbecken von Waltershof festmachten, wieder an den Pfählen, denn an der Pier war kein Platz frei zum Löschen.  Nach einiger Zeit musste ich zum 1. Offizier, der mir mitteilte, dass ich am nächsten Tag, dem 31. Oktober morgens nach dem Frühstück von Bord gehen konnte.

Am 31.10.1957 einem diesigen Oktobertag, war es dann soweit.  Nachdem ich noch kurz meinen Nachfolger, einen neuen Decksjungen, der auch von der Schiffsjungenschule Priwall in Travemünde kam, begrüßen konnte, ihm seinen Schlafplatz gezeigt hatte, verabschiedete ich mich von den Seeleuten und Offizieren, die ich gerade mal noch so sah, dann fuhr ich mit dem Spido, der um diese Zeit voll besetz war, zu den Landungsbrücken nach St. Pauli.  Mit mir fuhren noch vier andere Mannschaftsmitglieder, diese kannten den Weg zur Reederei genau und so brauchte ich mich ihnen nur anzuschließen.

Das Gebäude der Reederei H. M. Gehrckens war nicht allzu weit von den Landungsbrücken entfernt, hier angekommen, legte ich die Papiere, die ich an Bord vom 1. Offizier mitbekommen hatte, vor, und musste etwa zwei Stunden warten, bis ich endlich mein Seefahrtbuch sowie alle Abrech­nungen und auch die Restauszahlung in Händen hatte.

Ich kann jetzt nicht mehr sagen, wie viel Geld ich ausbezahlt bekam, aber es waren schon ein paar Hundert Mark, die Heuer in Verbindung mit den Überstunden summierten sich eben.  Außerdem bekam man damals noch für jeden Sonntag auf See eine Extra-Bezahlung und der Urlaub wurde ja schließlich auch ausgezahlt.

Ich saß jedenfalls noch vor 18:00 Uhr in einem Zug nach Lübeck.  Meine Mutter hatte ich telefonisch vom Hauptbahnhof in Hamburg schon einmal vorgewarnt.  Sie war, wie sie sagte, sehr gespannt, was das Abenteuer Seefahrt mir gebracht hatte.

Von wegen – nie wieder

Als ich nach relativ kurzer Fahrtzeit mit dem Zug in Lübeck eintraf, freute ich mich, ehrlich gesagt, auf zu Hause.  Ich hatte viel zu erzählen und beglückte meine Mutter, die inzwischen geschieden war, mit den ganzen Mitbringseln aus Afrika und einigen Souvenirs aus den von der STECKELHÖRN in Europa angelaufenen Häfen.  Die ersten Tage an Land benutzte ich, um auch bekannten Freunden von meinen „Abenteuern“ zu erzählen, ich vervollständigte das Biertrinken in Kaschemmen am Hafen, was meiner Mutter gar nicht recht war.

So verging Tag für Tag.  Als mein Geld immer weniger wurde und auch meine Mutter merkte, dass etwas passieren müsste, beschloss ich, ihr mitzuteilen, dass ich eigentlich gar nicht mehr auf ein Schiff wollte.  Da hatte ich aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht.  In aller Deutlichkeit wurde mir klargemacht, dass ich nun etwas begonnen hätte und es schließlich nicht so einfach beenden könne.  Alles Jammern, auch über die total uninteressante Tätigkeit auf meinem ersten Schiff, nützte nichts.  Ich schulterte Mitte November wieder meinen Seesack voller frisch gewaschener Wäsche und verließ Lübeck per Zug in Richtung Hamburg, wo ich auf Anraten eines Kollegen, den ich zufällig auf dem Hauptbahnhof in Hamburg traf, in das katholische Seemannsheim „Stella Maris“ ging, wo mir eine Unterkunft in einem Vier-Bett-Zimmer zugewiesen werden konnte.

Schon am nächsten Morgen war ich auf dem nahe gelegenen „Heuerstall“ und versuchte mein Glück.  Allerdings war es mir nicht hold, ich bekam kein Schiff.  Die folgenden Tage flossen so dahin.  Abends saß ich im gegenüberliegenden London-Haus in einer Kneipe, die es wohl heute auch noch gibt.  Hier wurde mein Geldbeutel dann schnell ganz mager.  So war ich froh, dass meine Besuche auf dem Heuerstall endlich am 10.11.1957 Erfolg hatten und ich einen Tag später auf dem Motorschiff „ELISABETH BORNHOFEN“ als Decksjunge einsteigen konnte.

Es war ein Stückgutschiff mit Zwischendecks und noch einem Wellentunnel in den Luken 4 und 5, welcher später noch einmal eine Rolle spielen sollte.  Der 2. Offizier brachte mich persönlich nach achtern und übergab mich dem Bootsmann mit Namen Rudi Schlag, einem Zwei-Meter-Monstrum, aber ausgestattet mit gutem Gemüt.  Mir wurde eine Kammer zugeteilt, in der noch ein Decksjunge schlief.  Ich hatte schon die Befürchtung, wieder als Backschafter wirken zu müssen.  Meine Sorge wurde aber vom Bootsmann zerstreut, denn er meinte, ich solle mal erst meine Sachen auspacken und dann am nächsten Tag morgens um halb acht in der Messe erscheinen.

Dieser erste Abend wurde von mir genutzt, um den anderen Moses, der ja offensichtlich Backschafter spielen musste, nach den Geflogenheiten auszufragen, die an Bord so herrschten.

Er erzählte mir dann allerhand von diesem und jenem.  Mir kam im Vergleich zu meinen Erfahrungen auf der STECKELHÖRN alles sehr bekannt vor.  Seine Erzählungen deckten sich haargenau mit meinen Erlebnissen.  Heute würde ich sagen: Da saßen zwei arme Schweine zusammen, die doch eigentlich keine, aber auch noch gar keine Ahnung hatten!

Der nächste Morgen begann mit dem Frühstück in der Messe.  Hier war fast alles genauso wie auf meinem ersten Schiff.  Mein Kammerkollege zeigte mir einen Platz, der garantiert frei war, und nach und nach kamen alle Besatzungsmitglieder von Deck und ebenso die Reiniger und Schmierer sowie der Storekeeper zum Frühstück.  Bei den Tischgesprächen, die geführt wurden, konnte ich natürlich nicht mithalten.  Ich war schlau genug, meinen Mund zu halten, um nicht irgendwas Unpassendes zu äußern.  Einige der Junggrade interessierten sich für meine letzten Hafenaufenthalte mit meinem ersten Schiff.  Ansonsten hielten sich Begrüßungsakte in Grenzen.

Um 8:00 Uhr ging es dann endlich an Deck.  Ich bemerkte, wie die Hafenarbeiter Stückgut in die verschiedenen Luken verstauten.  Meine erste Aufgabe war es, mit einem Leichtmatrosen zusammen Stauholz von den an Deck gestapelten Holzlukendeckeln zu nehmen und, von einem Stropp umgeben, an der Wasserseite im Gangbord zu stapeln.  Weiterhin musste ich in Luke 1 mit nach unten ins Zwischendeck.  Der Unterraum war voll, jetzt musste angedeckelt werden.  Zum ersten Mal habe ich auf die schwer zu verschiebende Scheerstöcke geschimpft, es sollte nicht das Letzte Mal gewesen sein.  Und alles ohne Arbeitshandschuhe!  Ein Matrose, der meine Hände als gefährdet erkannte, gab mir freundlicherweise ein paar nagelneue Arbeitshandschuhe, ich aber musste erst mal lernen, damit zu arbeiten.  Bei dieser Arbeit des Zwischendeckandeckelns wurde mir auch bewusst, wie unfallträchtig es wohl sein musste, wenn der Unterraum nicht, wie jetzt, bis fast obenhin voll Kisten war, sondern leer.  Schnell begriff ich, dass die Arbeit hier dann ganz schön gefährlich sein konnte.

Der erste Arbeitstag verging sehr schnell: Kein Antreiben, immer mal eine kurze Verschnaufpause zum Rauchen, die offizielle 20-Minuten-Pause um 10 Uhr, pünktlich um 12:00 Uhr Mittag, nachmittags noch mal Kaffeepause und pünktlich Feierabend.

So etwas war ich ja nun wirklich nicht gewohnt.  Dann das Erlebnis in der Messe: Alles wurde mir vorgesetzt, ich brauchte nicht nach Mittschiffs und Essen holen, das war jetzt vorbei, so hoffte ich jedenfalls.  Und dann der Feierabend.  So früh schon nicht mehr arbeiten, waschen, umziehen.  Jetzt war Freizeit, und das schon so früh, unglaublich!  Dass es auch noch anders kommen könnte, dessen war ich mir gar nicht bewusst.

Abends schloss ich dann immer mehr Freundschaft mit dem Moses-Kollegen, der mir auch irgendwie leid tat, aber: Was sein muss, muss eben sein.

Vier weitere Tage vergingen mit Arbeiten an Deck: Luken im Zwischendeck andeckeln. Immer mehr merkte ich die Ähnlichkeiten zum Alltag auf der STECKELHÖRN, der ich wahrlich nicht nachtrauerte.

Jetzt wird es richtig ernst 

An Land bin ich an diesen Tagen nicht einmal gekommen, wie auch, Geld hatte ich kaum noch - und Bier hatte sogar der Moses, auch ein Jungmann, der schon fünf Monate an Bord war, hatte reichlich Hosten-Export unter der Back stehen, ich merkte sehr schnell, dass man sich wegen des Eigentumsrechts nicht so anstellte, mit anderen Worten, Seeleute waren zu der Zeit recht freigiebig, das schloss Bier und Zigaretten ein.

Irgendwann an einem Mittag sind wir dann ausgelaufen.  Ich musste mit auf die Back.  Jetzt nahm ich zum ersten Mal bewusst wahr, was alles erforderlich war, um alle Landverbindungen zu lösen.  Allerdings hatte ich nicht gerade viel zu tun, mir wurde aufgetragen, die Drahtleinen, die mit Spillkopfhilfe eingehievt wurden, gleich auf die handbetriebene Trommel aufzudrehen, reine körperliche Schwerstarbeit, desto mehr Draht auf die Trommel kam.  Weiterhin durfte ich mit Hand anlegen beim Aufschießen der Manila, alles musste schnell gehen.  Als alle Leinen an Bord waren, genoss ich das Ablegen des Schiffes vom Kai.

