Band 34 

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Roman einer Seemannsliebe - Nimm ihm die Blumen mit

Band 34 

in der Buchreihe "Zeitzeugen des Alltags"

 

noch ein Exemplar vorrätig - sonst bei amazon oder als ebook


Roman einer Seemannsliebe

von Peter Bening

Nimm ihm die Blumen mit

Band 34 in der gelben maritimen Buchreihe von Jürgen Ruszkowski

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Leseproben:

Es war ein herrlicher Tag.  Die Sonne lachte vom wolkenlos strahlenden Himmel, der sich heute in seinem schönsten Blau zeigte.  Das Schiff fuhr ruhig dem sich nahenden Land entgegen, und sein Bug durchschnitt die spiegelglatte, türkisfarbene See, die mit Rauschen eine hell spritzende Bugwelle empor warf, grad so, als wollte sie sich gegen diese Störung wehren.  Dazu sang der Schiffsdiesel sein monotones Lied.  Die nahe Küste mit ihren dunklen Wäldern und den bunten Häusern dazwischen bot einen Kontrast, wie ihn kein Künstler hätte besser malen können.  Es lag Ruhe und Frieden, ja fast etwas Mystisches über diesem Land, diesem Ort.

Nachdem der Lotse an Bord war, das kleine Versetzboot wieder Richtung Land entschwand, erschall die Stimme des Kapitäns fragend aus dem Lautsprecher der Messe: „Tomas?“

„Jaaah?“, antwortete der in seiner Ruhe Gestörte etwas mürrisch.

„Ist die Ankerwinsch klar?“

„Ja, ja, ist fertig!“

„O k, dann Anker klar zum Fallen und Steuerbord Landseite – kannst aber erst deinen Kaffee austrinken.“

„Anker klar und Steuerbord Land, o k – ach ja, Kaffee austrinken o k.“

Tomas betrachtete den restlichen Schluck in seiner Tasse. ‚Neu einschenken?  Nee, dauert zu lange’, dachte er.

„Also, Leute, auf ihn mit Gebrüll!“, sagte er zu den anderen in der Messe sitzenden Mannschaftsmitgliedern und stand auf...

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Tomas hatte bereits die Anker klargemacht und die Wurfleine parat gelegt.

„Ach du lieber Himmel, was ist das denn für ´n Kaff?  Hier sind wir ja am Arsch der Welt!  Maa - maaa ich will nach Hause!“, entfuhr es Rudi, der nun ebenfalls nach vorn auf die Back gekommen war, als er den Hafen, oder besser das Häfchen genauer betrachtete.

„Hoffentlich gibt es hier wenigstens so etwas wie eine  Kneipe!?“

Rudi ging langsam in Richtung Bug und schaute über das Schanzkleid zum Anlegeplatz.

„Hä, sehe ich richtig?  Jawollo!  Tomas – Tooomaaas!  Da stehen Mädels, echt und lebendig, drei Stück, - da vorn!“...

Er stand mit der Wurfleine in der Hand an der Verschanzung und hielt Ausschau nach den Festmachern.  Für die etwas abseits stehenden Mädchen hatte er im Moment keinen Blick übrig.  Sein Adlerauge suchte unablässig nach den Leuten, die die Leinen vom Schiff annehmen sollten, konnte aber niemanden entdecken.

„Back an Brücke!“  

„Brücke“, hallte die Erwiderung über das Backdeck.

„Kaptän, ich kann keine Festmacher sehen“, machte Tomas Meldung... Lesen Sie im Buch weiter!

Wie schon Dutzende Mal zuvor klappte dieses Anlegemanöver auch wieder wie aus dem Lehrbuch.  Sie waren eben eine eingespielte Crew, bei der jeder wusste, was zu tun ist und was jeder zu tun hat.  Dies war auch etwas, was der Kapitän an seinen Leuten so schätzte.  Sie konnten saufen, manchmal raufen, hatten ihre Nücken und trotzdem: Wenn es darauf ankam, stand jeder seinen Mann und tat seine Arbeit, ohne dass erst große Anordnungen erteilt werden mussten.  Diese Leute waren ein Team - sein Team!  So manches Mal musste er leise vor sich hinlächeln, wenn er sah, wie auf einem anderen Schiff das Chaos ausbrach und gebrüllt wurde, dass es über den Hafen schallte.  Nein, so etwas gab es bei ihm an Bord nicht!  Das machte auch den Ton auf seinem Schiff aus: Man konnte sich annörgeln, anpflaumen, flachsen, ohne dass jemand es krumm nahm oder sich im Ton vergriff.  Dienst war Dienst, und Schnaps war Schnaps; so wurde es gehalten, und wer sich nicht daran hielt, der passte nicht dazu, der flog!

Nachdem das Schiff ordentlich vertäut war, die Gangway an Land und die Bäume getoppt waren, gab es eigentlich nichts mehr zu tun.  Oder doch?

„Ist noch was, oder können wir los?“

Rudi und Heiner standen vor Tomas, und ihre Augen blickten unruhig zu den Mädchen an Land hinüber... Lesen Sie im Buch weiter!

