Band 37 - Frequenzwechsel

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Leseprobe aus Band 37 der maritimen gelben Buchreihe „Seemannsschicksale“

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Als Funker welteit unterwegs

Hans Patschke erzählt sein Leben auf See

Maritime books in German language

Livros marítimos em idioma alemão

 

Lebenserinnerungen des Funkers Hans Patschke

Schiffsfunker Hans Patschke:

* 29.11.1906 in Tilsit - † 2002 - Hans Patschke wurde 95 Jahre alt.

Hans Patschke erzählt in diesem Band meisterhaft aus seinem Leben im bewegten 20. Jahrhundert.  Kindheit in der Kaiserzeit und während des ersten Weltkrieges in Tilsit, Jugend unter den Vorzeichen von Weimar und Weltwirtschaftskrise, NS-Zeit und 2. Weltkrieg, mühevoller Neuaufbau nach totalem Zusammenbruch, das waren für ihn einschneidende Frequenzwechsel.  Er befuhr von 1926 an, zunächst vor dem Mast, ab 1936 als Schiffsfunker auf Bergungsschleppern bei Bugsier und ab 1953  bis 1971 auf Frachtschiffen in der Linienfahrt weltweit die Ozeane.  Hans Patschke schreibt und reflektiert hintergründig über ein Leben in schweren und schönen Tagen.  Die Seefahrt war seine Leidenschaft von Jugend an und blieb es bis in sein hohes Alter hinein.

Inhalt:    

Prolog                                                                                                         

Herkunft, Kindheit, Jugend - im Kaiserreich, ab 1006                   

Schulzeit, 1. Weltkrieg                                                                        

Weimarer Republik – bis 1926                          

Ammoniter-Jungmannen-Bund                   

Abitur  - 1926                                                                     

Ich will zur See – 1926                                                         

Erste Schiffsplanken auf Finkenwerder Fischkutter – 1926      

Der erste Dampfer unter britischer Flagge - „GABOON"             

Leichtmatrose (OS) auf SS POLZELLA" alias „ESSEX COUNTY

Vor dem Mast unter deutscher Flagge –– 1928 - 1930      

MARGOT"                                                                                 

AUGUST SCHULZE"                                                       

AUGUST LEONHARDT"                                                    

Lange Arbeitslosigkeit von 1930 bis 1935                                 

1935 - Endlich wieder zur See - „ANNI HUGO STINNES 6"       

Funkpatent - 1936                                                                   

Funker bei Bugsier in Hamburg – 1937                           

Bordfunker auf Bergungsdampfer „TITAN"                              

Bergungsdampfer „ALBATROS"                                           

Stationen auf Borkum, Horta/Azoren-Insel Fayal             

Bergungsschlepper „MÖWE" – 1938                                 

1939 – Beginn des 2. Weltkrieges                         

Gdynia                                                                                

Einsatz in der westlichen Nordsee - Kiel                              

Kriegseinsatz im hohen Norden – ab 1941                    

Bis alles in Scherben fällt: 1945                                     

Die ersten Nachkriegsjahre 1945 – 1949                        

Auf zu neuen Ufern – 1952                                               

Bergungsschlepper „SEEFALKE"                                    

Motor-Frachtschiff „WESTSEE" – 1953 - Persergolf                

MS „FRIEDENAU" Karibik - 1954                                           

MS „GEESTEMÜNDE" – 1956 – Südamerika Westküste         

MS „EILENAU" – GEESTEMÜNDE – CUXHAVEN"                 

Nordamerika Westküste – ab 1960                                          

MS „NEUHARLINGERSIEL" - 1961                                          

Fahrt nach China                                                                              

Von China über den Pazifik nach Kanada und zurück                  

Mit Reis aus China westwärts nach Cuba                                      

Richtung Antwerpen                                                                   

Auf GEESTEMÜNDE nach Nordamerika Westküste - 1962       

MS „OSTFRIESLAND" – Brasilien - 1962                               

MS „HANNOVERLAND" - 1966  Erdumrundung via "NordWest", Japan, Hongkong

Auf HANNOVERLAND nach Südafrika und weiter nach Fernost

insgesamt 305 Seiten

Hans Patschke schildert zunächst seine Kindheit im deutschen Kaiserreich in Tilsit / Ostpreußen und seine Jugend während der Weimarer Republik. Seine Kommentare zur erlebten Zeitgeschichte sind geistreich und vermitteln die jeweilige Stimmung der jeweiligen Zeitepoche.

