Band 41 - Klaus Perschke

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Band 41 - Band 41

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Band 41 als ebook - ISBN 978-3-7380-2293-3

Vor dem Mast – ein Nautiker erzählt vom Beginn seiner Seefahrt 1951-56

  Seefahrt um 1960  -  Leseproben 41 

Seefahrt um 1960 - maritime_gelbe_Buchreihe  -  Maritimbuch   -

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Band 41 

in der Buchreihe "Zeitzeugen des Alltags"

Klaus Perschke

Vor dem Mast

 

Band 41 Leseproben 41

in der maritimen gelben Buchreihe von Jürgen Ruszkowski

Der ehemalige Nautiker Klaus Perschke erzählt von seinen Reisen

 Nachfolgetext in Band 42

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noch beim Herausgeber für 13,90 € zu beziehen


Eine Leseprobe:

Während die Jan Maaten in der Vermessungsluke eine Lage Briketts nach der anderen aufstapelten, musste der Steuermann oben auf der Brücke sowohl das Kümo steuern als auch noch den Standort der Achilles bestimmen.  Auf Dauer war das nervig, denn der Alte hatte sich ein paar Stunden in sein Kabuff zurückgezogen.  Wie konnte man diesen nervigen Job erleichtern?  Man krallt sich den Moses und stellt ihn vorübergehend an das Steuerrad!  Doch am Vormittag konnte man das nur zwischendurch für kurze Zeit machen, da der Moses ja auch noch das Mittagessen kochen musste.  Also lief es dann so ab: „Mooses, komm gliigs up de Brüch und bring n’ Muck Kaffä mit no bobn.“  Die Kaffeezeit war immer von 10:00 bis 10:30 Uhr.  Und da ich für die Werktätigen der Christlichen Seefahrt den Kaffee schon gekocht und in der Kombüse auf dem Kombüsentisch Brot, Butter, Wurst und Käse angerichtet hatte, konnte ich mit einem Tablett mit einer Muck Kaffee, Milchkännchen und Zuckerdose auf die Brücke entfleuchen.  Dort angekommen, stellte ich das Tablett auf dem Klapptisch ab und wollte sofort wieder umkehren.  Doch der alte Bohning ließ mich nicht laufen.  Stattdessen stellte er mich ans Ruder, und ich musste steuern lernen.  Er unterwies mich nun in der Kunst des Steuern, weil er mich dringend brauchte.

Zuerst erklärte mir der Steuermann den Magnetsteuerkompass: Die Kompassrose bildet einen Kreis und ist in 360 Bogengrad unterteilt, beziehungsweise auch in 32 Striche. Ein Strich hat 11,25 Bogengrad.  Dann wies er auf die „Vorausanzeige des Schiffes“, ein schwarzer Strich, der an der weißen Innenseite des Kompasskessels angebracht ist.  Weiter erklärte er mir, dass die schwimmende Kompassrose mit Magneten ausgestattet ist und sich aus diesem Grund immer zum magnetischen Nordpol ausrichtet und dass man, um ein Schiff auf Kurs zu halten, immer versuchen muss, den schwarzen Steuerstrich am Kompasskessel mit dem angegebenen Kompasskurs auf der Rose in Deckung zu bringen.  Manche lernen es schnell, und manche lernen es nie.  Und wie gut man als Rudersmann steuert, kann man durch einen Blick achteraus auf das Schraubenwasser des Schiffes kontrollieren.  Steuert man gut, ist das Schraubenwasser achteraus eine ganz leicht geschlängelte Linie.  Steuert man miserabel, dann sieht es aus, als ob man seinen Namen schreibt.  Und bei gutem Wetter, also bei Windstille und schwach bewegter See, kann man ein Schiff mit ganz wenig „Ruder geben“, also Drehungen mit dem Ruderrad, auf Kurs halten.  Eigenartiger Weise hatte ich das schnell kapiert.  Ich hielt den befohlenen Kompasskurs auf der Rose mit der Vorausanzeige des Schiffes fast immer in Deckung, hatte also ganz geringe Abweichungen vom Kurs und kassierte mein erstes Lob.  Nachdem der 1. Steuermann mich mehrere Male mit einem Blick auf das achteraus aufwirbelnde Schraubenwasser kontrolliert hatte, konnte er sich kurzfristig der Ortsbestimmung widmen, in diesem Fall der Funkpeilung.  Wir fuhren quasi auf einem Funkstrahl, den ein Richtfunkfeuer von Kalmar pausenlos aussendete.  Wichen wir von unserem Kurs nach Backbord-Seite ab, dann sendete das Funkfeuer den Morsebuchstaben A, also Punkt Strich, kam ich dagegen nach Steuerbord vom Kurs ab, dann sendete das Funkfeuer den Morsebuchstaben N, also Strich Punkt. Der Steuermann stand praktisch hinter mir im Kartenraum, hatte den Kopfhörer auf korrigierte somit den Ansteuerungskurs zum Funkfeuer von Kalmar.  Je näher die ACHILLES sich Kalmar näherte, desto diesiger wurde es.  Die Sicht betrug drei bis vier Seemeilen.  Man konnte jetzt schwarze Fahrwasserpricken erkennen, die ich alle an der Steuerbordseite lassen musste.  Wir hatten aber auch entgegenkommenden Schiffsverkehr, also andere Kümos, die mit Schnittholz an Deck aus Nordschweden Richtung Kiel-Holtenau wollten.