Als Tomas die Schönen genauer musterte, blieb sein Blick wie gebannt an der in der Mitte stehenden haften.  ‚Düvel noch mal, was ein hübsches Ding’, dachte er und hielt in seiner Tätigkeit inne.  Die langen dunklen Haare boten einen großartigen Kontrast zu ihrem weißen Jeansanzug und schimmerten seidig in der Sonne.  Ihr schlanker Körper wurde von einem roten Pulli und den ziemlich engen Jeans  betont.  Sie war hübsch, ja richtig süß, wie sie so dastand. Den Kopf leicht geneigt und mit einer zarten Röte im mädchenhaften Gesicht, blickte sie zu ihm hinüber.  Tomas kam es vor, als sei sie seiner Phantasie entsprungen, käme nicht von dieser Welt.  Er war fasziniert, überwältigt, einfach hingerissen.  ‚Ach was soll’s, ist sowieso nur so `ne Hafenjule’, ging es ihm durch den Kopf.  Und trotzdem: Er konnte den Blick nicht von ihr lassen!...

* * *

„Wer klingelt denn da so bekloppt?“  Rudis entrüstete Frage riss Tomas aus seinen wehmütigen Gedanken.  Nun hörte auch er dieses permanente Klingeln einer Fahrradglocke.   Heiner, wie immer die Neugierde in Person, schaute aus dem Fenster und stieß einen spitzen Pfiff aus.

„Mensch Tomas, deine – äh – Susanne steht mit ´nem Fahrrad  anna Gangway und macht Winkewinke!“

Schlagartig herrschte hektisches Treiben in der Messe.  Obwohl Tomas wie von einer Tarantel gestochen hochfuhr, schaffte er es nicht, vor den anderen am Fenster zu sein.  Nachdem er sich etwas Platz verschafft hatte, sah er sie. Ja, da stand sie, wieder in ihrem weißen Jeansanzug, mit einem Fahrrad und winkte ihnen fröhlich zu.  Tomas rannte an Deck, stolperte mehr, als er lief, den Landgang hinunter und rief immerfort: „Susanne, Susanne, Susanne!“

Bei ihr angekommen nahm er sie so stürmisch in die Arme, dass beide beinahe samt Fahrrad umfielen.

„Oh Susanne, ich freue mich so!“, sagte er und überschüttete ihr Gesicht mit Küssen.  Sie schmiegte sich an ihn, und ihre Lippen fanden sich zu einem langen, tiefen und innigen Kuss.

„Freust du dich wirklich so?“  Susanne hatte ihren Kopf an seine Schulter gelegt und spielte versonnen mit seinem lockigen Haar.  „Ja, irrsinnig!  Ich hatte schon Angst, dich nicht wieder zu sehen.  Du sagtest ja nur: ’Lass dich überraschen’.“

„Na, bist du jetzt überrascht?“

„Und wie!  Eine schönere Überraschung kann es gar nicht geben!“  Tomas hielt sie noch immer fest an sich gedrückt, als sein Blick auf das fiel, was Susanne als Gepäck auf ihrem Fahrrad mitführte.  „Was ist das denn?“  Tomas deutete verdutzt auf den Gepäckträger und die große Tasche am Lenker.

„Ich wollte mit dir schwimmen gehen.  Darin ist ein wenig Essen und Trinken, und darin sind Decken und Handtücher. Oder hast du keine Lust?  Aber du musst ja anscheinend arbeiten und ich dachte, ihr habt am Samstag frei.“  Susanne sah ihn fragend an.  Tomas war von Susannes Vorhaben so überrascht, dass er sie nur ungläubig anschaute.

„Ähm, nee arbeiten brauchen wir eigentlich nicht; sind nur Overtimes.  Und du – du willst mit mir baden gehen?  Wir beide?  Alleine?  Mit Picknick und so?“  Er konnte es einfach nicht fassen...

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Susanne blieb plötzlich stehen und deutete in das Unterholz des Waldes, der hier ziemlich dicht war.

„Da müssen wir durch“, sagte sie, und in ihrer Stimme lag ein Zittern, als habe sie Furcht vor etwas Ungewissem.  Tomas blickte in das dunkle Grün und sagte nur: „Na gut.“  Hinter Susanne herlaufend, kämpfte er sich durch das dichte Geäst.  Sie war schon ein gutes Stück weiter voraus, und es kam ihm vor, als wolle sie vor etwas weglaufen oder ein Ziel als Erste erreichen.

Ja, sie war anders als alle, die er kannte.  Ganz anders!  Ihr Wesen, ihre Art, ihr Verhalten.  Auf der einen Seite ein kleines verspieltes, neckisches Mädchen, auf der anderen Seite aber anscheinend eines, das genau wusste, was es wollte.  Wie sollte er damit klarkommen?  Diese Spielregeln kannte er nicht.  Nein, er kannte nur die der Häfen und seine eigenen.  Doch merkte er, dass sein Gefühl, sein Innerstes ihn genau leitete, ihm sagte, wie er sich zu verhalten hatte.  Und es war schön, wunderschön, sich dem hinzugeben.