Elbabwärts ging es nun in Richtung See, Bremen sollte unser nächster Ladehafen sein.  Noch auf der Elbe wurden die Ladebäume heruntergelassen, wieder eine neue Erfahrung für mich.  Ich durfte, bzw. musste beim Fieren des Baumes, dass von einem Matrosen an der Winch verrichtet wurde, die Backbord-Gei einholen und darauf achten, dass der herunterkommende Baum nicht ausschwenkte.  Da gutes Wetter herrschte, wurde nicht groß seeklar gemacht, der Seetörn aus der Elbe heraus und bald darauf wieder in die Weser war ja nicht lang.

Angekommen in Bremen, machten wir im Europahafen fest.  Hier lag alles voller großer Schiffe, einige der Schornsteinmarken waren mir bekannt, diese Reedereifarben hatte ich schon auf meiner Reise mit der STECKELHÖRN gesehen.  Hier in Bremen blieben wir nur zwei Tage, an beiden Tagen musste ich beim normalen Tagewerk immer an der Seite eines Matrosen bleiben und sollte immer nur aufpassen und somit registrieren, was alles zu tun war.  Der Matrose, ein umgänglicher Enddreissiger, war schon seit über einem Jahr auf der "ELISABETH BORNHOFEN", erzählte mir aber wenig von den Häfen, in denen das Schiff vorher schon überall war.

Im Beisein des bulligen kleinwüchsigen Vollgrades musste ich dann auch schon mal selbständig morgens die deutsche Flagge anknoten und hochholen, an Deck aufklaren und so manche für mich völlig neue Arbeitsgänge erledigen, aber alles ging ohne Hast und Eile.

An abendlichen Landgang war nicht zu denken.  Ich war nach Feierabend fix und fertig.  In Anbetracht all der vielen neuen Eindrücke trank ich am Abend zusammen mit meinem Kammerkollegen, der ja gezwungener Weise viel später Feierabend hatte, noch einige Flaschen Bier, und es wurde ein wenig erzählt und sich dann zur Ruhe begeben.

Nach der Beladung in Bremen ging es die Weser abwärts in die Nordsee in Richtung Amsterdam, auch nicht gerade eine lange Reise.  Für diesen Törn waren alle Luken angedeckelt und mit nur einer Persenning abgedeckt und auch verschalkt worden, die Bäume wurden alle heruntergelassen und die Geien festgesetzt.  Bei diesen Arbeiten brauchte ich nur kurz aufzupassen, wie es gemacht wurde, dann konnte ich schon selbst mit anpacken und stand nicht dumm in der Gegend herum, wie man so sagt.  Auch beim Ablegen wusste ich jetzt schon, was alles zu tun war und packte immer sofort mit an.

Schon weit vor dem Einlaufen in den Hafen von Amsterdam wurden die Bäume wieder aufgestellt und die Persenninge von den Luken genommen, die ganze Decksbesatzung, außer dem Rudergänger, war im Einsatz.  Angekommen am Liegeplatz in Amsterdam, wurden die Bäume, die ganz hoch gestellt waren, zur landabgewandten Seite verbracht, damit sie den Kränen, mit denen hier die Ladung an Bord gebracht werden sollte, nicht im Wege waren.

Nachdem die Lukendeckel wieder in Stapeln an Deck lagen und die Scheerstöcke verschoben, waren wir ladebereit und alsbald begannen auch die Verladearbeiten.  Kisten und Kasten, Maschinenteile, deren empfindlichen Teile sorgfältig verpackt waren, einiges Sackgut und auch viele Fässer kamen an Bord und verschwanden in den einzelnen Luken.

Gegen 16.30 Uhr war für mich Feierabend, schnell gewaschen und umgezogen, dann ging ich mit einem Jungmann an Land.  Geld hatte ich nicht einen Cent in der Tasche, aber der Jungmann hatte mir einige Biere auf seine Kosten in Aussicht gestellt.  Wie nicht anders zu erwarten, landeten wir nicht in den kulturell ansprechenden Stadtgegenden, sondern saßen schon kurze Zeit später in einer Kneipe namens "bij Marion".  Mein Begleiter war hier bekannt, seinen Erzählungen zufolge war er hier schon das dritte Mal und hatte sich wohl Chancen ausgerechnet bei der dunkelhaarigen Marion. Wie viele Jungmänner hatte diese wohl schon durch ihr fabelhaftes Aussehen geködert?  Auf jeden Fall schmeckte uns das Heineken-Bier und wir bewunderten beide die vielen Geldscheine aus aller Welt, die von der Wirtin an den Tresenüberbau geklebt worden waren.

Nach noch einigen Besuchen in anderen Lokalitäten, die alle irgendwie ähnlich aussahen und ausschließlich mit Seeleuten bevölkert waren, zuckelten wir etwa gegen 23:00 Uhr wieder zurück an Bord, zu Fuß natürlich, für ein Taxi reichte es damals noch nicht.

Beim Vorbeigehen an der Mannschaftsmesse im Achterschiff sah ich, dass noch einige Matrosen darin saßen und diskutierten.  Auf der Back standen etliche leere Bierflaschen und auch Brotbretter sowie Aufschnittplatten waren zu sehen.  Unwillkürlich musste ich an den Moses denken, ich wusste, dass er jetzt am nächsten Morgen alles aufklaren musste um anschließend zum Frühstück aufzubacken.  Er würde fluchen und über die Verunreiniger schimpfen, - genau wie ich vor noch gar nicht allzu langer Zeit.  Aber Mitleid war jetzt nicht angebracht, es war nun mal so.

Der nächste Morgen begann nach dem Frühstück sogleich mit viel Arbeit.  In verschiedenen Zwischendecks musste Stauholz ausgelegt werden, in einigen Unterräumen war alles bald voll.  Dann musste schnell das Zwischendeck angedeckelt werden, damit zügig weitergeladen werden konnte.

Der zweite Abend hier in Amsterdam wurde von mir nicht zu einem Landgang genutzt, ich hatte mich mit einem Messesteward angefreundet und verbrachte den Abend bei ihm in der Kammer, die mittschiffs lag.  Er versuchte mich aufzuklären über die Eigenarten verschiedener Offiziere und auch über den Koch und die Kochsmaaten, mit denen er beruflich jeden Tag Kontakt hatte.  Ich hörte mir alles ohne Kommentar an, was sollte ich auch sagen.

Letzte Station in Europa - Antwerpen

Unsere letzte Station in Europa sollte für dieses Mal Antwerpen sein, auch wieder nur ein Katzensprung von Amsterdam aus, trotzdem, auch hier wieder ein vorheriges Seeklarmachen, dann ging’s ab nach Belgien.

In der Nacht wurde ich plötzlich geweckt, mit dem Hinweis: „In einer halben Stunde Einlaufen Antwerpen“, und schon bald darauf stand ich auf der Back, voraus die Lichter der Schleuse vor dem Hafen.  Es folgte das Festmachen in der Schleuse, Warten, Losmachen, und nach einer halben Stunde lagen wir mit Schlepperhilfe am Ladeplatz.

Noch in der Nacht wurden die Bäume wieder gestellt und die Luken geöffnet, dann war wieder Ausscheiden bis zum Frühstück, es waren aber noch gerade zwei Stunden bis dahin, also wurde es mit Schlafen nichts mehr.

Hier in Antwerpen kamen viele Händler an Bord, die uns allen etwas verkaufen wollten.  Man konnte praktisch alles kaufen und brauchte sich auch wegen der Bezahlung keine Sorgen zu machen, die Händler, deren Shops immer in der Nähe des Hafens lagen, holten sich schon ihr Geld.

In den nächsten drei Tagen wurden die Laderäume endgültig mit vielen Kisten und auch einigen Sportwagen, die im Zwischendeck festgezurrt wurden, vollgeladen.  Abends bin ich noch zweimal an Land gegangen, die Kneipen hier waren genauso einladend wie eintönig genau wie in Amsterdam, trotzdem lag ja immer der Reiz des Neuen in solchen Exkursionen, es war für mich eben noch alles unentdeckt.

Nach Ladeende wurden die Luken endgültig angedeckelt und drei Lagen Persenninge darüber gezogen.  Schwierigkeiten bereiteten dabei die nach dem Ausrollen sehr steifen Persenninge, die an den Seiten eingeschlagen und nach Einklemmen der Schalklatten mit Keilen festgeschlagen wurden.  Letzteres erledigte der Zimmermann, ein rechthaberischer blonder Weiberheld.

Die Bäume wurden heruntergelassen, auf die Deckstützen gelegt und hier gesichert.  Alle drei Geien von jedem Baumpaar wurden abgeschäkelt und zusammengeholt, mit einem halben Schlag gegen  ein Auseinanderfallen gesichert und dann in die jeweiligen Lukeneinstiege, immer in der Mitte der Deckshäuser ins Zwischendeck heruntergelassen.

Alle diese Arbeiten sollten sich in den kommenden Wochen und Monaten nach fast jedem Hafenaufenthalt immer wiederholen und gehörten zum allgemeinen Matrosenalltag, es war einfach unerlässlich in Hinsicht auf die Sicherheit von Schiff und Besatzung.

Und irgendwann war es dann soweit, alles war bereit, es hieß: "Klar vorn und Achtern", und nach dem Hochdrehen und Beiklappen der Gangway (vorher musste noch das unter der Gangway angebrachte Sicherheitsnetz entfernt werden) wurden die Leinen losgemacht, mit Schlepperhilfe legten wir vom Kai ab, durchschleusten noch einmal, und bald darauf dampften wir in Richtung See.  An Deck wurden noch einige Brooks voll kaputtem Stauholz für ein späteres Überbordwerfen zurechtgelegt, alle Manila-Leinen auf der Back wurden unter Deck verbracht und der normale Seetörn begann.