Leseproben:

 

Erste Schiffsplanken auf Finkenwerder Fischkutter - 1926

Kurz nach dieser Hamburg-Heimkehr trat im Übrigen bei meiner Schiffsjob-Suche eine unerwartete Wendung ein. In Finkenwerder hatten mich heim Warten auf das Fährschiff nach Hamburg die zahlreich im Hafen liegenden Kutter und Ewer auf die Idee gebracht, dass diese ja auch seegehend seien. Ich schrieb also einen Brief an die Fischer-Heuerstelle in Finkenwerder mit Darlegung meiner Begeisterung für das Maritime. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten, sie forderte mich zum Vorsprechen auf. Das geschah postwendend, und ich musterte mit Dienstantritt am 23.8.1926 als Viertsmann oder Junge auf Fischkutter HF 49 “FAREWELL“, Schiffer Hannes Barghusen, an. Entgelt: 2 % Anteil vom Erlös jeder Schiffsreise bzw. Fangreise. Ein Fischkutter ist nicht gerade ein Idealfahrzeug, sieht von weitem besser als von nah aus, aber mir war die Hauptsache, endlich das Nichtstun und Warten beendet zu haben und nun mit dem Besitz eines Seefahrtbuches der großen Schar der Seefahrer anzugehören. Ob meine beruflichen Erwartungen damit erfüllt wurden, war vorerst zweitrangig. Begleitet von frommen Wünschen meiner Logisleute und selber willens, mich nach besten Kräften und Elan für alles Neue einzusetzen, bestieg ich am Morgen des 23.8., Sack und Pack in der Hand demzufolge das Fährschiff nach Finkenwerder. Es war ein herrlicher Sommermorgen, bei Blohm und Voss lagen den Brücken gegenüber just drei Grossegler der Firma Laeisz in Reparatur, einer im Schwimmdock (die „PEKING“), die beiden anderen längsseit Dock und Kai. Dieser auch damals schon überaus seltene Anblick schien mir für meinen Beginn in der Christlichen Seefahrt ein gutes Omen zu sein. Ja, dann war ich auf der FAREWELL, wo Bestmann und Leichtmatrose während der Hafenliegezeit des Kutters Instandsetzungsarbeiten verrichteten und im Verlauf meines ersten Diensttages Öl, Proviant und Wasser übernommen wurden. Ablegen zur Ausfahrt sollten wir allerdings erst „übermorgen in der Frühe“ mit ablaufendem Wasser. Hannes, der Schipper, kam erst nach meinem Eintreffen auf seinen „Kreuzer“ und nahm mich mittags zum Essen zu sich nach Hause. Bei Barghusens sollte ich überhaupt bei Hafenliegezeit die Mahlzeiten einnehmen, denn an Bord selbst gekocht wurde nur unterwegs, und das Kochen sollte ein Teil meiner zukünftigen Arbeit sein. Das waren wirklich feine Aussichten bei meinen schwachen Kochkünsten! Die FAREWELL war ein hölzener Kutter, etwa 12 - 15 m lang, Zweimaster und hatte noch kein schützendes Ruderhaus. Sie wurde mit Pinne gesteuert und hatte innen einen Glühkopfmotor von 25 PS Leistung. Die Unterkunft war für 4 Mann Besatzung gedacht und relativ klein, die Schlafkojen waren, mit Türen verschließbar, an den Wänden eingebaut, je eine für Schiffer und Bestmann, eine dritte, unterteilte für die beiden Junggrade, vor den Kojen entlang Sitzbänke. Außerdem standen im engen Raum ein fester Tisch und der Herd. Der Niedergang von Deck führte in einen kleinen Vorraum, in dessen Wänden Schränke oder Spinde für Proviant, Ölzeug und anderen Kram installiert waren. Der Niedergang zu den Wohnräumen lag vor dem Fockmast (Hauptmast), zwischen Fockmast und Besanmast war das „Binn“, der Frachtraum für