Nach einer Weile lichtete sich der Wald, und er stand in einer winzig kleinen Bucht am Meer.  Umsäumt vom dichten Grün des Waldes und eingerahmt von Felsen lag vor ihm ein kleines Paradies.  Leise spielten die Wellen auf dem weißen Sand, und in den Bäumen sang der laue Sommerwind sein Lied.  Kein lautes Geräusch störte diese Idylle, und darin stand sie: seine Susanne; wie ein verzaubertes Wesen aus einer anderen Welt.

Tomas musste sich an einem Baum festhalten, da er meinte, das Gleichgewicht zu verlieren.  Überwältigt war er, einfach überwältigt.  Langsam kam Susanne auf ihn zu, legte ihre Arme um ihn und schaute ihn mit sanften Augen an...

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Susannes Vater schaute ihn eher mitleidig und mitfühlend als wütend an.  „Ich will nur das Fahrrad holen“, sagte er und begann die Kette, womit es angeschlossen war, zu lösen.  Tomas stand da und war unfähig, ein Wort zu sagen.  Wo war Susanne?  Warum kam sie nicht?  Warum sagte er nichts von ihr?  Was war jetzt eigentlich los?  Seine Gedanken ahnend, drehte sich ihr Vater zu ihm um.

„Übrigens, Susanne hat Stubenarrest.  Nicht wegen dir, sondern weil sie uns so schamlos belogen hat, unser Vertrauen missbrauchte.“  Dann tippte er den erstarrten Tomas mit dem Zeigefinger gegen die Brust.  „Ihr seid doch beide noch viel zu jung, um euch aneinander zu binden.  Das ist doch Kinderkram, werdet doch erst mal erwachsen, richtig erwachsen.  Und du Tomas?  Könntest du mit deinen zwanzig Jahren jetzt schon für Frau und Familie sorgen?  Würdest du an Land bleiben und arbeiten?  Lebt erst einmal, macht was daraus und hängt euch nicht so früh aneinander. Glaub mir Tomas, ich weiß bestimmt wovon ich rede.“

Dann drehte sich Susannes Vater um, nahm ihr Fahrrad und verstaute es im Kofferraum des Autos.  Bevor er einstieg, hielt er kurz inne.  „Und noch was: Schreib ihr nicht! Wir werden jeden Kontakt verhindern.  Wenn dein Schiff wieder ausgelaufen ist und du weg bist, wird sie sich schon wieder fangen.  Also: Gute Reise und…“  Susannes Vater hob die Hand, als lege er sie zum Gruß an eine Mütze, stieg ein und fuhr los.

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* * *

- Etwa 10 Jahre später  -

Tomas und der alte Kapitän Hansen saßen im Salon und warteten auf den Makler mit Order fürs Schiff.  Zwar war ihnen bereits Ladung angeboten worden, doch die Konditionen waren nicht die besten.  Hansen, sein väterlicher Freund, fuhr dann und wann bei Tomas als Vertretung oder Ablöser und freute sich immer wieder, wenn er auf seinem ehemaligem Schiff sein konnte.  Sobald der Steuermann wieder gesund sein würde, wäre es eigentlich an der Zeit, dass Tomas auch einmal Urlaub machen würde, und dann könnte er wieder das Schiff als Kapitän führen, genau wie in alten Zeiten.

„Hans“, Tomas stand auf und ging zur Tür, „ich sehe mal nach, ob die ordentlich Raum waschen und nicht die Brunnen wieder versauen.  Wenn der Makler kommt, kannst du das ja regeln.“

„Is gut, mien Jung, geh man.“  Dem alten Kapitän wurde es jedes Mal warm ums Herz, wenn ihm Tomas das Feld überließ und ihm voll vertraute.  Eigentlich hatte er doch hier nichts mehr zu sagen: Jetzt war Tomas der Kapitän und Eigner des Schiffes.  Aber der sah das anders.

„Hans“, hatte er einmal zu ihm gesagt, „ich freue mich, wenn du an Bord bist.  Von dir altem Hasen kann ich ja noch eine Menge lernen.  Und vor allem: Auf dich kann ich mich verlassen.  Außerdem ist es ja irgendwie auch noch dein Schiff.“  Tomas ließ ihn immer wieder spüren, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehörte und gebraucht wurde, sein Rat und Wissen gefragt war.  Nein, er hatte sich in Tomas nicht getäuscht und eine richtige Wahl getroffen.

Der Makler kam, und bei einem guten Schluck wurde über Preise und Bedingungen verhandelt.  Darin war Hans Hansen gewieft und zäh; das wusste auch der geschäftstüchtige Makler – sie kannten sich schließlich nicht erst seit gestern.  Wie immer wurde letzten Endes Einigkeit erzielt und die Papiere übergeben.

Tomas kam zurück, setzte sich zu Hansen an den Tisch.