Als der Alte auf der Brücke erschien, war er erstaunt und natürlich ärgerlich  Aber der Steuermann beruhigte ihn sofort.  „He mokt dat ganz good, he is gor nich so dusselig, as ick dacht.  He stüert as son Profi“.  Offenbar war auch er von meinen Steuerkünsten überzeugt.  „De dusselige Moses kann stüern as’n Profi, kaum to gleubn.  Villicht ward he joa doch noch n Seemann.“  Trotzdem war er gar nicht so einverstanden, dass der Steuermann so eigenmächtig gehandelt hatte.  Ein Moses gehört in erster Linie in die Kombüse und wenn Not am Mann ist an Deck.  Doch in diesen Fall brauchte der Steuermann bei der engen Ansteuerung von Kalmar Unterstützung, denn die anderen Jan Maaten wühlten in der Vermessungsluke und an Deck rum.  Also wurde ich kurzfristig von einem der Brikettsverlegergang abgelöst und tauchte wieder in die Kombüse ab.  Genug gab es für mich ja zu tun.  Da die engste Stelle bei Kolmar ungefähr so breit ist wie der Kielkanal, musste mein Ablöser, der Jungmann, bei diesen Sichtverhältnissen höllisch auf den entgegenkommenden Schiffsverkehr aufpassen.

Nach dem Passieren von Kolmar ging es weiter auf einem durch Pricken eingerichteten Zwangsweg durch den Kolmarsund in Richtung Südansteuerung der Stockholmer Schären.  Aber außerhalb des nördlichen Kalmar Sunds passierte plötzlich etwas Unfassbares: Der neue Deutz-Hauptdiesel blieb plötzlich stehen.  Er gab seinen Geist auf.  Herr Richters wurde von Fritz von Busch in den Keller geschickt und sollte ihn wieder zum Laufen bringen.  Herr Richters ging nach einer Checkliste vor, die ihm der Garantieingenieur von Deutz, Herr Allerding, übergeben hatte.  Nichts wurde übersehen oder ausgelassen.  Der Tagestank war voll Marine-Diesel, die Kompressionsluftflaschen waren auch voll aufgepumpt, trotzdem wollte er nicht anspringen.  Fritz von Busch wurde ungeduldig und ließ den Matrosen zusammen mit der restlichen Deckgang ein so genanntes Großsegel, welches er aus der abgesoffenen BERTA VON BUSCH geborgen und reparieren lassen hatte, aus dem Kabelgatt an Deck holen und am Vormast auf der Back anbringen.  Eine Knochenarbeit.  Doch am Ende stand das Segel im vollen Wind, und man konnte die ACHILLES sogar auf Kurs halten.  Nach dem Segelsetzen tauchte Herr Richters noch einmal in den Maschinenraum ab, kam auf den Gedanken, noch einmal die Kompression durchzutörnen, den Motor auf Betrieb zu stellen, blies ihm noch einmal eine Ladung Pressluft vor’n Arsch - und tatsächlich!, der alte Bock startete wieder.  Und hielt auch durch.  Der Alte ließ das Großsegel wieder bergen, änderte aber den Kurs zurück nach Kalmar, wo wir einliefen und er eine Maschinengang kommen ließ, die die Deutz-Hauptmaschine unter die Lupe nahm und erstaunlicherweise einen Nockenwellenschaden feststellte.  Dieser konnte nach einem Tag behoben werden.  Danach ging es weiter in Richtung Stockholmer Schären, um die Route nach Gävle abzukürzen.

Den Leuchtturm von Landsort sollten wir erst am nächsten Morgen in Sicht bekommen.  Von dort aus wollte Kapitän von Busch die ACHILLES durch das mit Pricken und Quermarkenfeuern ausgewiesene Fahrwasser durch die Schären persönlich lotsen.

Fritz von Busch hatte das Privileg, die Stockholmer Schären ohne Lotsenberatung befahren zu dürfen.  Das hatte er bereits mit seiner Nobiskruger BERTA VON BUSCH nach einer erfolgreichen Prüfung vor der Stockholmer Lotsenkammer vor dem Kriege machen dürfen.  Er war also ein so genannter überprüfter Ortskundiger in den Stockholmer Schären, also ein „Freifahrer“.  Er brauchte keinen schwedischen Lotsen an Bord zu nehmen.

Nachdem unsere Jan Maaten so ca. zehn Tonnen Briketts zum Vergolden in die Vermessungsluke „umgelagert“, die Luke wieder verschlossen und seefest verschalkt hatten, wurde mit dem Deckwaschschlauch der Rest Brikettsspuren von der Luken-persenning weggespült und beseitigt und die Decklast dem Schüttgefälle angepasst.  Keiner sollte auf die Idee kommen, dass da ein Teil der Decksladung fehlen könnte.  Die Sicht war gut, da etwas Wind aus nördlicher Richtung aufgekommen war.  Die Reise verlief wie geplant.  In der Kombüse wurde ich nun wieder zum „Essen schmirgeln“ eingespannt, eine Beschäftigung, die mich sehr nervös und unsicher machte.

Die Frau des Kapitäns kümmerte sich kein Stück um das Kochen.  Wahrscheinlich konnte sie es auch gar nicht, denn es kamen nie Klagen über meine Kochkünste.  Der 1. Steuermann, der mich beim Essenzubereiten überwachte, hatte angeordnet, dass es für die Crew „Strammen Max“ geben sollte.  Man schneide diverse Scheiben Vollkornbrot ab, bestreiche sie mit Butter, lege auf jede Brotscheibe wiederum eine dicke Scheibe Mettwurst und zur Krönung darauf ein gebratenes Spiegelei.  Anschließend wurden Fritz von Busch samt seiner Frieda und die beiden Steuerleute ab-gefüttert.  Nach dem Abendessen musste ich noch vorn bei der Crew die Backschaft erledigen, desgleichen anschließend achtern in der Kombüse, reinschiff machen und Brennmaterial für den Ofen zurechtlegen.  Erst dann konnte ich nach vorn in unser Logis zum Schlafen abtauchen.

Die Stockholmer Schären sind eine Reise wert, ganz bestimmt für jeden Sportsegler.  Ich würde gerne heute noch im Alter von über 70 Jahren einmal als Mitsegler auf einer Tourenyacht so eine Fahrt durch die herrliche Schärenwelt mitmachen, wohlgemerkt nur im Sommer.  Es hatte mich damals alles fasziniert.  Wie gesagt, damals im Sommer 1951 hatte das Wetter mitgespielt, es war ausgezeichnet.  Also, wir hatten spiegelglatte See.  Die bereits aufgegangene Sonne bewirkte eigenartige Luftspiegelungen.  Fata Morgana nennt es der Meteorologe und Seewetterexperte.  Schiffe, die an der Kimm auftauchten, fuhren quasi auf den Kopf gestellt ihren Zielen entgegen.  Landmassen, also die angesteuerten Schären, standen auch auf dem Kopf.  Allerdings, je näher das eigene Schiff sich den am Horizont befindlichen Konturen näherte, desto schneller löste sich die Luftspiegelung wieder auf.