die Aufnahme von Lebendfischen, und Eislast nebst Lagerraum für auf See geschlachtete Fische. Hinterm Besanmast befand sich das wenig gegen Seegang und Niederschlag geschützte so genannte „Nachthaus“ (ein einfacher Stand) mit Kompass und Bedienungselementen für den Antriebsmotor unter dem Achterdeck. Ganz vorn und ganz hinten waren enge, durch Luken erreichbare Lasträume für alle möglichen Dinge, vorn z. B. der Kettenkasten für die Ankerkette. Der Anker selbst wurde per Hand mit Hilfe eines Davits aufgeheißt und dann über Bord geworfen, mit einem Gangspill zum anderen wieder aufgehievt. Das per Hand ausgesetzte Netz wurde per Motorwinde (vor dem Besanmast) eingeholt. Alles auf dem Kutter war jedenfalls sehr primitiv nach heutigen Begriffen (und spielte sich auf engstem Raum ab), im Übrigen aber für einen Seefahrts-Neuling zumindest eine Kulisse, die die Seefahrtbegeisterung vorerst sehr dämpfen konnte. Aber wo Menschen einen großen Teil ihres Arbeitslebens verbringen müssen und es mit der Zeit routinemäßig bestens schaffen, da gewöhnt sich auch ein Neuling rasch an die Gegebenheiten, vorausgesetzt dass er dazu willens ist. Bei mir bedurfte es nur einer 10-Tage-Reise, um mich auf diesem „Sampan“ (chinesisches Wohnboot) zu Hause zu fühlen, was allerdings nicht heißt, dass ich die unterteilte obere Jungmann-Koje, in die ich nur unter allen möglichen Verrenkungen in die Horizontale kam, irgendwie schön finden konnte. Normalerweise pflegt die Koje des Seemanns liebstes Kind an Bord zu sein, weil Schlafen im Dasein eines Fahrensmannes nachgerade eine ewige Mangelware ist und mutmaßlich der vielfältigen Wachsysteme wegen das auch in Zukunft immer bleiben wird. Was die Bordgenossen auf FAREWELL anbetraf, so blieben sie mir als echte „Finkwarder“ in der kurzen Zeit meines Wirkens auf diesem Kahn irgendwie Fremde. Ist ein Einleben in eine völlig fremde Umgebung an sich schon nicht einfach, so ist das Suchen und Finden von menschlich-inneren Kontakten auf die Schnelle ein besonders schwieriges Kapitel. Die Verschiedenheit von Herkunft, traditioneller Denkungsart und Bildungsniveau schuf vorerst eine unübersteigbare Mauer zwischen meinen Schicksalsgefährten und mir. Wir konnten also nur das Sichtbare am lieben Nächsten werten, dessen Haltung äußerlich und erkennbare Arbeitsleistung. Meine Kontaktbemühtheit und Arbeitsbereitschaft wurden bestimmt erkannt und anerkannt, geschätzt wurde auch meine ihrerseits unerwartete Einsatzfähigkeit als Rudergänger (Pinnen-Steuerer) während der nächtlichen etwa zweistündigen Kurs- (Fischfang-) Stunden, die ich dann ganz allein das mit langsamer Motorfahrt laufende und gleichzeitig unter Segeldruck am Wind liegende Schiff steuerte. Aber allgemein war ich eben keineswegs eine vollwertige Arbeitskraft, hatte noch keine Routine beim Einholen und Verarbeiten des Fangs und benahm mich beim Kochen wie einer, der ein Kreuzworträtsel mit nie gekannten Begriffen lösen soll. Mit meinen Klüten konnte man anfänglich entweder Wände durchlöchern oder Ritzen kalfatern, Rinder- oder Schweinebraten wurden entweder Schuhsohlen oder liefen, schwarz und unansehnlich, „zum Schlachter zurück“. Beim Kochen oder Braten war eben einige Übung notwendig, sintemal beim Fang-Einholen - allgemein