„Na Hans, was hat der Halsabschneider uns diesmal wieder untergejubelt“, sagte er und sah Hansen erwartungsvoll an.  „Eine volle Ladung Stückgut hoch nach Russland, Tagesreise verholen und von dort eine volle Holzladung zurück nach Deutschland.  Waren ja lange nicht mehr da oben gewesen“, antwortete der alte Kapitän und reichte Tomas die Papiere.  Dieser schaute sie durch, und als er den Namen des Holzhafens las, brannten ihm die Buchstaben wie Feuer in den Augen.  

„Dahin???“  Er saß da, hielt die Unterlagen in der Hand, die zu zittern begann.

„Na Tomas, immer noch?  Nach all den Jahren?“  Hansen legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter.

Ja, noch immer, stellte Tomas fest, als er in sich hinein hörte.  Schlagartig sah er ihr Gesicht vor sich, hörte ihr Lachen und das zärtliche ‚Tommy’.

„Ich bin oben“, sagte er abrupt, stand auf und verließ schweigend den Kapitänssalon.  Im Kartenhaus holte Tomas eine alte, leicht abgegriffene Seekarte hervor, die in der untersten Schublade schlummerte und breitete sie aus.  Wie oft war er mit dem Finger über diese Karte gefahren und bei dem kleinen Hafen stehen geblieben.  Wie oft hatte er sich vorgestellt, dort wieder hin zu kommen, Susanne wieder zu sehen.  Und nun – nun wurde aus seiner Vorstellung Realität, sie hatten Order auf diesen Hafen!  Der Hafen, dieser kleine Ort, wo vor fast zehn Jahren alles begann, der sein Schicksal geworden war.  Sein Schicksal?  Nein, nicht nur sein eigenes!  Was mag aus Susanne geworden sein?  Ja und Mona, seine kleine Tochter – wie es den Beiden heute wohl geht?

Nachdem Susanne damals abgefahren war, herrschte ein reger Briefwechsel zwischen ihnen, und sie telefonierten häufig  miteinander.  Doch irgendwann kam kein Brief mehr und das Telefon blieb stumm.  Jedes Mal, wenn er anrief und sich meldete, wurde am anderen Ende sofort aufgelegt.

Und dann – dann kam dieser Brief der alles veränderte, zerriss und zerstörte.  Per Einschreiben teilte ihm Susannes Vater mit, dass er die Verbindung zu seiner Tochter zu unterlassen habe.  Sie würde nun aus den ihm bekannten Gründen in ein geschlossenes Heim für schwer erziehbare Mädchen kommen.  Auf das Kind habe er keine Ansprüche, da er offiziell nicht der Vater sei.  Da Susanne seinerzeit noch minderjährig war und er dies wusste, habe er sich strafbar gemacht.  Sollte er versuchen, mit ihr Kontakt aufzunehmen oder gar kommen, würde sofort Strafanzeige erstattet werden.  Außerdem habe er dafür gesorgt, dass in allen Häfen sein Name auf der Liste stehen würde.  Einige Tage später wurde ihm dieses Schreiben nochmals offiziell durch eine deutsche Anwaltskanzlei zugestellt.

Tomas hatte den Text noch vor Augen.  Grad so, als sei dieser Brief erst gestern angekommen.  Danach erhielt er eines Tages noch eine Karte ohne Absender, auf der in krakeliger Handschrift geschrieben stand: „Tommy, ich liebe dich – wir lieben dich – für immer!  Behalte uns lieb und tu besser, was sie wollen.  Deine Maus und deine Mona!“  Dann hörte er nichts mehr von ihnen, niemals wieder.

Tomas versuchte zwar durch Andere Informationen über das Schicksal der Beiden zu bekommen, doch erwies sich dies als aussichtsloses Unterfangen.

Er hatte versucht, von den Erinnerungen los zu kommen, sie zu löschen.  Aber jedes Mal, wenn er meinte, sich befreit zu haben, tauchten sie wieder umso stärker auf.  Nein, er konnte sie nicht vergessen – und eigentlich wollte er es auch gar nicht.  In so manch stiller Stunde, nachts wenn Tomas einsam Wache ging, war sie wieder da, war bei ihm.  Manchmal ertappte er sich dabei, dass er ein Zwiegespräch mit ihr hielt, und dann stand Susanne unsichtbar neben ihm auf der Brücke.

Zwar war die Erinnerung mit den Jahren ein wenig verblasst, nicht mehr so schmerzhaft, aber sie war noch tief in ihm.  Und nun – nun fuhr er wieder dort hin!

* * *

Es war wieder so ein wunderschöner Sommertag, als sie in das Fahrwasser zu diesem kleinen Hafen einsteuerten.  Ein innerer Zwang drängte Tomas dazu, das Fernglas zu nehmen und zum Land hinüber zu schauen.  Langsam glitt sein Blick über das Ufer mit den dunklen Wäldern.  Da war sie, diese kleine Bucht, Susannes Zuflucht!  Einsam und verlassen lag es da, das Fleckchen Erde, dieses romantische Stück Erinnerung.