Die drei Wachen waren längst eingeteilt, ich durfte leider nicht mit Wache gehen, musste als Tagelöhner täglich um 08:00 Uhr an Deck sein, hatte aber dafür auf See um 16.30 Uhr Feierabend, was ich in den nächsten Tagen sichtlich genießen sollte.  

Da es jetzt mittlerweile Dezember war, waren die Temperaturen dementsprechend winterlich.  Mitunter fegte einem ein eiskalter Wind um die Ohren, wenn man den Verrichtungen an Deck nachging.  Das Wetter war auch noch im Englischen Kanal einigermaßen gut, aber in der Biscaya angekommen, bekamen wir ordentlich einen auf die Nase.  Bei diesem schlechten Wetter war Farbewaschen in den Gängen mittschiffs angesagt, eine nicht immer befriedigende Arbeit.  Einige Tage später besserte sich das Wetter aber, und andere Arbeiten standen an.

 

Bald schon konnte man milderes Klima erwarten, das Mittelmeer ließ uns alle hoffen.  Als wir die Meerenge von Gibraltar erreichten, war leider keine gute Sicht.  Es war an einem frühen Morgen, und ich war enttäuscht, kaum etwas zu sehen.  Die Temperaturen waren jetzt merklich angenehmer, und ab und zu fuhren wir auch dicht unter Land.  Oftmals studierte ich eine in meiner Kammer hängende Landkarte.

Die anstehenden Arbeiten tagsüber an Deck führte ich jetzt schon ziemlich selbständig aus.  Viel brauchte man dabei nicht können.  Rost stechen, kurz mit der Drahtbürste drüber und dann ein Schlag Menninge drauf, am nächsten Tag dann die Hauptfarbe aufgetragen: Fertig war der Lack.

Nach Feierabend, wenn ich geduscht hatte, legte ich mich bei immer angenehmeren Temperaturen schon mal auf die Achteraufbauten in eine Hängematte und träumte vor mich hin.  Mensch, was war das Leben schön!

Port Said und der Suez Kanal

Irgendwann kamen wir in Port Said an.  Nachdem wir erst einmal vor Anker mussten, liefen wir in den überfüllten Hafen ein, um hier zu bunkern.  Angeblich sollte hierher auch ein wichtiges Ersatzteil für die Maschine eingeflogen worden sein.  Kaum waren wir an der Pier fest, da „überfielen“ uns auch schon die fliegenden Händler mit Textilien und Souveniren.  Ich erstand damals eine Dreiecksflagge mit silberfarbenem Besatz und dem angedeuteten Fahrwasser des Suez-Kanals, ein Erinnerungsstück, das ich lange Zeit verwahrte, das dann aber doch irgendwann über den Deister gegangen ist, - wie so Vieles.

Einen Tag später kam dann die arabische Kanalbesatzung an Bord, und wir steuerten in den Suez Kanal ein.  Sobald die Silhouette des gerade verlassenen Hafens und der Stadt verschwunden war, war links und rechts nur noch Sand, richtige Wüste, zu sehen, vor uns in sichtbarer Entfernung ein japanisches Schiff, hinter uns, auch immer gut sichtbar, das auch mit uns im Konvoi fahrende Schiff der Hansa-Reederei aus Bremen.  Dieses Schiff hatte ich schon in Port Said gesehen und die gewaltigen Masten mit dem dazwischen liegenden Schwergutbaum bewundert.  Ich weiß noch, dass wir in einer Weiche, einem breiteren Stück des Suez-Kanals, wie auch alle anderen Schiffe des Konvois, eine zeitlang ankern mussten, um den entgegenkommenden Konvoi durchzulassen, habe aber ansonsten keine großen Erinnerungen mehr an die Durchfahrt.

Der Kanallotse mit Begleitung ging am Ende des Kanals wieder von Bord, und die ELISABETH BORNHOFEN war jetzt im Roten Meer, wo reger Schiffsverkehr herrschte.  Außerdem war es glutheiß.  Einer der Leichtmatrosen demonstrierte mit einem vom Koch geklauten rohen Ei, das er auf einem Poller an Deck in der Sonne aufschlug, wie leicht hier die Zubereitung von Spiegeleiern war.

Vorfreude auf Japan

Nach der Durchfahrt durch das Rote Meer kam noch einmal eine Meerenge, Bab el Mandeb, wo man auf beiden Seiten Land sehen konnte.  Danach schipperten wir, wie ich auf meiner Karte sehen konnte, im Golf von Aden, später dann im Indischen Ozean.

An den vielen warmen Abenden, an denen wir oftmals bei kühlen Getränken bis spät in die Nacht an Deck saßen, lauschte nicht nur ich den Erzählungen der älteren Besatzungsmitglieder, die viel über Japan und vor allen Dingen über die guten Einkaufsmöglichkeiten für technische Waren erzählten.  Alle nahmen sich vor, sparsam zu leben, um in Japan möglichst viel Brauchbares erwerben zu können.

Die Tage auf See waren alles andere als spannend.  Ich konnte aber wieder einmal die verschiedensten Charaktere kennen lernen.  Da war Rudi Schlag, der Bootsmann, ein Hüne, hier in den heißen Regionen immer in abgeschnittenen Jeans und mit Schlappen an den Füssen, einem - oder auch oftmals zehn Flaschen - Exportbier nicht abgeneigt, er vertrug sie meistens auch gut - meistens!

Peter, einer der Matrosen, klein, untersetzt, ein Alleskönner in seinem Beruf, machte nie viel Worte, erledigte eher alles selbst, hatte gute Nehmerqualitäten, auch bei vorkommenden körperlichen Auseinandersetzungen an Land, die auch noch kommen sollten.  Zu den ganz Geizigen gehörte Peter, er war immer korrekt, trank stets nur wenig Alkohol, auch wenn es ihn umsonst gab, war Nichtraucher, hilfsbereit, ein guter Zuhörer, er drängte sich nie auf, verschwand bei Landgängen immer dann, wenn es brenzlig wurde, war trotzdem beliebt bei allen Besatzungsmitgliedern, nur mit einem Schmierer hatte er immer Zoff.

Der Zimmermann, den ich ja schon mal angesprochen hatte, war annähernd 100 kg schwer, groß, strohblond mit halblangen Haaren.  Sein Fach beherrschte er, das musste man ihm lassen.  Was er nicht ertragen konnte, war eine Widerrede, in jeglicher Situation, auch gegenüber den Führungskräften an Bord, gab er nicht nach, hatte damit komischerweise fast immer Erfolg, keiner wusste, warum.

Bei der Decksbesatzung habe ich keine weiteren Erinnerung an noch mehr besonders auffällige Matrosen oder Junggrade.  Die Reiniger und Schmierer aus der Maschine, nahmen ja an einer separaten Back in der achtern liegenden Messe ihre Mahlzeiten ein.  Zwischen den Mannschaftsmitgliedern der Decks- und der Maschinencrew bestand auch hier, wie schon auf der STECKELHÖRN, eine nicht erklärliche Dauerfeindschaft, die manchmal schon sehr skurrile Formen annahm.

Die Offiziere waren alle recht umgänglich.  Viel hatte ich vorerst mit ihnen nicht zu tun, da ich ja keine Wache mitging.  Den Kapitän habe ich manchmal tagelang gar nicht gesehen, auch der Chief war oft für mehrere Tage unsichtbar.  Das war ganz anders bei dem fleißigen Elektriker, einem etwa 40jährigen Werftelektriker aus Wedel bei Hamburg, ein durchaus umgänglicher, überhaupt nicht eingebildeter Fachmann, der bedauerlicherweise bei schlechtem Wetter immer mit der Seekrankheit zu kämpfen hatte.  Jetzt, bei der langen Seereise nach Japan, hatte er genug Zeit, sich nach und nach alle E-Winschen vorzunehmen.  Stundenlang saß er oft vor den geöffneten Winden und fummelte an uns unbekannten elektrischen Teilen auf den Deckshäusern herum, bei diesen Temperaturen wahrlich kein Vergnügen.

An Deck fiel auch oftmals der vierte Ingenieur auf.  Manche fragten sich, was er eigentlich für eine Funktion hatte.  Er pflegte bei seinen unendlich ausdauernden Spaziergängen an Deck, entgegen den unabänderlichen Gewohnheiten der Offiziere, Ingenieuren und Assis, die eine Khaki-Hose mit Khaki-Jacke trugen, kurze Boxershorts mit der Uniform-Khaki-Jacke darüber zur Schau zu stellen.  Dabei bediente er sich bei jedem Vorbeikommen an der Kombüse bei Luke vier immer mindestens einmal an dem vom Koch im Schatten bereitgestellten Kaltgetränk mittels eines Blechbechers, der mit einer Kette am Behälter befestigt war.

Dann war da natürlich noch der Koch mit seinem Kochsmaaten.  Der Koch, bestimmt über 120 kg wiegend, mit einer weit über den Hosenbund herunterhängenden Wampe, war verständlicherweise hier bei den hohen Temperaturen immer in Schweiß gebadet.  Dies ermutigte ihn umso mehr, laufend irgendwelche Getränke in sich hineinzuschütten, dabei spielte es keine Rolle, um was es sich handelte, Hauptsache eisgekühlt.  Die fachlichen Qualitäten des Kochs standen in meiner ganzen Fahrenszeit auf der ELISABETH BORNHOFEN nie zur Diskussion, wenngleich auch bei Unterhaltungen unter der Decksbesatzung immer mal wieder das Gerücht die Runde machte, er würde für „die da oben“ öfter mal was Besseres kochen.  Bestätigt hat sich das nie.  Sein Kochsmaat, ein gelernter Bäcker, sorgte immer für frische Brötchen und verstand sich auch bei Landgängen ausgezeichnet mit seinem direkten Vorgesetzten.  Nie hat man einen von ihnen alleine wieder von Land kommen sehen.  Auch an Bord hockten beide in ihrer Freizeit immer zusammen.  Vielleicht lag es daran, dass beide gebürtig aus Neumünster in Schleswig Holstein waren.  Beide waren übrigens ganz heiße Fußballfans.  Als erste nahmen sie am Wochenende immer die vom Funker gelieferten und ausgedruckten Fußballergebnisse in Empfang.