mindestens 30 Minuten lang - Pötte und Pannen vom heißen Herdfeuer herunter und irgendwie rutsch- oder kippfest abgestellt werden mussten. Allein schon das Anmachen des Herdfeuers morgens war eine Wissenschaft für sich, sintemal Holz und Kohlen immer klamm und feucht waren, hernach machten ewiges Rollen oder Stampfen des Kutters in meist kabbeliger See allen Kochkünsten eines Novizen den Garaus. Ein wahres Glück war es, bzw. setzte es meine Kollegen in massives Erstaunen, dass ich ungeahnt immun gegen Seekrankheit war - und bis heute geblieben bin - was meinem Kameraden Leichtmatrosen, dem für die Seefahrt prädestinierten Finkwarder Jung, auch nach vielen Seefahrt-Monaten vom Schicksal nicht beschieden war, zumindest ab Windstärke sechs plagte den sonst kleinen Prahler und Angeber der jammervolle Zustand des Nichtleben-Nichtsterben-Könnens. Wahrscheinlich hat mich das viele Gurgeln mit Alkohol Seefest gemacht, was weiß ich. Ein wirkliches Trauerspiel auf HF 49 war die Toilettenfrage. Fielen Baden oder ein gründliches Sichwaschen während des Seeturns wegen Süßwasserersparnis bedauerlicherweise schon flach, so war die lebensnotwendige tägliche „Thronbesteigung“ eine echte Katastrophe Bei wenig Seegang konnte man das verlängerte Rückrat in Lee über die niedrige Reling hängen lassen, schaukelte aber der Kahn, so musste man eine mobile Tonne mit darüber gelegter Sitzplanke als Örtchen benutzen mit nachfolgender Seewasserspülung per Pütz (Eimer) hinterher. Nein, eine solche Seefahrt ist keineswegs so lustig, wie sie sie artfremde Texter von Seemannsliedern zu beschreiben pflegen. Nun, by and by wird alle geschilderte Misere reine Gewohnheitssache und kann dann gar im Endeffekt einen Seemann oder den, der ein solcher einmal unbedingt werden will, kaum noch ernstlich erschüttern, nichtsdestotrotz packt mich darob heute noch das Grausen, wie lustig dürften dero Dinge dann erst in der guten, alten, romantischen Zeit gewesen sein! Was meinen Schiffer und Beetmann anging, so waren beide zweifellos tüchtige Vertreter ihres Berufs, auch wenn es, das unter Beweis zu stellen, während meiner kurzen Fahrzeit auf dem Kutter keine rechte Gelegenheit gab. Absolut sympathisch in ihrer Art waren sie mir jedoch beide nicht. Hannes Barghusen brauste leicht auf und ließ den Überdruck seiner cholerischen Natur, ob berechtigt oder unberechtigt, am nicht gerade superschlauen Leichtmatrosen in Form von Schlägen ab. Den vor ihm fliehenden jungen Mann versuchte er zum anderen mehrmals in meiner Gegenwart in den Achtersten zu treten. Ich erinnere mich dieses Schauspiels so gut, weil es ein neckisches Bild war, wenn die weit ausgeschwungene Stiefelspitze des Käptens ihr enteilendes ersehntes Ziel um just eine Nuance verfehlte. Otto S., der Bestmann war zwar nicht schlagwillig, als Ausgleich dafür aber ein ewiger Nörgler. Er hatte seinerzeit mal ein eigenes Fahrzeug besessen und dieses glücklos geführt. Nun war er der Kompagnon des wilden Hannes, mit dessen Beschlüssen er wahrscheinlich nicht immer konform ging. Beide hatten ansonsten gute Familienbande, beider erwachsene Söhne - wie konnte es laut Finkenwerder-Tradition anders sein - waren auch Fahrensleute. Aber sei dem, wie ihm wolle, zusammenfassend aus allen vorausgegangenen