Plötzlich standen die Bilder von damals vor ihm: Susanne im Bikini in der untergehenden Abendsonne, ihre Augen, das Herumtollen mit ihr und – ihre erste Liebe.  Alles wusste er noch, nichts hatte er vergessen!  Ihm wurde schlagartig bewusst, dass da immer noch mehr war, viel mehr, als nur die Erinnerung an eine schöne Zeit, an ein hübsches Mädchen und an eine vergangene Liebe.

Als sie in den Hafen einliefen, sah Tomas, dass sich doch einiges verändert hatte.  An der Pier standen jetzt mehrere Kräne, Gleise waren verlegt worden, und die Festmacher warteten bereits auf das Schiff.  Auch Zoll, Polizei und der Agent waren schon vorgefahren.  Und – es standen diesmal keine Mädchen da.  Aber andererseits hatte sich auch vieles nicht verändert: Nicht die Lagerschuppen, die bunten Häuser, der Anblick des Ortes.  Grad so, als ob hier die Zeit stehen geblieben war.

Endlich war der Behördenkram erledigt, und die Amtspersonen hatten das Schiff verlassen.  Tomas begann, dem Agenten ordentlich das Glas voll zu schenken und vergaß auch nicht das Nachgießen, wenn es sich zu leeren begann.  Nachdem man sich über Gott und die Welt unterhalten hatte, begann Tomas den Ortskundigen auszufragen.  Aber immer schön behutsam und durch die Blume.  Und dieser erwies sich als sehr redselig und gab bereitwillig Auskunft.

„Ja doch, es gab mal einen Deutschen, der hier verheiratet war und als Lademeister arbeitete.  Aber der und seine Frau sind vor ein paar Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. – Dieser Whisky ist wirklich gut. – Stimmt, die hatten eine hübsche Tochter.  Die hat sich von irgendeinem Seemann ein Kind andrehen lassen und wohnt jetzt mit ihrer Tochter allein im Haus der verstorbenen Eltern. – Donnerwetter schmeckt der gut, könnte man sich glatt dran gewöhnen. – Ob die verheiratet ist?  Nein, nein, ist sie nicht.  Dabei ist das so eine hübsche Frau, doch bei der hat keiner Chancen.  Wartet wohl immer noch auf ihren Macker.  Der hat sich aber nie wieder blicken lassen.“

Tomas saß zusammengesunken da und hörte dem Agenten zu.  Also war Susanne noch hier.  Mit Mona!  Sollte er es wagen, nach all den Jahren, nach dieser langen Zeit?  Sollte er einfach zu ihr hingehen und sagen: ‚Da bin ich’?  Nein, unmöglich!  Aber vielleicht einmal anrufen?  Ihre Telefonnummer bewahrte er ja noch immer auf.  Ob die wohl noch stimmte?

Nachdem an Bord alles erledigt war, ging Tomas an Land und fand sich unschlüssig vor einer Telefonzelle stehend wieder.  Sollte er sie tatsächlich anrufen?  Wie würde Susanne reagieren?  Wusste sie überhaupt noch, wer er war?  Langsam begannen seine Zweifel immer größer zu werden.  Zwar hatte der Agent gesagt sie sei allein und..., aber Leute reden bekanntlich viel.  ‚Also jetzt oder nie!’, dachte er, ‚mehr als auflegen kann sie ja nicht.  Und wenn sie dich abkanzeln will, legst du einfach auf.  Also los!’

Tomas betrat das Telefonhäuschen, nahm den Hörer ab, warf Münzen in den Apparat und begann mit zitternden Fingern die Rufnummer zu wählen.  Das Herz schlug ihm bis zum Hals, und in seinen Schläfen pochte das Blut.  ‚Tut – Tut, Tut – Tut’  Mit schweißnasser Hand hielt er die Hörmuschel an sein Ohr gepresst.  ‚Vielleicht ist ja die Nummer falsch oder sie ist nicht da’, dachte Tomas und hoffte doch insgeheim, dass es nicht so ist.

„Hallo?“

Eine Gänsehaut lief über seinen Körper, ein Kribbeln durch seine Adern, und das Herz begann zu rasen.  Da war sie, diese so lang nicht gehörte und doch so vertraute Stimme.

„Hallo!?!“

Was sollte er jetzt sagen?  ‘Leg nicht auf Susanne, bitte leg nicht auf!  Oh Gott hilf!’, hämmerte es in seinem Kopf...