Wir näherten uns dem Leuchtturm Landsort.  Kapitän von Busch war bereits oben auf der Brücke und übernahm das Kommando.  Natürlich stand jetzt der Matrose am Steuerrad, der wachhabende Steuermann der 06–12-Wache, also der 1. Steuermann, Wilhelm Bohning, verrichtete die Standortbestimmung, Kompasspeilungen aus beiden Nocken, suchte mit dem Glas nach den zu erwarteten Pricken, nach denen wir auf den vorgegebenen Zwangswegen unseren Kurs bestimmen mussten.  Kapitän von Busch schickte ihn nach unten, da es an Deck noch Wichtiges zu tun gab und er das Fahrwasser kannte.  Er meldete sich über UKW bei der Lotsenstation an, übermittelte alle wichtigen Schiffsdaten (Name des Schiffes, Flagge, Heimathafen, letzter Ladehafen, Art der Ladung, größter Tiefgang, deadweight, BRT, Länge über alles und den Zielhafen Gävle).  Weiterhin meldete er sich beim Schiffsmakler in Gävle an.  Und er bat, als Freifahrer ohne Lotsenzwang einlaufen zu dürfen.  Offenbar war die  Lotsenstation nach Überprüfung seiner Personalien damit einverstanden, denn wir durften ohne Lotsen ab Landsort Leuchtturm in das Revier einlaufen.

Von der Ansteuerungstonne nahmen wir Landsort Leuchtturm direkt voraus und drehten zwei Schiffslängen vor dem Leuchtturm langsam nach Steuerbord in Richtung Vestergrund, von wo das Schiff weiter über Masknuv und Örngrund vorbei an Nattarö, Ranö und Utö fuhr.  Der Rudersmann musste höllisch aufpassen, denn überall gab es Unterwasserfelsen, auch Untiefen genannt, die einen Schiffsrumpf wie eine Konservendose aufschlitzen konnten.

Das Fahrwasser hatte zwar eine ausreichende Tiefe, doch ab der Durchfahrt Mysingeholm und Söderhäll-Leuchtfeuer in Richtung Länggarn-Leuchtfeuer rückten die Schären und Inseln immer näher.  Länggarn liegt vor der Insel Galön, und ab jetzt wurde das Fahrwasser so eng wie die Straßen in der Hamburger City.  Woher ich das weiß?  Nun, jetzt, da ich meine Erinnerungen vom Einstieg in meine seemännische Laufbahn niederschreibe, hatte ich sowohl einmal meinen ehemaligen Arbeitgeber, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, aufgesucht und in der Seekartendruckerei die Seekarte INT 169, Ostsee, nördlicher Teil, Alandsee, erstanden, weiterhin die maritime Buch- und Seekartenhandlung Baader & Hornig besucht und genau die schwedische Seekarte S616 – Dalarö – Nynäshamn gekauft, um die Ansteuerung der Stockholmer Südschären zurückzuverfolgen.  Diese Reise hatte es damals in sich, wie wir gleich weiter nachlesen können.

Wir passierten in den Morgenstunden die enge Durchfahrt von Galö-Leuchtfeuer, mussten am nordöstlichen Ende der Schäre Toklo nach Backbord den Kurs ändern, fuhren an der Schäre Kycklingen bzw. dem Leuchtfeuer vorbei und steuerten jetzt nach Steuerbord mit Kurs auf die Durchfahrt Jutholmen.

Wir passierten die Schäre Ragh, fuhren durch das Nadelöhr, ausgewiesen durch die Pricken von NO-Spitze Ragh und dem Quermarkenfeuer Jutholmen und hielten auf die Durchfahrt zwischen Dalarö-Quermarkenfeuer und der Schäre Korsh zu, auch wieder so ein Nadelöhr, ziemlich dicht am Ufer von Dalarö vorbei.  Hier gabelte sich das Fahrwasser weiter in Richtung Stockholm und Piltholmsknall-Quermarkenfeuer.

Wir hatten gerade das Quermarkenfeuer von Dalarö passiert, da erspähte der große Finkenwerder Navigator, Freifahrer und stolze Schiffseigner Fritz von Busch etwas sehr Aufregendes, was ihn aus seinem Konzept warf.  Er stieß von der Backbord-Brückennock einen wilden Schrei aus: „Deeeeerrrns, Lüüd, jede Menge splitternackte Deeerrns op den Felsen!“  In der Tat, da lagen und sonnten sich ca. 30 bis 40 splitternackte Mädchen am Ufer, ein beliebter Platz für Sonnenanbeter zum Grillen, also Sonnenbaden.  Die Schweden sind nun mal von ihrer Erziehung her kein prüdes Volk, sie lieben die Natur und das Natürliche.  Und wenn die Tage in Mittelschweden wieder länger werden, die Sonnenstrahlen die Felsenlandschaft der Stockholmer Schären erwärmt haben, dann strömt alles, Männlein und Weiblein in den Naturpark Stockholmer Schären, man lässt ihre Hülle fallen und sich von der Sonne bescheinen.  Nur die verklemmten deutschen Seeleute aus Hamburg-Finkenwerder bekamen beim Anblick dieser Freizügigkeit  einen heftigen Anfall von Wolllust.