Weihnachten auf See

Inzwischen rückte das Weihnachtsfest immer näher.  Es musste auf See gefeiert werden, Japan war noch weit entfernt.  Irgendwie tauchte an Bord ein mittelgroßer Weihnachtsbaum auf, er verschwand mittschiffs.  Ich hatte damals keine Ahnung, dass wir Heiligabend Gast oben beim „Alten“ im Salon sein würden, wo es auch für alle, die nicht abends in den unabänderlichen Schiffsbetrieb eingebunden waren, genügend zu trinken gab, anfangs noch eine vom Koch vorbereitete Bowle, danach wurde zu härteren Sachen gegriffen, wobei wir Junggrade uns unter den vielen Offiziersaugen leider sehr zurückhalten mussten.  Aber das wurde dann später achtern in der Messe gemeinschaftlich nachgeholt.  Die vorzügliche Ente (oder war es eine Gans?) musste jedenfalls schwimmen.  Dass die auf der ganzen Reise unsichtbare Weihnachtstanne irgendwann umkippte, nahmen alle nur am Rande wahr, die einzigen, denen dies „Friedensfest“ nicht so recht in den Kram passte, waren der Kajütsjunge und der Chief-Steward: Sie mussten anschließend alles wieder herrichten.  Wir feierten ja ganz ungezwungen in der besten Stube des Kapitäns, und deren Reinhaltungspflicht oblag ja diesen beiden, wobei abzusehen war, dass der Käjütsjunge fast alle Reinigungsarbeiten machen musste, der Steward jedenfalls war bekanntermaßen ein ganz fauler Sack.  Außerdem bezichtigten ihn verschiedene Matrosen immer wieder des Betruges bei der Herausgabe und Abrechnung der Kantinenware, die er unter sich hatte.  Da gab es schon mal verloren gegangene „Tickets“ und auch mal überhöhte Preise, mehrere Male wurden dem hoch aufgeschossenen, immer gut gekleideten Steward von den Vollgraden Schläge angeboten, dazu gekommen ist es aber nie.

Abgesehen von immer mal wieder plötzlich einsetzenden Regenperioden war diese ganze Reise sehr zufrieden stellendes Wetter gewesen, auch als unser Schiff nach Durchfahren des Südchinesischen Meeres in den Pazifischen Ozean kam, blieb es standhaft und alle an Bord sprachen jetzt immer öfter von unserem Japanischen Zielhafen Kobe.

Sylvester wurde ohne große Feier auch an Bord verlebt.  Agesehen vom total besoffenen Bootsmann, der morgens nicht zum Frühstück erschienen war und in seiner Kammer in komaähnlichen Zustand aufgefunden wurde, hielten sich alle zurück.

Japan - für jeden eine Geisha

Dann, endlich nach vielen Tagen auf See, trafen wir in Kobe ein, einem schon damals recht aufregenden und randvollen Hafen.  Vor einem schier endlos scheinenden Lagerschuppen, gar nicht weit von der Stadt entfernt, machten wir gegen Mittag an der Pier fest.

Mir fiel sofort die unwahrscheinlich gründliche Sauberkeit der Hafenanlage auf.  Dies sollte auch in der Stadt der Fall sein, wie ich später feststellte.  Vor uns lag ein Frachter der Rickmers-Linie.  Mit einem der Leichtmatrosen von Bord dieses Schiffes sollte ich später ein sehr delikates Erlebnis in einer der zahlreichen Geisha-Schuppen haben, doch davon später mehr.

Nach den nötigen Vorbereitungen für den Löschbetrieb - aus allen Luken sollte die gesamte Ladung hier von Bord gehen -, hatten wir zunächst nur eine Frage im Kopf: Wann geht’s an Land?  Das nötige Kleingeld, in der für mich noch fremden japanischen Währung Yen, wurde gegen Abend ausgezahlt.  Bei der Vorschussbeantragung auf der vor zwei Tagen umhergehenden Vorschussliste hatte ich voll ausgereizt, auch mit dem Hintergedanken, es würde ja auch über einen Monat Seereise zurück geben, und das bedeutete zwangsläufig über einen Monat sparsameres Leben an Bord.  Aber ich hatte mich bei dieser Kalkulation selber angeschissen: Mir wurde nur das momentane Guthaben der letzten Abrechnung zur Auszahlung bewilligt.  Ich sollte damit trotzdem gut über die Runden kommen.

Gegen 20:00 Uhr, ich hatte auf den Moses-Kollegen warten müssen, gingen wir zwei dann an Land.  Wir mussten nicht lange suchen, bald hatten wir die hafennahe „Meile“ gefunden, wo die kühlen Biere warteten, und auch noch mehr.  Dieses „Mehr“ betraf eine nicht abzuschätzende Anzahl von Mädchen, die sich in den unzähligen fremdländischen Bars und Cafes aufhielten und auf in meinen Augen gar nicht aufdringliche Art ihre Freundschaften und anderen Dienste anboten.

Nach dem Besuch mehrerer Häuser dieser Art - der Einkauf von technischem Gerät, welches hier so unglaublich billig sein sollte, war gänzlich vergessen - kamen wir zwei gegen 3:00 Uhr - auf verschiedene Art erleichtert - an Bord zurück, zählten jeder für sich in unserer Kammer sofort die verbliebene Barschaft und stellten fest, dass unsere Yen bei einer gleich bleibenden abendlichen Ausgabe noch für einige Nächte reichen würden.

Am nächsten Morgen wurde mit dem Entladen in allen Luken begonnen.  Die Japaner waren (und sind es ja noch) fleißige, freundliche Leute.  Es wurde unauffällig und schnell gearbeitet, Kiste um Kiste gelangte aus dem Schiffsraum.

Während der Mittagspause hörte ich unglaubliche Geschichten der anderen Mannschaftsmitglieder.  Alles drehte sich nur um das eine Thema: Da wurde von Freundschaft, Liebe, Schönheit, Einmaligkeit der japanischen Frauen gesprochen, kein Wort mehr von Fotoapparaten, Objektiven, kleinen TV-Geräten und sonstigem technischen Gerät, - und jeder schien auch nur diesen einen Teil von Kobe gesehen zu haben, jedenfalls in dieser ersten Nacht.  Ich merkte schon nach wenigen Minuten des Zuhörens, dass meine geplanten Landgänge wohl noch steigerungsfähig sein würden, und ich konnte es kaum erwarten, nach Feierabend wieder an Land gehen zu können, diesmal in einer Gruppe von vier Leuten.  Wie von unsichtbaren Händen geführt, ging es wie zufällig in genau dieselbe Gegend der Stadt, wie auch schon am vorherigen Abend.  Da ich schon nach einigen Kneipenwechseln an dieselbe wunderhübsche Geisha geriet, die mir schon am vorherigen Abend mehr als nur reine Freundschaftsdienste erwiesen hatte, war praktisch „die Suppe gegessen“, wie man so sagt.  In dieser Nacht, wie an allen noch folgenden Abenden wurde mir die Liebe dieses Mädchens zuteil, hier in Japan nichts Ungewöhnliches, wie mir später andere Fahrenskollegen bestätigten.  Ich möchte hier nicht ausführlicher von den gemeinsamen Stunden dieser Beziehung mit dem Mädchen mit den leichten Schlitzaugen erzählen.  Jeder weiß, was Hein Seemann so will und eben dann auch macht, und das mit aller Leidenschaft.  Erwähnen möchte ich aber einmal ganz deutlich, dass ich nie wieder eine derartige Beziehung gegen Bezahlung über so viele Tage in einer so liebesvollen und freundlichen Art erlebt habe.  Jeden Abend, den wir hier in Kobe lagen, kehrte ich, wie auch fast alle anderen erlebnishungrigen Besatzungsmitglieder, immer wieder zur selben Geisha zurück, es war einfach so Sitte, dass das erwählte Mädchen für die Zeit der Liegezeit nur für den Einen zur Verfügung stand.  Und keiner hatte das Gefühl, bewusst ausgenommen zu werden.

Ich möchte hier noch über ein Erlebnis der besonderen Art berichten: An einem der Folgeabende ging ich, wieder liebeshungrig, schon zielstrebig um 17:30 Uhr an Land und traf dabei noch in Sichtweite der ELISABETH BORNHOFEN auf einen Leichtmatrosen des Rickmers-Schiffes, das vor unserem lag.  Er war auch alleine unterwegs und konnte es, genau wie ich, kaum erwarten, wieder bei seiner Geisha zu sein.  Zusammen machten wir uns also auf den Weg.  Ich steuerte zielbewusst auf die mir bekannte Geisha-Strasse zu, erkannte auch sofort mein Ziel, er aber hatte wohl Schwierigkeiten, das von ihm gesuchte Haus mit den Bewohnerinnen wieder zu erkennen, die ihm doch auch die letzten Tage so viel Freude bereitet hatten.  Langes Suchen nach seiner Braut kam mir nicht in den Sinn, und so trennten wir uns.  Ich hatte schnell meine Geisha gefunden.  Sie empfing ihre Gäste in einem spartanisch, aber sauber eingerichteten Zimmer im ersten Stock.  Nun waren diese Art Häuser und sowieso die Etablissements untereinander sehr hellhörig.  Wenn man mal richtig lauschte, konnte man schon erahnen, was der Nachbar gerade mit seiner Gespielin veranstaltete.