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* * *

Nun wäre es dem lieben Tomas ganz recht gewesen, wenn sein Schiff nicht nur mit gemütlichen elf Knoten durchs Wasser zuckeln würde.  Nein, zwanzig, fünfundzwanzig, oder sogar noch mehr kämen ihm jetzt grade recht.  Endlich wurde Fehmarn passiert, und die Kieler Bucht lag vor ihnen.  Die Mitteilung der Lotsenstation, sie müssten erst auf Holtenau Reede gehen und warten, passte Tomas nun überhaupt nicht.  Aber es ging nun mal nicht alles nur nach seinen Kopf!  Auch wenn er sich noch so darüber ärgerte: Zwischen Kiel und Brunsbüttel lag nun einmal der Nord–Ostsee–Kanal mit seinen beiden Schleusen, der Geschwindigkeitsbegrenzung und den Weichen, die des Öfteren zu einer kleinen Zwangspause einluden.  Tja, und dann war da noch Röschmann in Rendsburg!  Es musste gebunkert werden.  Der Koch konnte ohne die entsprechenden Zutaten seiner Aufgabe auch nicht gerecht werden, und das Bier war ebenfalls zur Neige gegangen.  Und schließlich gab es da noch einige Kleinigkeiten telefonisch zu regeln, die nun mit Sicherheit nicht grade für die vielen hundert Ohren bestimmt waren, die bei einem Funkgespräch gebannt lauschten.

Bereits aus der Ferne waren die vielen Ankerlieger auf der Holtenauer Reede zu erkennen.

„Das kann ja Stunden dauern“, knurrte Tomas vor sich hin.

„Na prima, können wir in Ruhe Mittag machen“, gab Hansen froh gelaunt zurück und amüsierte sich über Tomas giftigen Blick.  Und es wurden Stunden!

„Denk mal andersrum“, sagte Hans Hansen und betrachtete den schwimmenden Schrotthaufen, der querab lag, durch sein Fernglas.

„Hä, was soll ich wie anders herum denken?“, fragte Tomas verwundert zurück und lauschte dem Wetterbericht.

„Wir haben alle Zeit fürs Nachlaschen, können uns auf die elende Gurkerei genau freuen.  Tja, und wer weiß, vielleicht hat Petrus ja doch ein Einsehen mit dir und nimmt ein paar Boufort zurück.  Dann müssen wir vielleicht nicht mehr bei Cuxendorf auf Reede gehen, und unser Urlaubsaspirant kann endlich von Bord gehen.“  Was Tomas vor sich her brummte, konnte der gute Hansen nicht mehr verstehen.  Das UKW–Gerät begann unüberhörbar zu quaken und kündigte den Lotsen an, der unbedingt beabsichtigte, die Steuerbordseite des Schiffes zu erklimmen.

Aber zunächst ging das Lotsenversetzboot bei diesem Schrotthaufen längsseits, und der Lotse mit seiner umgehängten Aktentasche kletterte die Jakobsleiter hoch.  Dann nahm das Boot Kurs auf ihr Schiff.  Es war unverkennbar, dass auf diesem schwimmenden Wrack, mit der niegelnagelneuen Flagge eines schönen Sonnenstaates nun versucht wurde, der Maschine Leben einzuhauchen.  Doch außer ein paar kräftigen dicken und schwarzen Qualmwolken, die der Schornstein hervorstieß, schien das Vorhaben keine Aussicht auf Erfolg zu haben.

Der Lotse, der zwischenzeitlich auf der Brücke erschienen war, gab Hansen und Tomas die Hand und ließ sich kurz über die Eigenarten und das Verhalten ihres Schiffes informieren.  Dann sprach er kurz mit seinen Kollegen über Funk und schüttelte den Kopf.

„Also, wir gehen als Nr. 1 in die neue Nordkammer, Mittelmauer.  Dieser Never-come-back-Liner da drüben sollte eigentlich zuerst rein, aber das hat sich erledigt.  Ohne Schlepper kommt der weder in den Kanal, noch durch!  Das Ding ist nur noch was für den Hochofen, aber nichts mehr für ’ne Reise nach Recife.  Irgendwer muss so etwas endlich mal einen Riegel vorschieben!“

Tomas, Hansen und der Lotse schauten sich an, und jeder dachte dasselbe: ‚Die armen Schweine da an Bord!’  Demnächst würde bei Lloyds in London wieder die Glocke ihren traurigen Klang ertönen lassen, man wird eine Gedenkminute einlegen und ein Schiff aus dem Internationalen Register streichen.  Irgendwo werden Mütter, Frauen und Kinder um ihre Angehörigen weinen, und irgendwo wird sich irgendwer eine gute, teure Zigarre anstecken, ein Glas des besten Whiskys oder Weines einschenken, sich in seinen dicken, schweren Ledersessel zurücklehnen und sich über den finanziellen Gewinn freuen.  Die nächste dieser Reisen ist bereits geplant und arme, abgebrannte Seeleute aller Nationen gibt es genug!

Tomas legte den Fahrhebel auf Anlassen.  Siebenundzwanzig ATÜ Pressluft jagten durch die Maschine, die daraufhin ihren Schlaf mit lautem Fauchen beendete.  Langsam wurde die Ankerkette gehievt und dabei genau auf die Zeichen und Mitteilungen von der Back geachtet.  Einerseits sollte der Anker beim Ausbrechen aus dem Grund unterstützt werden, andererseits musste darauf geachtet werden, dass man sich nicht zu sehr über die Kette fuhr.  Dann kam die Mitteilung vom Backdeck: „Anker frei, Kette steht auf und nieder!“, und nach ein paar Minuten verkündete das kurze, aber rasche Leuten der Schiffsglocke das der Anker vorgehievt war.