Der 1. Steuermann und die Jan Maaten an Deck standen wie erstarrt da, blickten nach Backbord-Seite zum vorbeiziehenden Ufer hinüber und begannen zu grölen und zu winken.  Hatte nicht viel gefehlt, da wäre der Erste sogar über Bord gesprungen und an Land geschwommen.  Der erste, der nach oben auf die Brücke stürmte, war der Leichtmatrose.  Und den krallte sich der Matrose und übergab ihm blitzschnell das Ruder, ehe er nach draußen in die Backbord-Nock stürmen konnte.  Der alte Fritz erkannte die heraufziehende Gefahr nicht sofort.  „Hein steiht am Roda!“  Doch auch der naive Moses war durch das Geschrei auf der Brücke neugierig geworden und spurtete an Steuerbord-Seite die Treppe hoch zur Brücke.  Und da der Leichtmatrose Hein genau so spitz war wie der Matrose, zog er mich, hinter das Steuerrad und stammelte höchst erregt zu mir: „Moses, imma grrode ut, imma grrode ut stüern!“  Ich blickte voraus, ja wohin denn bloß?  Der Anblick der nackten Sirenen auf den Felsen hatte die gesamte Disziplin und Navigation binnen wenigen Sekunden lahm gelegt.  Doch Gott der HERR lässt solchen Frevel und solche Fahrlässigkeit nicht ungestraft passieren.

Während drei brunftige Kreaturen von der Backbord-Nock verzückt ans Ufer glotzen, brach das Unheil über die ACHILLES mit dem Moses am Ruder herein.  Denn spätestens, als der Matrose dem Leichtmatrosen das Ruder übergab, hätte eine energische Kursänderung nach Backbord durchgeführt werden müssen.  Die Pricke voraus musste zusammen mit der Schäre an Steuerbord-Seite passiert werden.  Aber dazu war es jetzt zu spät.

Plötzlich grunzte nämlich die Achilles und drückte die drei Seeleute in der Nock  gegen die Winddüsen der Brückenverschanzung.  Ein unheimliches Geräusch war zu vernehmen: Schiffsstahl schrammte über felsigen Untergrund.  Die Fahrt des Schiffes wurde sehr rasch langsamer und das Schiff hob sich vorn etwas ungewöhnlich aus dem Wasser, weiterhin bekamen wir leichte Schlagseite nach Backbord.  Und dann folgte ein vielstimmiger Schrei: „Wiiii sit faaast, wiiii sit faaast, wiiii sünd uploopn!“

Fritz von Busch stürzte ins Ruderhaus und verstand die Welt nicht mehr.  Was hat der verdammte Moses da am Ruder zu suchen?  Wer hat den überhaupt dahin gestellt?  Der muss doch in der Kombüse sein!  Schon bekam ich seine Hand zu spüren und mit einem Tritt in den Achtersteven segelte ich aus dem Ruderhaus in die Steuerbord-Nock.  Als nächstes riss er den Maschinenhebel, eine Art Drehspindel mit Direktübersetzung zur Hauptmaschine wie wild auf Nullstellung, womit er die Maschine stoppte, was aber auch wieder ein paar Sekunden dauerte.  Und jetzt war der Matrose dran, eigentlich ein Hüne von Kerl.  Doch Fritz von Busch mit der Figur eines Catchers von der Reeperbahn schlug den Matrosen windelweich.  Der Leichtmatrose war bei dem Tumult von der Backbord Brückennock entkommen.  Nachdem der Alte sich wieder etwas gefasst hatte, versuchte er mit deftigen Rückwärtsmanövern die ACHILLES von den Klamotten herunter zu holen.  Null Erfolg, die ACHILLES wollte nicht und konnte nicht, sie rührte sich nicht vom Fleck.  Nachdem alle Bemühungen vergebens waren, stellte er die Maschine ab und heulte wie ein Wolf.  Es klang schrecklich.  Als er sich beruhigt hatte, stieg er nach unten und weckte den 2. Steuermann, Herrn Richters: „Stürmann, wi sind uploopn, kumm hoch und kiek mol no, ob wii Woda mokn, peil mol de Vorpiek un de Tanks.“  Herr Richters war noch verschlafen, aber betroffen, stand auf und ging nach vorn ins Kabelgatt, um den Peilstock zu holen.  Er peilte also Vorpiek und die Tanks, soweit er wegen der Decklast an die Peilrohrverschlüsse kam und staunte nicht schlecht: Alle Tanks waren trocken.  Die ACHILLES hatte also kein Leck im Boden und keinen Wassereinbruch im Doppelboden.

Fritz von Busch hatte in der Zwischenzeit eine Ortsbestimmung gemacht und auf UKW Kanal 16 das Hafenamt von Stockholm angerufen und ihnen auf Schwedisch von der Havarie und der Havarieposition berichtet.  Sie bestätigten seinen Unfallbe-richt und wollten so schnell wie möglich einen Marineschlepper mit Taucher schicken.  Außerdem rief Fritz von Busch seine Versicherung in Hamburg an, schilderte die Havarie und bat um einen Bergungsschlepper.  Die Versicherung gab ihm grünes Licht, damit er alles weitere veranlassen konnte.

Ich hatte mich in die Kombüse verkrochen, als der 2. Steuermann vom Peilen zurück kam und mich nach den Hergang und der Ursache der Havarie ausfragte.  Ich erzählte ihm die haarsträubende Geschichte, dass ich aus Neugierde auf die Brücke kam und wie mich der Leichtmatrose gegriffen und ans Ruderrad gestellt hatte mit der Bemerkung „imma grrroodeut stüern Moses“, wie sie alle in der Backbord-Nock standen und nach den schwedischen Nackedeis am Ufer geschielt hatten und wie das Schiff plötzlich auf die Felsen gelaufen war.  Herr Richters war sprachlos und entgeistert.  „Dummheit muss bestraft werden“ war sein Kommentar, ehe er wieder verschwand.