Stunden später, ich war mit meiner unglaublich lieben und aufmerksamen Japan-Freundin auf Zeit schon längst bei der Sache und gerade mitten in Aktion, als es im Hause laute Stimmen zu hören gab, die bald darauf schon in heftige Wortgefechte übergingen.  Jeder Unbeteiligte merkte sehr schnell, dass es da einen deftigen Streit gab.  Überrascht musste ich feststellen, dass die mit japanischer Wandmalerei versehenen Wände des Zimmers lediglich aus Papier waren.  Ich merkte es nur zu deutlich, als kurze Zeit später eine männliche nackte Person durch eine der das Nachbarzimmer abgrenzende Wand mehr gelaufen als gestürzt kam und durch unser Zimmer sauste.  Weiter ging’s wieder hinaus durch die gegenüberliegende Papierwand.  Dies alles ging so schnell, dass uns beiden kaum Zeit blieb, uns gegenzeitig verdutzt anzusehen.  Was folgte, war ein schnelles Überstreifen der nötigsten Kleidungsstücke.  Meine Begleiterin wusste Rat, und wir verschwanden ein paar Zimmer weiter.

Wieder einmal wurde es eine lange Nacht an Land.  Wer hört schon auf, wenn es am schönsten ist?  Auch ein unerlässlich erhobener Zeigefinger des Nachtwachmannes an Bord (es war Peter, der „Geizige“) konnte mich nicht von so viel Glück abhalten.  Ich war ja noch nicht einmal 18 Jahre alt und stand gut im Saft.

Am nächsten Tag bekam ich dann in der Mittagspause Besuch vom Leichtmatrosen des Rickmers-Schiffes. Er erzählte mir eine fast unglaubliche Geschichte, in der es um einen Streit ging, den er mit einem anderen Besatzungsmitglied seines Schiffes gehabt hatte.  Eifersucht sei im Spiel gewesen, und von „Durchlaufen“ mehrerer Papierwände war die Rede.  Genüsslich hörte ich mir alles an, unterbrach ihn nicht und brach anschließend in lautes Gelächter aus, ich wusste jetzt, wer der Störenfried gewesen war, der meine Liebesnacht unterbrochen hatte.

Wo blieben all die geplanten Anschaffungen?

Leider gehen ja auch die schönsten Erlebnisse einmal zu Ende, so auch unser der Aufenthalt in Kobe.  Tagtäglich habe ich mit Übereifer meine Arbeiten an Bord verrichtet, mit Begeisterung bin ich jeden Abend an Land gegangen, jedes Mal zu dem selben Mädchen, und das neun Tage lang.  Ähnliches habe ich nie wieder erlebt.  Gesehen habe ich von Kobe nicht allzu viel.  An einem Wochenende bin ich mit meinem Mädchen in einem Zoo gewesen, ansonsten ein wenig durch die Stadt gebummelt.  Für mich persönlich gekauft habe ich nur ein paar Batterien für meinen Plattenspieler an Bord, mehr war es nicht.  Anderen Besatzungsmitgliedern ging es ähnlich.  Alle hatten sich viel vorgenommen, verwirklicht haben es nur sehr wenige.  Ich habe mir später immer wieder gewünscht, noch einmal nach Japan zu kommen, der Wunsch ist leider nie in Erfüllung gegangen.

Wir hatten nach neuntägiger Liegezeit alle Ladung gelöscht und eine Ladung riesiger Kisten für Bombay an Bord genommen.  Mit viel Wehmut verließen wir Kobe.  Noch viele Tage später auf See erzählten wir uns gegenseitig unsere Erlebnisse der Nächte in Kobe.

Rostklopfen und kein Ende

Das Wetter war in den ersten Tagen der Seereise nach Bombay so schön, dass der Bootsmann die Gelegenheit wahrnahm und die vier an Bord befindlichen Rostmaschinen hervorholen ließ.  Keine Stunde später saßen vier Junggrade auf umgestülpten Eimern an Deck und ließen die Fetzen fliegen.  Der Rostflug war so heftig, dass wir vier schon nach kurzer Zeit Putzlappen um unseren Kopf banden.  Nur noch die Augen waren frei, und ein kleiner Schlitz garantierte das Luftholen.  Bei dieser eintönigen Arbeit baldowert man ja bekanntermaßen die sonderbarsten Techniken aus, um eine stetig gebückte Haltung zu vermeiden.  Die Lieblingsstellung war ein aufrechter Sitz, und einer der beiden Füße dirigierte das Endstück an der biegsamen Welle.  Dabei konnte man sogar ab und zu eine qualmen.

Der Bootsmann hatte inzwischen aus dem vorderen Windenhaus die nötigen Anstrichmittel geholt, mittels einer Bohrmaschine mit langem Rühraufsatz zurechtgemixt und schon Rollen und Pinsel bereitgelegt.  Als wir gegen 14:00 Uhr das nervende Geräusch des Rostentfernens abbrachen und alles gründlich säuberten, wurde anschließend die gereinigte Fläche mit Leinöl dünn bedeckt, nach Abtrocknen der Firnisflüssigkeit kam Rostschutz darüber, diese Fläche wurde dann am nächsten Morgen mit der Deckfarbe übermalt.  So ging es Tag für Tag.  Als Vorkante Brücke die Backbordseite fertig war, kam die Steuerbordseite dran.  Erst als das Wetter sich änderte, waren wir erlöst.  Der Regen rettete uns.  Es war jedoch auch nicht mehr viel am Deck des Vorschiffs zu machen.

Schon Stunden vor Erreichen des Hafens von Bombay machten wir schon wieder alles fertig zum Löschen.  Allerdings wurde nach dem Festmachen an einer klapperigen Holzpier in Bombay nicht gleich mit dem Entladen der riesigen Kisten, die in den Unterräumen standen, begonnen.  Wir mussten noch zwei Tage warten, bis ein Schwimmkran kam und die Ladung auf Pontons setzte.

Die Abende wurden genutzt, um an Land zu gehen.  Sehenswertes gab es hier genug.  Ich musste immer die ärmlichen Leute beobachten, die in zerlumpten Kleidungsstücken herumlungerten und uns laufend anbettelten.  Nicht einmal in Afrika hatte ich soviel Elend gesehen.  In der Stadt herrschte rege Betriebsamkeit bis in die späte Nacht hinein.  Wir blieben abends allerdings nicht allzu lange auf abseitigen Wegen.  Von der Schiffsleitung waren wir vor Räubern und Dieben gewarnt worden.

Als die schweren Kisten alle entladen waren, verholten wir zu einer anderen Pier etwas außerhalb des Haupthafens, und es wurden mit eigenem Geschirr zwei riesige Gangways als Aufstieg von Land bis an Deck befördert, eine bei Luke 2, die andere achtern bei Luke 4.  In die Luken wurden riesig lange Rutschen aus Holz verbracht, die vom Lukensüll bis unten in den jeweiligen Raum reichten.  Dies war die Arbeit eines halben Tages.  Als sie beendet war, versammelte sich an Land vor den beiden Gangways eine riesige Menschenmenge: die Ladecrew.  Auf jämmerlichen Karren kam, von Eseln und Ochsen gezogen, unsere Ladung an.  Ich weiß bis heute nicht, was in den etwa 30 bis 40 kg schweren viereckigen, sich weich anfühlenden Paketen war.  Aus defekter Verpackung trat grasähnliches Material heraus.

Die hageren Gestalten nahmen nun jeweils einen Packen vom Karren, schmissen sich das Paket auf die Schulter und trabten die Gangway hinauf aufs Schiff.  Dort gingen sie zu der Rutsche und warfen ihre Last darauf.  Diese rutschte dann mit hoher Geschwindigkeit nach unten, wo sie von hier wartenden Arbeitern gepackt und gleichmäßig verstaut wurden.  Die Arbeiter, die sich nun oben an Deck ihrer Last entledigt hatten, trabten wieder zur Gangway und begaben sich nach unten, um ein neues Ladungsstück vom Karren zu nehmen und wieder aufwärts auf das Schiff zu steigen.  Diese Tätigkeiten von mehreren Hundert Arbeitern beim Vorschiff und gleichzeitig achtern waren einem nicht abnehmenden Ameisenstrom zu vergleichen, der kein Ende hatte.  Gleichmäßig trotteten alle Schritt für Schritt die Gangway hinauf und auch wieder herunter.

Nach etwa einer Woche war die Ladung tatsächlich verstaut.  Die letzten Abende im Hafen waren die meisten von uns schon gar nicht mehr an Land gewesen.  Man hatte es sich in der Kammer gemütlich gemacht, Abwechslung gab es auch hier immer.  Wir machten nun seeklar, und ab ging die Reise - Europa entgegen.

Der Törn auf See brachte leider wieder dasselbe eintönige Rostklopfen mit sich.  Der Bootsmann hatte kein Erbarmen.  Andere Arbeiten wurden immer nur bei schlechtem Wetter gemacht: Bei der nächsten Regenperiode war Aufräumen im Kabelgatt angesagt.  Ich hätte nie gedacht, dass unter der Back soviel Platz war.

Abwechslung brachte dann der Suez-Kanal, wenn auch eine sehr staubige, denn alle, die es noch nicht kannten, machten Bekanntschaft mit einem richtigen Sandsturm.  Als wir am nördlichen Ende des Kanals ins Mittelmeer einliefen, sahen wir ein anderes Schiff der Reederei dort vor Anker liegen, das Malteserkreuz im Schornstein war nicht zu übersehen.

Schönes Wetter bestimmte die Weiterfahrt im Mittelmeer, Rostklopfen war die Hauptbeschäftigung dieser Tage.  Für eine unbeabsichtigte Unterbrechung sorgte ein Leichtmatrose eines Nachmittags.  Wir waren schon Stunden damit beschäftigt, mittels Spitzhammer und Roststecker die für den „Rostklopper“ unzugänglichen Stellen an der Verschanzung zu bearbeiten.  Der Leichtmatrose wollte schon mal die Farbe holen.  Da der Bootsmann wohl nicht beim Windenhaus auf der Backbordseite, wo die Farben gelagert waren, aufzufinden war, machte sich der Leichtmatrose daran, die Farbe schon mal aufzurühren.  Eine schöne dunkelrote Farbe wurde, von der Bohrmaschine angetrieben, mittels des langstieligen Rührgerätes im 25-Liter-Eimer bewegt. Als der Leichtmatrose meinte, es sei nun genug und die Farbe streichfähig, entfernte er den Rührquirl aus dem Eimer, - allerdings ohne die zum Antrieb dienende Bohrmaschine auszuschalten.