Als wenn die Lichtzeichenanlage auf der Schleuseninsel nur darauf gewartet hätte, wechselte ihr gelb-weiß-rotes Blinklicht in nunmehr weiß-grün-weiß blinkend und gab ihnen die Einfahrt in die Schleuse und das Festmachen an der Mittelmauer frei.  Das Schiff schob sich langsam in die Schleusenkammer, die Wurfleinen mit den eisenharten Affenfäusten daran, flogen der Schleusencrew entgegen, und diese lief langsam, die Festmacherleinen überholend, neben dem Schiff her.

Da man ja ganz voraus, bis zum kanalseitigem Schleusentor musste, würde es eine ganze Weile dauern, bis die anderen Schiffe ebenfalls in der Kammer waren.  Die Leute freuten sich schon darauf, endlich den kleinen Kiosk stürmen zu können und sich mit all dem zu versorgen, was sie zu vermissen meinten.  Natürlich standen hier besonders die Nachrichten aus St. Pauli und auch die Pralinen hoch im Kurs.  Und wer tatsächlich beabsichtigte, etwas für seine Bildung zu tun und über das Weltgeschehen einen ehrlichen und objektiven Überblick erhalten wollte, der kaufte sich das Ding mit Bild.

Nachdem das Schiff vertäut war, die Gangway den Weg an Bord freigab, kamen die wichtigen Herren in Uniform und mit Aktentasche natürlich zuerst an Bord.  War doch fast überall auf der Welt die gleiche Prozedur.  Nur die Uniformen, die Formalitäten und manchmal auch die Dollars oder deren Anzahl unterschieden sich.  Aber glücklicherweise nicht überall!

Als schließlich der Kanallotse an Bord kam, war dem die Verwunderung deutlich anzumerken.  Er nahm seine Mütze ab, kratzte sich am Kopf, sah sich um, wiegte sein Oberhaupt und setzte sich die Mütze wieder auf.  Unverkennbar erhellte nun ein Lächeln sein Gesicht.  In dem Augenblick, als er Hans Hansen erblickte, schlug seine Freude riesige Wellen.

„Mensch Hans, wo hast du dich denn rumgedrückt?  Ich dachte schon, dich gibt’s nicht mehr!“, rief der alte Lotse hoch erfreut, und es schien, als wollte er Hansens Hand bis nach Rendsburg schütteln.

„Mir kam doch das Schiff gleich so bekannt vor.  Nur mit dem Namen ‚MONA’ konnte ich nichts anfangen.  Kannte auch keiner der Kollegen.“

„Tja, mein lieber Heinz, ich lebe noch, und wie du siehst, bin ich putzmunter.  Das Schiff hab ich an den hier verkauft“, wobei Hansen auf Tomas zeigte.  „Wir beide machen jetzt die wärmeren Gefilde unsicher.  War nur mal ein kurzer Abstecher nach hier oben.  Wenn wir gelöscht haben, machen wir noch schnell Klasse neu und dann wieder ab, dahin wo die Palmen wachsen.  Hier wird’s ja sowieso bald Herbst und damit ungemütlich.  Übrigens musst du meinen Nachfolger auch noch kennen.  War ja mein ehemaliger Matrose und jahrelang an Bord.  Tja Heinz, kannst mal sehen, wie sich die Zeiten ändern: Früher mein Matrose, jetzt ich sein Steuermann“, sagte Hans Hansen grinsend und erlangte endlich wieder eigene Gewalt über seine Hand.

 „Ach ja darum.  Das Gesicht kam mir doch gleich so bekannt vor.“ 

Der Lotse wollte sich nun der Hand von Tomas bemächtigen.  Doch der stand bereits halb auf dem Gang und sagte nur knapp: „Ich muss noch schnell was mit dem Meister besprechen“ und verschwand flugs.

Die Kanalfahrt bis Rendsburg ging glatt durch.  Alle Weichensignale zeigten ihnen ein wohlwollendes Grün.  Nur das gegenseitige Mitteilungsbedürfnis von Hansen und dem Lotsen ging Tomas gewaltig auf die Nerven.  Nachdem der wachgehende Matrose, der als Stand-by-Rudergänger nutzlos in der Ecke stand, zum dritten mal das Bedürfnis zum Toilettengang äußerte, verstand Tomas endlich dessen eigentliches Ansinnen und schickte ihn in die Messe.  Am liebsten wäre er mitgegangen!

Es dämmerte bereits, als an der Pier des Schiffshändlers Röschmann die fast tausend Pferdchen im Maschinenraum zur Nachtruhe geschickt wurden.  Nur der Hafenjockel im Kabelgatt tuckerte noch leise vor sich hin.  Für heute war Daddelduo!  Nichts konnte mehr erledigt werden.  Bunkern, Proviantübernahme und die sonstigen bestellten Sachen an Bord nehmen konnte man auch morgen noch.  Schließlich war es finanziell günstiger hier zu liegen, als Überstunden und Zuschläge zu bezahlen.  Und die Fracht?  Erstens lagen sie mehr als nur gut in der Zeit und zweitens hätte man auf der Elbe sowieso vor Wind auf Reede gehen müssen.  Also besser hier in Ruhe liegen und alles erledigen können.  Das Herumgeeier auf der Nordsee kommt noch früh genug!