Zunächst passierte nichts.  Die Zeit verstrich schleppend.  Der 1. Steuermann und die Leute an Deck hatten sich verdünnisiert, sich aus der Schusslinie des Alten begeben.  Doch plötzlich kam ein hölzernes Motorboot von irgendwo her zwischen den Schären von der Steuerbordseite auf uns zugetuckert und legte achtern an der Steuerbord-Seite der ACHILLES an.  Ein älterer Schwede rief zu Fritz von Busch hoch: „Ha du Sprit?  Die Lebensgeister von Fritz leuchteten plötzlich wieder im grünen Bereich.  Sie unterhielten sich in schwedischer Sprache, und schon verschwand der Alte unter Deck in seinen Zollwarenlocker.  Der Schwede kam an Deck geklettert.  Nach einer Weile tauchte der Alte mit zwei Jutesäcken an Deck auf, je einer vollgestopft mit polnischem Wodka und Stangen amerikanischer Zigaretten.  Sie verhandelten auf Schwedisch über den Preis, und als sie sich einig waren, holte der Schwede ein Bündel schwedischer Kronen hervor.  Fritz zählte nach, schon fierte der Schwede beide Säcke mit einer Schmeißleine in sein Boot, kletterte selbst hinterher, schmiss seinen Bootsmotor an und tuckerte so schnell wie möglich in Richtung zweier eng neben einander liegender Schären, die in der Seekarte Korsh und Tvl sein könnten und auf Grund ihrer geringen Fahrtiefe nur mit dem Motorboot passierbar waren.  Er kannte sich sehr gut aus und hatte die Durchfahrt fast erreicht, da rauschte plötzlich ein Zollkreuzer mit 20 kn Fahrt heran und versuchte ihm den Weg abzuschneiden.  Ich stand mit den verdatterten Jan Maaten hinten bei der Kombüse, als das passierte.  Plötzlich wieder ein tierischer Aufschrei von Fritz von Busch.  Er hing oben in der Steuerbord-Nock über der Verschanzung und raufte sich die Haare.  „De verdammte Toll, de verdammte Toll.  Öbaall sit die Swate Gang un luart op Schmuggler.  Wenn dee den Kerl mit den Sprit un de Zigaretten tofoot kregen, dann bin ick mien Ticket los.“  Ja, es sah recht ungemütlich für Fritz aus.  Aber der Schmuggler hatte alles aus seinem Motor heraus gekitzelt und entwischte den Wasserzöllnern durch die enge Passage zwischen zwei Schären.  Und als er für einen Moment durch die Bäume der Insel nicht sichtbar war, versenkte er beide Säcke auf den Grund der Durchfahrt.

Nachdem die Zöllner auf der anderen Seite der Durchfahrt den Schmuggler abgefangen und durchsucht hatten, kam der Zollkreuzer längsseits der ACHILLES, die Schwarze Gang ging zu Fritz von Busch in die Kabine und überprüften seine Papiere und seinen Zollspind.  Anschließend wurden die restlichen Mannschaftsunterkünfte kontrolliert.  Sie fanden keinen Grund für Beanstandungen.  Wie der Alte das hinbekommen hatte, blieb uns ein Rätsel.

Am nächsten Tag, es war bedeckt, und es fiel ein leichter Regen, kam ein Behördenfahrzeug mit einer Abordnung vom Hafenamt, Einklarierungsbeamte und ein Schiffsmakler an Bord.  Man klarierte zunächst das Schiff ein, besichtigte die Position der havarierten ACHILLES.  Außerdem wurden, so weit wie möglich, die Ballasttanks gepeilt.  Weiterhin ordnete das Hafenamt eine Unterwasseruntersuchung durch einen Taucher der schwedischen Marine an.  Als letztes, damit man die ACHILLES von der Untiefe, also dem Felsen, herunterziehen konnte, wurde eine Leichterung der Brikettdecklast angeordnet.

Schon am Nachmittag kam eine Barge mit eigenem Ladegeschirr, also einem getakelten Mast mit einem Schwenkbaum, längsseits und machte vorne an Stb-Seite bei Luke 1 fest.  Mehrere flach gehende Schuten legten sich direkt hinter die Ladege-schirrbarge, eine Gang Hafenarbeiter kletterte über die Lotsenleiter an Bord, und der Löschbetrieb fing an.  Die Hafenarbeiter warfen die Briketts in so genannte Persennigbroken, die mittels Schwenkbaum der Barge auf einer der bereitliegenden Schuten gelöscht wurden.  Es dauerte bis zur Dämmerung, ehe die Decklast von Luke 1 abgeräumt war.

Am nächsten Morgen ging das Löschen der Decklast weiter.  Am späten Vormittag kam ein Marineschlepper mit dem Marinetaucher, der eine Bodenbesichtigung des Vorschiffs unternahm, um den Schaden eingrenzen zu können.  Jetzt, da man auch an die restlichen Peilrohrstutzen der Ballasttanks heran kam, wurde nachgepeilt.  Es stand jetzt eindeutig fest, die Ballasttanks Backbord und Steuerbord 1 waren trocken, weiterhin auch Backbord- und Steuerbord-Tank 2 und auch die Vorpiek machte kein Wasser.  Schwein gehabt.  Der Marinetaucher war mit seiner Bodenbesichtung fertig.  Das Resultat: arge Verbeulungen im Bereich des Unterwasserstevens bis zum Kollisionsschott.  Fritz von Busch war erleichtert.

Nachdem die Decklast vollständig abgeräumt worden war, erschien der Bergungsschlepper „NEPTUN“ mit einem Lotsen, der an Bord kam, denn der Alte durfte sich nicht mehr als Freifahrer betätigen.  Der Schlepper übergab seine Schlepptrosse, die achtern durch die mittlere Klüse an Bord genommen und auf zwei Pollern vertäut wurde.  Mit seiner vieltausend PS starken Maschine setzte er sich direkt hinter die ACHILLES auf zwei Schiffslängen ab und legte sich ins Zeug.  Und langsam rutschte die ACHILLES vom Felsen runter und schwamm wieder frei.  Der Marinetaucher ging danach noch einmal ins Wasser und besichtigte das Unterwasserschiff.  Er blieb bei seinem Befund: nur Einbeulungen, keine Leckage.  Noch einmal Glück im Unglück gehabt.  Zurück im Hamburg-Finkenwerder würden bestimmt die verbeulten Boden-platten ausgewechselt werden.