Schilderungen möchte ich feststellen, dass mir die reine Seefahrt und das handwerkliche seemannschaftliche Tun dabei, wie Konservierungsarbeiten am Schiff, Spleißen und Netzeknüpfen („Knütten“) gut gefiel und Freude machte, aber die mir zugedachten Hauptaufgaben an Bord, das Fischeholen und Kochen, entsprachen nicht meinen Erwartungen. Ich möchte heute annehmen, dass ich mich bei einem längeren Verbleib auf HP 49 wohl auch zu einem leidlich guten Fischermann und Koch gemausert haben würde. Damals ließen die tagsüber stündlich getätigten, nachts alle zwei Stunden erfolgenden Fischhols neben dem gleichzeitigen Braten und Bruzzeln am Herd am Tage und dem ewig notwendigen Lenzen (Auspumpen des in den hölzernen Schiffskörper eingedrungenen Seewassers) per Kräfte zehrender Handarbeit an Ziehpumpen in mir „den Kaffee hochkommen“. Das alles geschah auf einem auch bei leichtem Seegang schon recht artig oder unartig herumdümpelnden „Untersatz“, so seetüchtig an sich dieser auch gewesen mag, bzw. die FAREWELL es war. Als hölzernes Schiff, so schlecht sonst auch bei ihm alles Drum und Dran gewesen sein mag, hat mir dennoch dieser mein braver Erstling HF 49 viel mitgegeben, eben weil er aus gutem Holz gezimmert und also einziger Vertreter dieser Art in meiner späteren Schiffssammlung blieb. Abgesehen davon, dass man auf einem kleinen Wasserfahrzeug der See und ihrer Salzluft darüber greifbar nah ist, spürt man bei einem hölzernen Schiffsrumpf förmlich das Atmen des Meeres durch die Planken hindurch. Bei Stille oder Seegang ächzen nicht nur Masten, Segel und Tauwerk, es hat vielmehr jeder Spant und sein Außenbordbelag darüber eine Sprache, die ihnen das Wasser ringsum aufzwingen will, wenn sich das attackierte Holz wiederum elastisch dem Angriff des Meeres zu erwehren bemüht. Wer einmal auf den Planken eines Holzschiffes stand und dazu selber aus dem Holz geschnitzt ist, Schiffe und die weiten Wasser der Meere zu lieben, der wird der Seefahrt fortan und möglicherweise sein ganzes Leben lang verhaftet bleiben. Solch ähnliches Empfinden habe ich neben der Wahrnehmung des einzigartigen Aromas, das Holz, Segel- und Tauwerk in inniger Liebschaft mit dem Salz des Meeres ausströmen, auf den zahlreichen anderen eisernen Schiffen hinterher niemals gleich stark gehabt. Leider, möchte ich darum fast sagen, währte mein Kutterleben nur drei Reisen lang. Meine zu zarten Finger und Hände nahmen mir die Arbeit mit Drähten und Tauen, Fischflossen und Salzwasser übel, ich musste nach nur 23 Tagen Fischmannszeit mit eitriger Gewebehautentzündung an je einem Finger pro Hand zwecks ärztlicher Behandlung von der FAREWEL wieder abmustern. Beide Finger wurden vom Arzt in Finkenwerder geschnitten, und mit zwei „Polizeifingern“ kann man keinen Borddienst mehr leisten. Nach gründlicher Ausheilung meiner Wunden hatte ich dann allerdings auf dem Kutter wieder einsteigen können, aber danach gelüstete es mich nicht sehr. Im Gegenteil, ich war über diese Möglichkeit des Weggangs aus der Fischerei ganz und gar nicht traurig, denn meiner Meinung nach war dort meine Ausbildung zum Seemann am falschen Gleis, allzu einseitig „fischseitig“. Mein Seemannsbuch schien mir außerdem jetzt eine bessere Chance für eine geeignetere Heuer zu bieten.