Ein lauter Schrei signalisierte uns, dass etwas geschehen sein musste.  Wir eilten auf die Backbordseite - und sahen die Bescherung.  Auf dem schon fertig gestrichenen Deck machten die Spritzer nichts aus, aber das weiße Windenhaus war doch sehr verändert worden: 100.000 kleine rote Spritzer zierten jetzt das sonst strahlende Weiß.

Mit vereinten Kräften und einigen Litern Verdünnung sowie vielen Twistballen entfernten wir die Schweinerei.  Als der Bootsmann erschien, war schon fast alles wieder beseitigt.

Endlich wieder in Europa

Nach Bordeaux waren es einige Stunden Revierfahrt, und der Storekeeper klärte mich über aus dem Wasser ragende Schiffswracks auf.  Es waren Überreste von Schiffen, die kurz vor Ende des Krieges hier versenkt worden waren.  Ich hatte sie schon einmal gesehen.  Irgendwann kamen wir dann endlich in Bordeaux an.  Hier wurde unsere Ladung von den Stauern in Netzbrooks verbracht und innerhalb von drei Tagen gelöscht.  Allerdings weiß ich bis heute nicht, was wir da gelöscht haben.

Hier in Bordeaux fühlte man sich schon wieder viel wohler: Der Flair der heimeligen Kneipen war doch ganz anders als in Übersee.  Auch wenn keiner von uns französisch sprach, man verständigte sich schon.

Ich hatte hier in Frankreich das zweifelhafte Vergnügen, das erste Mal Pernod zu trinken.  Es sollte der einzige Abend sein, an dem ich dieses Gesöff, von dem ich noch am nächsten Morgen einen unheimlichen Nachdurst hatte, zu mir nahm, - bis heute.

Nach dem Löschen wurden von uns die Laderäume grob gereinigt.  Anschließend wurde wieder Stückgut geladen.  Das Ziel der Reise war nicht bekannt, der Zimmermann sprach aber in der Messe davon, auf einigen der Kisten den Aufdruck La Guaira gesehen zu haben.  Nur ein Tag wurde hier in Bordeaux geladen, dann musste schon wieder seeklar gemacht werden.  Ich verfluchte zum x-ten Male das Verschieben der Scheerstöcke und das Andeckeln, aber es half nichts, die Luken mussten gut verschlossen werden, die Bäume wurden heruntergelassen und gesichert, die Biscaya wartete auf uns, und zwar wurde es richtig heftig.  Mit kaum Ladung im Schiffsbauch war es ein nicht wünschenswertes Vergnügen, den hohen Wellen trotzen zu müssen.  Ich fühlte mich dennoch topfit und war stolz darauf, nicht seekrank zu werden.  Im Ärmelkanal angekommen, sah die Welt schon wieder besser aus.  Die See glättete sich innerhalb von Stunden.  Abends liefen wir in Le Havre ein, wo wir weitere Ladung aufnehmen sollten.

Hier sickerte dann auch endlich durch, wohin die Reise gehen sollte, wir sollten erst noch in einem anderen französischen Hafen Ladung entgegennehmen und dann nach Südamerika schippern.  Darauf freuten wir uns alle.  Weiterhin füllten sich unsere Laderäume mit Stückgut aller Art.  Nachdem die Unterräume voll waren, mussten die Zwischendecks angedeckelt werden, eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.  Nur ein paar Tage später hieß es wieder Auslaufen.  Dünkirchen sollte unser letzter Hafen in Europa werden vor dem langen Seetörn gen Süden.

Viele von der Besatzung nahmen hier in Dünkirchen die Chance wahr, sich noch einmal richtig „einen rein zu ziehen“.  Bei zwei Matrosen war es so extrem, dass sie von der Gendarmerie in einem alten Polizeifahrzeug mit platter Schnauze an Bord gebracht wurden.  Da sich die Wiederbringaktion am Vormittag abspielte, standen die übrigen Besatzungsmitglieder meist alle an Deck und beäugten die Ankömmlinge.  Es war eben ein kleines Schauspiel.  Eine unvergessliche Abwechselung am vorletzten Abend war eine Einladung des Schiffshändlers für acht Besatzungsmitglieder zum Essen in einem typisch französischen Restaurant mitten in der Stadt.  Der Betrieb des Schiffshändlers feierte 50jähriges Jubiläum, und unser Schiff war wohl gleichzeitig sein soundsovielter Kunde, was auch immer.  Es wurde ein sehr schöner Abend, und ich freute mich sehr, dass ich dabei sein durfte.  Alles war an diesem Abend außergewöhnlich, wir lernten erstmals richtig die französische Esskultur kennen.  Es schmeckte alles wunderbar, und am meisten beeindruckt war ich von der totalen Gelassenheit beim Essen der vielen Gänge.  Da wurde nicht einfach schnell reingeschaufelt, nein man genoss - immer schön langsam.  Geredet wurde beim Essen genauso wie an Bord in der Messe, da gab es keinen Unterschied. Diesen Abend habe ich lange nicht vergessen können, so exzellent gespeist habe ich wohl nie wieder.

Am nächsten Morgen hatte der Alltag uns wieder.  Als endlich alle Ladung an Bord war, hieß es seeklar machen, aber aufgrund der längeren Reise sehr gründlich.  Mittlerweile war ich fest integriert in den Arbeitsablauf an Bord, auch beim Festmachen und Ablegen hatte ich meine festen Aufgaben und wurde akzeptiert.

Reise in den Süden

Es war ein noch ziemlich kalter Märztag, als wir endlich in Dünkirchen ablegten und den Hafen verließen.  Mit einem Leichtmatrosen und einem Matrosen zusammen räumte ich alles Notwendige unter Deck.  Alles was lose war, konnte auf der Überreise nach Südamerika nicht einfach auf der Back bleiben.  Ich hatte mich schon damit abgefunden, weiterhin als Tagelöhner Dienst machen zu müssen, als sich, Dünkirchen war noch in der Ferne zu sehen, eine erfreuliche Überraschung anbahnte.  Ich musste zum 1. Offizier kommen, der mir eröffnete, dass ich ab jetzt Wache gehen dürfe: Ich wurde ab sofort zur 12-4-Wache eingeteilt.  Da es jetzt fast 19 Uhr war, hieß das, ich musste schleunigst noch ein paar Stunden schlafen, denn um 24 Uhr würde ich auf der Brücke sein müssen.

Endlich, um 00:00 Uhr trat ich meine erste Wache an, wenngleich auch der Matrose, mit dem ich zusammen die Wache hatte, den ersten Törn am Ruder machte.  Ich sah mir alles auf der Brücke an und wurde vom 3. Offizier über alles aufgeklärt, was ich wissen musste.  Die Praxis begann dann um 01:00 Uhr, als ich den Matrosen am Ruder ablöste.  Welch ein Gefühl!  Ich spüre es noch heute!  Alles war jetzt in meiner Hand, auf meine kleinste Bewegung reagierte dieses große Schiff.  Unglaublich!  Und schnell hatte ich ein Auge für die vielen Lichter, die ich in der Ferne sah, ich unterschied bald zwischen Landbefeuerungen und Positionslichtern anderer Schiffe, und von denen gab es hier in der Strasse von Dover und später im Ärmelkanal eine ganze Menge.  Ich war total glücklich!  Vergessen waren die Holzlukendeckel und die schwer zu verschiebenden Scheerstöcke, am liebsten würde ich hier stehen bleiben, bis zum Ende der Wache, aber pünktlich um 02:00 Uhr löste mich der Matrose wieder ab, dafür durfte ich dann noch einmal von 03:00 Uhr bis 04:00 Uhr ran.

Danach ging es gleich in die Koje.  Um halb acht gab es Frühstück.  Wer von der 12-4-Wache jetzt Überstunden machen wollte, konnte bis zum Mittag zutörnen, das heißt, er konnte an Deck arbeiten.  Aufgrund des schlechter werdenden Wetters kam es aber heute nicht in Frage.

In der Biscaya war diesmal schon wieder Schlechtwetter angesagt.  Das volle Schiff rollte und stampfte, so hatte ich die ELISABETH BORNHOFEN noch nicht erlebt.  Nach ein paar Tagen legte sich der Sturm, und das Wetter besserte sich allgemein.

Der Rückfall - alles vorbei?

Einer der nächsten Tage brachte eine unliebsame Überraschung.  Der Decksjunge, der die Backschaft machen musste, hatte sich an beiden Händen verletzt und würde wohl ein paar Tage seine Hände nicht gebrauchen können, da sie im Verband waren.  Wer musste also ran? - Ich natürlich.  Zu meiner Überraschung verziehen mir die Decksbesatzung und sogar die Reiniger und Schmierer sowie der Storekeeper, die auch mit in unserer Messe achtern saßen, einige kleine Patzer, und so brachte ich die anstehenden paar Tage, es waren genau sechs, einigermaßen über die Runden.  Dann hatte ich wieder Dienst auf „meiner“ 12-4-Wache.

Bei zügiger Fahrt und immer höheren Temperaturen wurden jetzt auch immer die Uhren gestellt, wir gerieten ja irgendwann in andere Zeitzonen, und durch tägliche Umstellung war der Zeitsprung bei einmaligem Verstellen der Zeit nicht so groß.  Jetzt konnte man auch jeden Tag zutörnen.  Arbeit war genug da, nicht nur Rostmaschine fahren.  Gemalt wurde eigentlich immer, aber auch das Gangbarmachen von verstellbaren Windhutzen (in den Wind verdrehbare Lüfter) gehörte zu den Arbeiten an Bord.  Wenn man Glück hatte, durfte man auch schon mal beim Flicken der Windenabdeckungen mit ran.  Da gab es immer Löcher und Risse, die der Elektriker wegen eindringendem Wasser auf die E-Winden beim Bootsmann bemängelte.  Allerdings war das meist Arbeit für die Matrosen, die sich dabei einen schönen Lenz machten.