Die Reise verlief weiter mit Lotsenberatung bis zur Nordansteuerung der Stockholmer Schären, Tvärven-Leuchtturm, von dort aus fuhren wir allein weiter durch die Aland-See, Södra Kvarken, Grundkallen-Leuchtturm bis Gävle.

Natürlich saß uns allen noch der Schock des Auflaufens in den Knochen.  Der Matrose war stinksauer auf den Leichtmatrosen und der Leichtmatrose stinksauer auf den Moses aus Cuxhaven, weil der nicht begriffen hatte, dass er die Pricke an Steuerbordseite hätte passieren müssen.  Und ich ahnte, dass die Havarie noch ein Nach-spiel für mich haben würde.  Sie würden es mir noch heimzahlen, dass ich mit meinen Steuerkünsten so jämmerlich versagt hatte.

Nach den Löscharbeiten in Gävle und der Abrechnung mit der Maklerei bekam der Alte eine Reisebuchung Schnittholz von Mäntiluoto (Finnland) nach Oostende (Belgien).  Das hieß, Anreise in Ballast nach Finnland, also leerschiff.  Da wir nicht allzuviel Ballast an Bord nehmen konnten, das Wetter umgesprungen und kappelig geworden war, also Wind und See von vorn, würde die ACHILLES wie ein Ziegenbock gegenan springen.  Das hieß, der Moses würde Neptun ein Opfer bringen müssen!

Und so kam es auch.  Nachdem Kapitän von Busch seine ACHILLES aus dem Hafen von Gävle in den Bottnischen Meerbusen navigiert hatte, machte das Schiff „krumm“ und fing an, gegen die kurze, steile See anzuboxen.  Die Ostsee ist bekannt für ihre kurze und steile See bei schlechtem Wetter.  Dabei war es eigentlich gar nicht so schlecht, nur Windstärke 6 bis 7 aus Nordost.  Aber das langte für meinen Magen.  Oder besser gesagt, es haute mich von den Füßen.  Ich konnte nicht mehr in der Kombüse arbeiten, das Essen fiel mir aus dem Gesicht.  Ich wurde blass und grün.

Jetzt war die Stunde der Rache des Volkes gekommen.  Ich stand an der Verschanzung gegenüber der Kombüsentür und reiherte mir gegen den Wind die Seele aus dem Magen.  Der Leichtmatrose, der zufällig vorbeikam, rief mir zu: „Moses, ick gleuv, di geit dat gornich good, dor möd wi wat gegn don.  Kumm, drink mol n’ Snaps, dann ward di gligs beder.“  Und dann flößte mir der Mistkerl unter Gelächter einen doppelten Schnaps ein.  Mein Magen drehte sich in Richtung Speiseröhre, und ich musste mich noch mehr übergeben.  „Mann, Moses, de goode Stoff, dat kannst du us nich andon, allwedder utkotzn, de is veel tu düer, kumm, rook mol n Zigarr, nimm mol’n Tuch op Lunge, dann geit di dat ganz bestimmt beder!“  Und dann steckte er mir die angezündete Zigarre in den Mund und hielt mir die Nase dicht.  Ich konnte nicht anders.  Ich musste einen Zug auf Lunge inhalieren.  Mir war so elendiglich schlecht, ich konnte mich auch nicht wehren.  Ich dachte nur noch ans Sterben.  Schmeißt mich doch über Bord, ihr Scheißkerle. Sogar der 1. Steuermann und der Matrose kamen aufs Achterdeck und traten mich heimtückisch in den Hintern.  „Moses, wenn de brune Ring kümmt, den muss du wedder rünner schlucken, dat is dat Morsloch!“  Erst als der 2. Steuermann hinzu kam und seinen Kollegen und die anderen in die Schranken wies, ließen sie von mir ab und verschwanden lachend vom Achterdeck.  Herr Richters sagte zu mir, „Moses, ich mach jetzt einen Kamillentee für dich, den versuchst du dann zu trinken, ohne ihn wieder auszuspucken.  Dann wird es dir besser ergehen, also reiß dich zusammen, du willst doch ein Mann werden!“  Woher er den Tee hatte, wusste ich nicht, jedenfalls musste ich nach zehn Minuten unter seiner Aufsicht den heißen Tee schlucken, wobei ich mir auch noch den Mund verbrühte.  Trotzdem, obwohl ich am ganzen Körper fror und es mir so schlecht erging, ich wollte nur noch an der frischen Luft bleiben und in Ruhe gelassen werden.  Einer der Jungmänner, Uwe Mosch aus Drochtersen an der Elbe, musste jetzt bei diesem Wetter den Job in der Kombüse übernehmen und das Essen zubereiten.  Ich glaube, ich war damals fast so weit, die Seefahrt an den Nagel zu hängen und freiwillig wieder an Land zu gehen.

Am nächsten Tag erreichten wir Mäntiluoto.  Aber noch Stunden danach, nachdem wir festgemacht hatten, war ich, obwohl das Schiff ruhig an dem Kai lag, immer noch seekrank und verdammt wackelig auf den Beinen.

Natürlich war auch die Frau des Alten seekrank gewesen, es war ihr kein Stück besser ergangen als mir.  Doch sie konnte im Gegensatz zu mir in der Koje liegen.  Auch den Hunden war es nicht besser gegangen, sie hatten das Schlafgemach des Kapitäns vollgekotzt, worauf hin Fritz von Busch beide Hunde ins Bad eingesperrt hatte.  Und offenbar waren Hunde und Frau im Hafen auch noch leicht lädiert.  Fritz war sauer.  Und als die Einklarierung und die Zollformalitäten abgeschlossen waren, musste Uwe Mosch das Kabuff des Alten aufräumen, das Erbrochene der Hunde beseitigen und alles gründlich lüften.