Da man eine Nacht in Rendsburg verbringen würde, löste dies eine magische Anziehungskraft auf die Tür des Kapitänsalons aus.  Alle Nase lang klopfte einer der Leute an, hielt einen beschrifteten Zettel vor sich hin und bat um Vorschuss.  Da der Koch bereits tief in den Miesen fuhr und auf seiner Heuerabrechnung das Minuszeichen Dauergast war, verweigerte ihm Tomas einen weiteren Vorschuss.  Da half auch kein Überredungsversuch und keine Drohung: Es gab keinen weiteren Schuss!

* * *

Es ist schon ein eigenartiges Phänomen: Überall auf der Welt zieht das Nachtleben der Hafenstädte die meisten Seeleute magisch an.  Und überall stehen plötzlich wie aus heiterem Himmel Taxis in der Nähe.  Man braucht nur noch einzusteigen.  Die große Ausnahme davon waren die Staaten des Ostblocks und noch ein paar Länder, in denen man besser nicht den Verlockungen der Nacht erlag.  Und siehe da, mit einem Mal kannte Hein Seemann sogar den Seaman’s Club, haute sich nicht nur die Birne voll und ließ seine Heuer bei den Nutten.  Nein, er war ein so ganz friedlicher und netter Zeitgenosse.  Er konnte angeregte Gespräche führen und war sogar für noch mehr offen.

* * *

Der nächste Tag schickte die netten Vorboten des Wettergeschehens bereits bis zu ihnen nach Rendsburg.  Glücklicherweise waren alle Leute wieder an Bord und einsatzbereit.  Hansen erledigte Telefonate, und Tomas überwachte das Bunkern und die Übernahme des georderten Gutes.  Dann wurden noch zusätzliche Persenninge über die Deckladung gezogen, Manntaue und ein paar mehr Laschings als normal gespannt.  Was den Faktor Sicherheit betraf, war Tomas absolut kompromisslos!  Das hatte er vom alten Hansen so gelernt, und es war für ihn zur Selbstverständlichkeit geworden.  Und die See ist ebenfalls kompromisslos: Sie verzeiht keine Fehler und Nachlässigkeit!

Nachdem alles erledigt war und man sich wieder auf Kanalfahrt befand, schien ihnen auch diesmal das Glück hold gesonnen zu sein.  Nur einmal gab es in einer Weiche einen Stopper, und sie mussten an den Dalben eine Ruhepause einlegen.  Ja, selbst Petrus schien ein Einsehen zu haben und ließ über Norddeich verkünden, dass er das Tief ganz schnell weiter schicken würde und der Sturm sich in einen mäßigen Wind verwandeln sollte.

„Na, dann hoffen wir mal, dass die Wetterfrösche Recht behalten.  Mal sehen, was Elke Weber dazu meint“, sagte Tomas misstrauisch, als sie sich in das Fahrwasser und den seewärts gehenden Verkehr der Elbe einfädelten.

„Erstens heißt der Laden Elbe–Weser–Radio, merk dir das endlich, und zweitens können die auch nichts anderes als DAN sagen.  Kommt doch alles aus ein und derselben Schmiede“, antwortete Hansen und legte den Fahrhebel auf  ‚Voll Voraus’.  Doch man merkte es bereits hier: Draußen war nicht grad ein Ententeich zu erwarten.  Ihr Schiff begann beachtlich zu stampfen.  Der Lotsendampfer lag zwar noch auf Innenposition, aber sonst waren auf Reede nur noch einige kleine Hämorridenschaukeln zu sehen.  Alle anderen waren bereits wieder unterwegs.

Nachdem „ELBE 1“ passiert und achteraus war, gingen sie auf westlichen Kurs und bekamen die lange schwere Dünung mehr auf Steuerbordbug.  Die Fahrt musste reduziert werden!  Zu schwer waren die Brecher, die sie sich einfingen, und zu viel grüne See kam an Deck und in das gestapelte Holz.  Aber eines war unverkennbar: Der Wind nahm stetig ab, und die Dünung wurde zusehends flacher.

Die Lichtfinger der Leuchtfeuer auf den Ostfriesischen Inseln schickten ihre Strahlen in das Dunkel, und zwischen den rasant ziehenden Wolken funkelten immer mehr Sterne hervor.  Überall blinzelten die Positionslichter anderer Schiffe durch die Nacht, und so manche Toplichter vollführten einen wilden Tanz.  In der aufgehenden Sonne des nächsten Tages passierten sie mit gebührendem Abstand das gefährliche Riff einer Insel und nahmen Kurs auf den Lotsendampfer.  Dieser wartete in der Nähe der Ansteuerungstonne und übergab ihnen einen revierkundigen Führer...

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