Wir Junggrade durften da schon eher mal alle Stellagen an den Stellen neu mit Putzlappen versehen, die bei Benutzung an die Bordwand bzw. an die weiße Farbe der Aufbauten stoßen würde.

So langsam wurde es auch richtig warm.  Man konnte schon mit freiem Oberkörper an Deck arbeiten, hatte aber schnell einen Sonnenbrand.  Irgendwann, nach abwechslungsreichen Tagen auf See - Schönwetter und Schlechtwetter lösten sich immer mal ab - , erreichten wir die ersten Inselgruppen der Karibik, nicht wissend, dass wir auf einigen der Inseln noch viele Stippvisiten absolvieren sollten.  An einem wunderschönen Abend erreichten wir dann das Festland von Südamerika.  Wir liefen in den Hafen von La Guaira ein, fuhren aber gar nicht weit in den Hafen hinein, sondern machten unmittelbar hinter einer Mole an einer hölzernen Pier fest.  Endlich trat Ruhe ein, die Maschinen verstummten.

Nachdem die erforderlichen Arbeiten erledigt waren, genehmigten wir uns erst mal einen gemütlichen Umtrunk, nach so einer langen Reise hatte man das doch wohl verdient.  Am nächsten Morgen wurde sofort verholt, und das Schiff wurde löschklar gemacht: Bäume hoch, Luken auf, usw.  Gegen Mittag begannen dann die Löscharbeiten.  

Der Zimmermann hatte in Bordeaux also doch wohl nicht richtig geschaut.  Er hatte am Anfang der Beladung in Umlauf gebracht, wir würden nach La Guaira fahren.  Jetzt waren wir zwar hier, aber wir löschten Ladung, die als oberstes in der Luke gestaut war, also konnte er keine für La Guaira deklarierten Kisten in Europa gesehen haben, denn bei Beginn der Beladung war die Ladung natürlich zuunterst und konnte kaum im ersten Hafen gelöscht werden, es sei denn, der ganze Raum wurde leer gemacht.  Dem war hier aber nicht so, war ja auch egal, Hauptsache, wir waren in Südamerika. 

Abends ging es an Land.  Die erfahrenen Leute unter den Offizieren warnten uns vor den Einheimischen.  Aber wir wollten ja nicht hören.  Als Preis für einige Kaltgetränke mit Schuss vermisste folglich ein Matrose seine Uhr und ein Mann aus der Maschine seine schöne Sonnenbrille.  Das sei nur am Rande vermerkt.  Wir wollten ja schlauer sein!

Der übernächste Tag war ein Sonntag, und es wurde nicht gearbeitet.  Mit 4 Mann beschlossen wir, von La Guaira aus mit der Seilbahn über einen Berg nach Caracas zu fahren, was wir auch in die Tat umsetzten.  Es wurde ein wunderschönes Erlebnis, Caracas entpuppte sich, obwohl wir ja lange nicht alles sahen, als eine wunderschöne, moderne Stadt.  Von hier schickten wir auch alle Postkartengrüße in die Heimat.

Ein Erlebnis noch am Rande: Als wir auf einem breiten Fußweg so dahinschlenderten, ging vor uns eine hochbeinige schwarzhaarige Schönheit auf ihren Stöckelschuhen.  Kurzer Rock, schöne Beine.  Sagt doch der Messesteward: „Der möchte’ ich jetzt mal so richtig von hinten unter den Rock packen.“  Dreht sich die Schönheit um und antwortet in lupenreinem Deutsch: „Das würd’ ich lieber lassen, ich würd’ Dir nämlich meine Handtasche links und rechts um die Ohren hauen.“

Alles in allem war es ein wunderschöner Tag, den wir alle lange nicht vergessen haben.

Nachdem die Ladung für La Guaira gelöscht war, dampften wir weiter in die Bucht von Maracaibo.  Hier hatten wir an einem Tag drei Stellen, wo geankert wurde, ein Boot mit einem Ponton kam längsseits und ein paar Kisten wurden mit eigenem Geschirr hinübergesetzt, anschließend ging es an Venezuelas Küste entlang nach Trinidad.  Aber auch hier war es nur ein kurzes Gastspiel, obwohl das Ankern in Sichtweite von Port of Spain nur Gutes hoffen ließ, zumal hier noch etwa zehn andere Schiffe ankerten.  Aber auch hier wurden nur ein paar Kisten auf einen Ponton gesetzt, und ab ging es, hinein in die Mündung des Orinoco, links und rechts der Urwald fast zum Greifen nahe.  Mitunter winkten uns Einheimische von Land.  Wir warfen dann Zigarettenpackungen, die ja wasserdicht verpackt waren, in den Fluss.  Daraufhin sprangen die Einheimischen sofort in den schmutzigen Fluss und fischten die Packungen heraus.

Irgendwann kamen wir an unserem Zielort an: Eine Betonpier, ganz neu mitten im Urwald erbaut, daneben, in etwa 200 Metern Entfernung, einige große Holzbaracken.  Keine Kräne, keine Schienen, nichts.  Zum Glück waren Poller vorhanden.

Drei einsame Leute erwarteten uns und nahmen die Leinen entgegen.  Nachdem wir vorher noch gedreht hatten, waren wir nach etwa zwei Stunden endlich fest.  Wir stellten die Bäume und warten.

Am nächsten Morgen kamen etwa 20 Leute aus den Baracken, die Löschgang, zögernd begannen sie, die Winden zu bedienen.  Der Elektriker schlug die Hände über dem Kopf zusammen.  Schließlich wurden die Leute von unseren erfahrenen Matrosen abgelöst.

Hier, an diesem Löschplatz mit Namen Matanza, sollte ein Eisenschwammwerk gebaut werden.  Wir waren die Ersten, die Material dafür anlieferten, Stahlträger und viele Kisten.

Nur mal eben an Land

Am ersten Abend nach den erfolgreichen Löschvorgängen bildete sich vor dem Schiff eine Gruppe von vier Leuten, die mal eben zu den Baracken laufen wollten und „mal eben seh’n wollten“, was es da so gab.  Es waren neben mir der Elektriker, der Matrose Peter, der 4. Ing. und der Zimmermann.  Wir schlenderten gemächlich zu den nahe gelegenen Baracken, in denen etwa 40 Leute hausten, die jetzt, in den frühen Abendstunden, fast alle draußen im Schatten der Baracken vor sich hin dösten.

Schnell kamen wir mit ihnen ins Gespräch, verteilten bereitwillig Zigaretten und erfuhren so ganz beiläufig, dass in Porto Ordaz, einer Stadt „ganz dicht bei“, allerhand los sei, Frauen und so.  Man wolle uns gern ein Taxi dorthin organisieren.

Gesagt getan, wir gingen noch mal zurück an Bord, jeder steckte sich die erforderlichen Dollars ein.  Zu uns gesellte sich noch ein weiterer Matrose, - und ab ging es mit dem Taxi nach Porto Ordaz, etwa 100 km entfernt.  Hier steuerte der Fahrer zielbewusst eine Bretterbudenstadt an, laute Musik erfüllte die Luft, und an etwa 15 Tischen, die fast alle besetzt waren, vergnügten sich die Leute.  Wir gesellten uns dazu und wurden schnell mit Fragen durchlöchert, woher, wohin usw.  Frauen waren natürlich auch da, - und willig.  Es dauerte nur etwa zehn Minuten, da war der Matrose Peter schon mit einer in einem zwanzig Meter entfernten Schuppen verschwunden.

Unser 4. Ing. drehte jetzt mächtig auf, er gebärdete sich so, wie wir ihn noch nie gesehen hatten.  Nach kurzer Zeit schien er handelseinig mit seiner Partnerin, beide machten sich auf den Weg zu einer weiteren hölzernen Absteige, die wohl nur einen Zweck erfüllte.  Dieser Kerl, an Bord die Unschuld vom Lande, ging jeden Tag in seinen Boxershorts an Deck spazieren, und hier...  Unser 4. Ing war mal gerade in der Holzbude verschwunden, als uns ein anderes Mädchen etwas erklärte, was wir nicht gleich verstanden.  Der Matrose übersetzte: Ob wir dem Liebesspiel des gerade verschwundenen Mannes zusehen wollten, es koste nur 5 Dollar.  Da der betroffene Ing. es später mal bei einer Sauferei an Bord erfahren hat und außerdem nicht mehr unter den Lebenden weilt, kann ich es hier ruhig niederschreiben: Wir haben alle drei das Angebot für je 5 Dollar angenommen und hatten später viel zu lachen.  Die Sache war einfach: An der Rückseite der Holzbude waren schöne breite Schlitze, durch die man unbehelligt in das Innere sehen konnte, die Rückwand war bewusst so gewählt, dass man auch von den übrigen Gästen nicht gesehen werden konnte.  War ja eigentlich ganz schön fies!  Wir drei zeitweiligen Zuschauer wurden später genauso von den jungen Frauen angetörnt, so dass wir auch, jeder für sich, in einer der Holzbuden verschwanden, beobachtet worden sind wir mit Sicherheit dabei nicht.

Wir genossen diesen schönen Abend sehr lange, und keiner merkte, wie die Zeit verrann.  Als irgendjemand auf die Idee kam, nach der Uhr zu schauen, war es schon 6 Uhr in der Früh und wir 100 km entfernt vom Schiff.  Wir verlangten nach einem Taxi.  Als endlich ein Taxifahrer aufgetrieben war, forderte dieser erst mal Geld, und zwar Geld, was wir nicht mehr hatten, obwohl jeder seine Reste der Nacht auf den Tisch legte.  Was tun?

Nach langer Diskussion erklärte sich der Taxifahrer bereit, auch ohne Vorauszahlung loszufahren.  Als wir vor dem Schiff ankamen, waren die Löscharbeiten längst im Gange.  Ein derbes Donnerwetter erwartete die beiden Matrosen, sie waren schließlich verantwortlich für mich, ich war ja noch Junggrad.  Der 4. Ing hatte es am besten, ihm passierte gar nichts.  Dafür ließen ihn alle vorlaufen, als es um die Bezahlung des Taxis ging.  Wenn der zu diesem Zeitpunkt gewusst hätte, dass ... !