Hafenarbeiterinnen waren an Bord gekommen und in die Laderäume geklettert.  Unsere Jan Maaten bekamen Stielaugen beim Toppen und Stellen der Ladebäume.  Es waren ja auch einige knackige junge Frauen unter ihnen.  Die Frauen legten den Laderaumboden mit Querhölzern aus, damit man die Sisalstroppen besser unter den Hieven hervorziehen konnte.  Und dann fing der Ladebetrieb an.  Kleine Traktoren fuhren mit länglichen Anhängern längsseits der Bordwand.  Auf jedem Anhänger lag ein abgepackter Holzstapel, also eine angeschlagene Hieve mit herrlich duftendem Schnittholz.  Diese Holzhieven wurden mit zwei Stroppen angeschlagen und mit den bordeigenen Deutz-Motorwinden an Bord gehievt, der Ladebaum anschließend über den Laderaum geschwenkt, damit die Holzstapel in den Raum gefiert werden konnte.  Unten lösten die finnischen Ladies die Stroppen vom Haken, und ab ging der Ladehaken wieder nach oben und zurück an Land.  Unten im Raum wurden die einzelnen Bretter jetzt Stück für Stück hintereinander auf den Bodendielen von vorn bis achtern und an den Außenwänden ausgelegt und gestapelt.  Reine Maßarbeit, überhaupt kein Stauverlust.  Finnische Stauerinnen sind absolut gut.  Wenn die Ladepartie eines Empfängers abgeschlossen war, wurde sie mit greller, bunter Wasserfarbe gekennzeichnet, also markiert und im Schiffsstauplan eingetragen.

Unsere Leute wurden für Überholungs- und Wartungsarbeiten an Deck eingeteilt.  Zum Beispiel benötigten wir für die Decklast viele Schäkel und Drahtfrösche, die wir aus dem Kabelgatt hervorholen mussten.  Und diese wurden jetzt mit Stauferfett abgeschmiert.  Weiterhin wurden vorgefertigte Rundeisenbügel an der Verschanzung bereit gelegt.  Diese mussten, wenn es soweit war, in die Verschanzung eingehakt werden, damit man darin die Holzstützen für die Decklast befestigen konnte.  Weiterhin wurden etliche Drähte von der Stärke eines Runners bereit gelegt und als Buchten über die Verschanzung nach außenbords gehängt und auf der Verschanzung eingeschäkelt.  Die gesamte wasserseitige Verschanzung wurde mit stabilen Holzstützen bestückt, damit die Decklast nach dem Ende der Beladung später genügend Halt bekam.


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Am frühen Morgen des 25. September 1955 erreichten wir Feuerschiff Elbe I.  Der Lotsendampfer, bei dem wir schon angemeldet waren, kam uns entgegen.  Die Versetzbarkasse kam mit einem Seelotsen und drei freien Lotsen, die nach Hause zu Muttern wollten, längseits und kletterten die herabgelassene Lotsentreppe herauf an Bord.  Bei den Lotsenbrüderschaften der Elbe, der Weser und der Ems war damals gerade eine Neuigkeit eingeführt worden.  Innovation heißt es heute!  Und diese Innovation war ein UKW-Gerät, welches die Seelotsen als eine Art in Segeltuch eingenähtem Koffer mit sich rumschleppen mussten, unbequem zu tragen.  Die Lotsen nannten es ironisch „Quasselkiste“, wir nannten es „Buko“ (Beischlaf-Utensilien-Koffer).  Das olle Geschütz war so unbequem und schwer, dass der Mann an der Lotsentreppe die Kiste mit der Schmeißleine an Deck hochholen musste.  Oben auf der Brücke stellte der Lotsen den Koffer am Fenster auf den Klapptisch, nahm weiterhin eine umständliche Antenne heraus und befestigte sie draußen in der Nock.  Wenn er die Antenne mit dem UKW-Gerät verbunden und eingeschaltet hatte, konnte er auf einem bestimmten Kanal die Lotsenberatungsstelle, auch Leitstelle genannt, im Cuxhavener Radarturm anrufen und sich für die Revierfahrt bis Brunsbüttel navigatorisch beraten lassen.  Bei gutem Wetter und guter Sicht war es nicht weiter wichtig, bei Nebelfahrt und schlechter Sicht dafür um so mehr.  In den fünfziger Jahren war dieser „niemodsche Kasten“ für die Lotsen eine große Hilfe.

Das Wetter war gut, ruhige See, die Sonne war noch nicht aufgegangen.  Es war, als wenn man zu sich nach Hause kommt.  An Steuerbordseite die schwarzen Tonnen.  Voraus Feuerschiff Elbe 2.  Man konnte bereits die Konturen von Scharhörn und Neuwerk erkennen.  Ab Feuerschiff Elbe 3 hob sich deutlich der Küstenstreifen um Sahlenburg, Duhnen und Döse ab.  Dann kam die Kugelbaake in Sicht.  Wie oft hatten wir als kleine Stepkes auf dem Wellenbrecher der Kugelbaake gespielt und den Schiffen nachgeschaut.  Ab der Kugelbaake wurde die Fahrt aus dem Schiff genommen.  Der Lotsenversetzer kam aus dem Kutterhafen der Alten Liebe heraus und uns entgegen, drehte bei und kam vom Heck mit Volldampf längsseit.  Die drei freien Lotsen verabschiedeten sich von Kapitän Ebbmeier und kletterten die Lotsenleiter an Deck des Lotsenversetzers „ALTE LIEBE“.  Ein Abschiedsgruß mit der Dampfpfeife, und er fuhr zurück zum Liegeplatz hinter dem Wellenbrecher der Alten Liebe beim alten Leuchtturm.  Mit „Voll voraus“ ging es weiter am Amerikahafen vorbei.  Die Familie war nicht zum Winken gekommen.  Es war noch zu früh.  Aber die Sonne war inzwischen als glühender Ball am Horizont aufgetaucht.  Ein schöner Anblick.  Heimat, meine Heimat!  Cuxendorf an der Elbe ist ein schönes Fleckchen Erde, jedenfalls für mich.  Brunsbüttel lag jetzt voraus, es dauerte aber noch ein Stündchen, bis es am Horizont auftauchte.  Zuerst mussten wir den Oste-Leuchtturm noch passieren, und dann tauchten auch am Dithmarscher Ufer backbord voraus die Konturen von Brunsbüttel auf, die Schleuseneinfahrt mit ihren Molen und den darauf stehenden Leuchttürmen.  Wieder runter mit der Fahrt, denn im Fahrwasser vor Brunsbüttel war auch um diese Uhrzeit viel Schiffsbetrieb.  Der Seelotse hatte bereits den Lotsenversetzer mit der Ablösung für das Elbrevier nach Hamburg gerufen.  Je näher wir an das Gewusel von elbabwärtslaufenden, aus der Schleuse kommenden und in die Schleuse einlaufenden Schiffen kamen, desto unübersichtlicher wurde es.  Endlich hatten wir den Lotsenversetzer identifiziert.  Der Seelotse kontaktete ihn, auch er hatte uns bereits erkannt und kam mit „full speed“ auf uns zu und längsseits.  Der Hamburger Elblotse kletterte die Lotsentreppe hoch und kam auf die Brücke, der Seelotse übergab ihm das Schiff, verabschiedete sich vom Kapitän und verschwand mit seinem Buko, den wir bereits abmontiert und an Deck des Ausholers mittels einer Schmeißleine gefiert hatten.  Jetzt kam der letzte Teil der Elbfahrt bis Blankenese.  Wir passierten Glückstadt an Backbordseite, das Alte Land an Steuerbord, Wedel mit der Schiffsbegrüßungsanlage an Backbord, irgendwann kam auch die Sietaswerft in Sicht, die imposante Deutsche Werft in Finkenwerder – heute steht auf diesem Gelände die Airbus-Werft.  Der Lotsenversetzer des Hafenlotsen legte vom Seemannshöft ab, kam uns entgegen.  Wir stoppten auf, der Hafenlotse kam an Bord und begrüßte seinen Kollegen, der nach der Ablösung als Gast auf der Brücke mitfuhr.  Querab vom Kühlhaus in Altona lagen bereits zwei Hafenschlepper „stand by“ im Elbstrom.  Auf ein Signal mit dem Typhon kamen sie näher.  „Klar vörn und achern“, alle Mann auf Position.  Die Schlepper bekamen von der Back und achtern vom Heck je einen Schleppdraht an Deck gefiert und legten die Drahtaugen auf den Haken.  Langsam törnte der Vorschlepper ein, der Achterschlepper lief noch lose mit, vorbei an den Ladungsbrücken an Backbordseite, der Blohm-&-Voß-Werft und der Stülckenwerft an Steuerbordseite.  Barkassen fuhren mit Hafenarbeitern auf der Elbe in die Hafenbecken zu den Einsatzplätzen.  Bei „Hein Gas“ vorbei, am Grasbrookhafen stoppten wir am Wendekreis auf der Elbe.  Jetzt taute der Achterschlepper an und drehte uns um 180°, damit wir mit dem Heck zuerst, also rückwärts, in den Baakenhafen zum Petersenkai geschleppt werden konnten, wo uns bereits die Festmacher auf dem Kai erwarteten.  Der Rest war dann nur noch Routine: „vorn drei plus eine, achtern drei plus eine“, auf Hochdeutsch: drei Vorleinen und eine Vorspring, drei Achterleinen und eine Achterspring.  Auf der Fahrt elbaufwärts hatten der Bootsmann und wir bereits alle Ladebäume getoppt, die Luken entschalkt und die Persenninge abgenommen.  Die Scherstöcke sollten per Kran an Deck gesetzt werden.  Das passierte dann auch nach dem Festmachen und Fallreep an Land setzen.  Hamburg hatte uns wieder.

Die Hamburger Hafenluft schnuppere ich heute noch gerne.  Damals war sie noch intensiver.  Es roch nach Kaffee, nach Kakao, also nach den Ladungen, die in den Schuppen verstaut waren, bis der Empfänger in Erscheinung trat und seine Waren in Empfang nahm.  Das hat mit der Einführung der Container allerdings sehr nachgelassen.  Container werden heute im Freien auf riesigen Stellflächen abgestellt und riechen nach nichts, da sie wasserdicht verschlossen und verplombt sind.  Damals, wenn die Schauerleute im Blaumann und Elbsegler mit ihrem Arbeitsbüdel und ihrem Sackhaken an Bord kamen, das war ein bleibender Anblick.  Alte erfahrene Schauerleute waren darunter.  Gabelstapler fuhren am Kai auf der Rampe sehr selten herum.  Die Säcke und Ballen wurden noch mit der alten Sackkarre in die Schuppen transportiert.  Man kannte den einen und den anderen Hafenarbeiter noch von der Ausreise oder vom vorangegangenen Schiff.  Ich kannte etliche, die, wenn sie mich sahen, gleich ankamen, „Dreuge Luft bi jü an Deck!  Ick hebb son Kratzen in’ Hals Hannibal!“ - „Dann drink doch n’ Sluck Woda, Fiete!“ - „Wull du mi vagiften?  Ick bruk ’n Sluck Holstentee, dann geit mien Tatterich wech, un ick kann den Stropp von de Stauholzhieve im Room og anschlogen und an Deck setten!“  Das war der Hamburger Hafen am Petersenkai!  Leider alles Vergangenheit.  Die heutigen Hafenarbeiter sehen so aus, als ob sie vom Raumschiff Enterprice kommen.  Alle tragen heute grellgelbe Schutzhelme, leuchtend gelbe Westen, damit man sie aus den Fahrständen der Containerbrücken in zwanzig Meter Tiefe am Kai oder in den Ladeluken erkennen kann.  Jeder trägt ein Walky-Talky, um sich mit dem Menschen im Fahrstand zu verständigen, und Stauholz gibt es auch nicht mehr.  Stauholz sind Abfälle aus den Sägewerken, also lange Bretter, noch mit der Rinde an den Seiten, die unten im Ladenraum auf dem Boden ausgelegt wurden, um die Ladung vor Schweißwasser zu schützen, weiterhin um die Ladungsparty eines Hafens von der Ladungspartie für den nächsten Hafen zu trennen. 


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