Mit schwerem Kopf musste ich diesen Tag durchstehen, war dafür aber um eine Erfahrung reicher: Nie zu weit vom Schiff entfernen, wenn man kein Geld für die Rückfahrt hat!

Abklappern weiterer Häfen

Nachdem alle Teile für diesen Hafen, der eigentlich noch gar kein Hafen war, gelöscht waren, ging es wieder der Mündung des Orinoco entgegen.  Anschließend nahmen wir Kurs auf Martinique.  Auch hier kein Einlaufen in einen Hafen, nur ankern, ein paar Kisten auf einen Ponton setzen, und schon ging es weiter.

Der nächste Löschpunkt war Guadelupe: Wieder ankern, an einer Luke Bäume stellen und wieder nur ein paar Kisten auf den Ponton setzen, der von einem kleinen Schlepper gebracht wurde.

Einzige Besonderheit bei der geplanten Weiterfahrt war, dass ich in den Kettenkasten geschickt wurde.  Mit einem hier befindlichen Haken musste ich verhindern, dass die abwärts kommende Ankerkette sich oben vor dem Loch staute und dann sozusagen auf der Back liegen bleiben würde.  Es war kein Spezialistenjob, aber ich musste aufpassen.  Und keiner sagte, wann Schluss war.  Ich saß immer noch da und wartete, als der Anker schon längst oben war und wir schon wieder Fahrt machten.  Aber nur so lernt man ja.

Nächster Anlaufpunkt war San Juan auf Puerto Rico, endlich mal ein Liegeplatz an einem Kai.  Einlaufen war abends gegen 22:00 Uhr.  Von der Back aus ein herrlicher Blick auf die erleuchteten Hafenanlagen und die dahinter liegende Stadt.  Nachdem wir festgemacht hatten, gingen ein paar von uns noch an Land, schwärmend kamen sie wieder.

Am nächsten Morgen löschklar machen, und los ging es.  Kiste nach Kiste ging an Land und wurde hier sofort auf einen alten LkW gestellt.

Am Mittag machte ein Gerücht die Runde: Der Zimmermann behauptete, wir würden gegen eine Fußballmannschaft aus der Stadt spielen können, es wäre eine Information des Maklers.  Nachdem sich das Gerücht bestätigte hatte, kramte der Koch, der schon lange an Bord war, aus einem Spind in den Gängen des Achteraufbaus zehn rote Trikots hervor sowie zehn ehemals weiße Turnhosen.  Er erzählte, dass schon vor zwei Jahren mal ein Fußballspiel stattgefunden hätte, daher würden diese Sachen stammen.  Und so kam es, dass wir, nichts ahnend von den Vorbereitungen des Schiffsmaklers, am zweiten Abend unseres Aufenthaltes ein Fußballspiel gegen eine Mannschaft dieser Stadt ausführen konnten.  Etwa gegen 18:00 Uhr zogen zehn unserer Männer die vorhandene Sportkleidung an, sie waren vorher noch schnell gewaschen worden, der elfte Mann war der Torwart, der brauchte nicht unbedingt unsere farbige Tracht.  Turnschuhe hatte fast jeder, und so verließen wir fröhlich gelaunt das Schiff.  Schon beim Umziehen filmte uns der Koch mit seiner Schmalfilmkamera, anschließend war er immer in der Nähe und fabrizierte weitere Aufnahmen.  Mit einem Bus ging es fast mitten in die Stadt, wo uns eine johlende Menschenmenge auf einem erbärmlichen Schotterplatz empfing.

Der Makler hatte sogar für ein kleines Protokoll gesorgt, bei dem vor dem Spiel sogar unsere Reedereitischflagge gegen einen Wimpel des Gegners getauscht wurde.  Apropos Gegner: elf stählerne schwarzbraune junge Männer, nur mit einer schwarzen kurzen Hose bekleidet, warteten auf uns, an den Füssen nichts, aber auch gar nichts.

Der Platz hatte beileibe nicht die erforderlichen Abmessungen, Linien waren nicht vorhanden, die Torstangen waren sicher mal Flaggenmasten, aber das alles spielte keine Rolle.  Ein Schiedsrichter mit einer Trillerpfeife war anwesend, und Beifall zollende Zuschauer waren auch da, also, - los ging es.

Ich kann nicht mehr sagen, wer von unserer Besatzung alles mit von der Partie war, zu berichten ist eigentlich nur, dass der Unterhaltungsfaktor für die Zuschauer, und dazu gehörten auch alle nicht spielenden Besatzungsmitglieder, gewaltig war.  Wir wehrten uns, so gut es ging, hatten sogar zwei Torchancen, gingen aber jämmerlich mit - ich glaube mit 17 Toren - Unterschied ein, es war eben nicht unser Tag, und die Pausengetränke waren auch kein Wasser.  Auf jeden Fall haben sich alle prächtig amüsiert, der Koch hatte angeblich alles gefilmt, und anschließend verbrachten wir noch Stunden in einem nahe gelegenen Cuba-Libre-Schuppen.  Manch einer hatte eine schwarzhaarige Bewunderin auf seinem Schoss.

Am nächsten Morgen hatte uns die Wirklichkeit wieder: Noch bis Mittag Kisten löschen, dann ging es schon wieder weiter in Richtung Dominikanische Republik, hier der berüchtigte Ankerstopp, ein paar Kisten entladen und weiter, diesmal bis Kuba, Nordseite, der Ort hieß komischerweise Matanzas, mehr Dorf als Stadt, trotzdem hatten wir Gelegenheit zum Landgang.

Im Ort gab es zwei Kinos, in beiden liefen heiße Filme, so heiß, dass einige das Angebot der Weiblichkeiten annahmen, die unmittelbar nach Ende des Filmes leichtgeschürzt draußen vor dem Kino auf uns warteten.  Und wer kann schon das Angebot ablehnen, eine junge Frau bei einem kurzen Spaziergang nach Hause zu begleiten?

Leider war Kuba auch nur eine Stippvisite.  Schon am nächsten Abend ging es wieder weiter, diesmal in Richtung Christobal / Colon, Eingang zum Panama Kanal.

Hier, unmittelbar vor der Kanaleinfahrt, wo viele Schiffe auf einen Zugang zum Kanal warten müssen, bis sie dran sind, machten wir an der Pier fest, um zu bunkern.  Zusätzlich löschten wir hier zwei große Kisten, deren Aufschrift einen Deutschen Restaurantbesitzer als Empfänger auswies.

Da wir erst am nächsten Morgen zur Durchfahrt angemeldet waren, strömten wir sofort nach dem Abendessen in Gruppen an Land.  Die für Seeleute paradiesischen Zustände, von denen ich schon oft von anderen gehört hatte, bewahrheiteten sich schon, nachdem man nur etwa 100  Meter vom Schiff entfernt war, allerdings lief hier nichts ohne einige Dollars, und die wurden immer knapper.  In den frühen Morgenstunden, als die letzten Mannschaftsmitglieder eintrudelten, soll angeblich sogar davon die Rede gewesen sein, beim Ablegen absichtlich eine Manila in die Schraube kommen zu lassen, um einen längeren Aufenthalt somit zu erzwingen.  Ausgeführt wurde das Attentat nicht, und das war auch sicherlich gut so.

Richtung Pazifik

Der Panama-Kanal bedeutete für mich eine ganz besondere Erfahrung.  Alleine schon die großen Schleusenkammern und die an beiden Seiten fahrenden Loks, die das Schiff an Leinen immer in der Mitte der Schleuse hielten und selbst eine große Steigung absolvieren mussten, waren sehenswert und einmalig.  Die Leinenführung und Übergabe wurden von Kanalbesatzungen durchgeführt, so dass man ausreichend Zeit hatte, alles zu beobachten.  Zwischen den Schleusenkammern auf der Atlantik-Seite und der Pazifik-Seite fuhr man mitunter direkt zwischen den Bergen hindurch.  Irgendwo in der Mitte des Kanals war auf der Backbord-Seite eine Tafel zur Erinnerung an den mühsamen Bau am Felsen angebracht.  Nach etwa der Hälfte der Strecke konnte man eine deutliche Klimaveränderung feststellen, es wurde immer wärmer.

Mit Verlassen des Kanals begann eine kurze Seereise in Richtung Equador, hier in dem Schwellhafen Guyakiel löschten wir wieder nur sehr wenig Ladung. Kurze Zeit später waren wir schon wieder auf See.  Es ging in Richtung USA.  Wir sollten in San Franzisco einige Kisten löschen, anschließend etwas Ladung übernehmen und dann weiter die Küste entlang nach Vancouver fahren, so hieß die Gerüchteorder.

Allerschönstes Wetter begleitete uns die folgenden Tage.  Das Arbeiten an Deck machte richtig Spaß, der Bootsmann hatte sich zur Abwechselung mal etwas Neues einfallen lassen: Die Runner von den Winchen wurden abgelassen und auf der Luke aufgeschossen.  Anschließend mussten die Junggrade, also auch ich, mit Twistlappen, der in einen Eimer mit schmutzigem Öl getaucht wurde, den wieder auf die Windentrommel auflaufenden Runner einölen.  Eine tolle Arbeit bei der Temperatur, und durch die Kleckerei war die Jeans, die ja zu der Zeit jeder an Deck trug, vollkommen hin, das Öl ging später auch nicht mit Castrich Soda heraus.  Als die jeweiligen Runner gelabsalbt waren, kamen noch die wesentlich kürzeren Faulenzer, die zum Toppen der Bäume auf einer anderen Trommel waren, dran.  Wie später bei der Mittagspause zu hören war, sollten bei zwei Luken die Runner total ausgetauscht werden, da sie voller Fleischkhaken waren und somit nicht mehr die vorgeschriebene Tragfähigkeit besaßen.

Jeder Arbeitstag ging einmal zu Ende, und jede nicht so berauschende Arbeit dauert nicht ewig.  Nach ein paar Tagen durfte ich wieder mit auf Wache, leider wieder die 12-4-Wache, man nannte sie auch Hundewache.

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