Der erste Dampfer unter britischer Flagge

Glauben und Hoffen darauf wurden dann auch tatsächlich nach nur 24 Tagen Krankspielen irgendwie unverhofft belohnt. In meinem Hamburger Quartier bei Vossens wohnte seit Jahren zeitweilig ein Schiffskoch, der nur auf „Engländern“ fuhr und bei der englischen Mannschaftsannahme am Schaarsteinweg als Arbeitsuchender wartete. Der Koch, Herr T. und ich harmonierten miteinander ein wenig, er war auch gebürtiger Ostpreuße. Eines Tages wurden also vom Heuerbaas der Engländer zwei befahrene deckboys mit Kenntnis des Englischen gesucht und momentan nicht gefunden, und da holte mich mein „Nachbar“ ohne Verzug zur genannten Heuerstelle. Man befand mich nach pro forma Austausch von ein paar englischen Brocken als Deckejunge für die „GABOON“ - Reederei, Elder Dempster & Co / Liverpool - geeignet, und ab ging es nach dem britischen Generalkonsulat zur amtlichen Musterung. Dort gab es nach Erledigung der Formalitäten für jeden gemusterten Mann von einem Reederei-Vertreter eine “advance-note“ (Vorschuss-Bescheinigung) in halber Höhe der Heuer des betreffenden als irgendwer angemusterten Seemannes. Bei den Engländern war diese Art Bevorschussung irgendwie gesetzliche Vorschrift. Die Note war ein bedrucktes Stück Papier - Schiffsname, Reederei, Name und Vorname des gemusterten Schiffsmannes, Dienstgrad und Vorschussbetrag - und sozusagen ein zu beleihender Berechtigungsschein des vorzeigenden Seemannes, den der Eigner, bzw. Reeder oder dessen Agent ab drittem Tag nach Verlassen des Schiffes aus dem letzten europäischen Festlandhafen dem Beleiher in bezeichneter Höhe der Vorschusssumme in englischer Währung auszahlte. So weit, so gut, die Sache hatte nur den einen Haken, jemand zu finden, der den Gutschein einzulösen bereit war, bzw. den Angemusterten gut und zuverlässig für die Einwechslung des Vorschussbetrages erachtete. Das war bei vielen oder zumindest manchen der gemusterten Seeleute ein schwieriger Punkt, sie waren als Verschwender zwar überaus beliebt, aber als Garanten für geschäftliche Vereinbarungen z. T. unzuverlässige Partner, daher im schlimmsten Fall für den Einlöser nur dankbare Ausbeutungsobjekte. Verheiratete Seeleute waren gut dran, sie gaben den Vorschussschein den Ihren, andere vertranken ihn unterpari oder lösten ihn mehr schlecht als recht beim „Juden“ (Seemannsausrüster) gegen Ware oder bei leichten Mädchen gegen billige Liebe ein. Das Risiko einer finanziellen Bauchlandung bei diesem Wechselgeschäft konnte unter widrigen Umständen jeden, nur niemals den neuen Arbeitgeber selber treffen. Wer zum anderen noch Geld auf der „hohen Kante“ hatte, der verzichtete besser auf seinen Vorschuss und gab seine „advance note“ nach Einschiffung dem Zahlmeister an Bord zurück. Für englische Schiffe war es im Übrigen damals typisch, dass zumindest für die Mannschaftsdienstgrade Heuerabschlüsse für nur eine Reise - z. B. von Hamburg, bis Hamburg oder bis erstem Europahafen - getätigt wurden. Man musste also beispielsweise in Hamburg bei Rückkehr wieder abmustern und, falls einem das Schiff gefiel, doch vor Antritt der nächsten Reise neu anmustern. Während der Liegezeit seines „Potts“ in Hamburg war man ohne Verdienst, eventuell wochenlang. Die englischen Hauern waren an sich damals höher als die deutschen. Überstunden wurden jedoch beim Engländer nicht bezahlt, man musste sie je nach Maßgabe der Schiffsleitung abbummeln, selten im Hafen, meistens auf See. Der Entgelt „unterm Strich“ war also, im Grunde genommen, um nichts besser als die Entlohnung auf deutschen Schiffen. Im Gegenteil, es gab auf Ausländern eher Nachteile, weil man ohne Entrichtung der deutschen Sozialabgaben natürlich - z. B. im Krankheitsfall - keinen Anspruch auf deutsche Sozialleistungen hatte. Dem Neuling werden solche Unterschiede meistenteils erst dann klar, wenn die Einsicht zu spät kommt. Zum Glück blieben mir derlei Erkenntnisse erspart. - Mein neuer Arbeitgeber war jetzt also die britische Elder Dempeter & Co mit Hauptkontoren in London und Liverpool und einer großen Agentur in Hamburg, eine große und seriöse Reederei, die ihre vielen Schiffe, meist Dampfschiffe, fast ausschließlich in der großen Küstenfahrt nach der Westküste Afrikas beschäftigte. Ihre GABOON, Heimathafen Liverpool, jetzt für wenigstens eine Reise mein „Brotschiff“, war ein handiger Kasten von etwa rund 2.500 BRT, als Stückgutschiff ein so genannter Shelterdecker (durchgehendes Zwischendeck vorn und achtern). Im Vergleich zu HF49 kam mir dieser mein zweiter „Schlitten“ einfach imposant vor, als ob ich eine Hütte verlassen und nun in einem Schloss wohnte - trotz Massenlogis für 12 deckshands. Mein Untersatz gefiel mir auf Anhieb - eine, für ein greenhorn verständliche und verzeihliche Einschätzung. Tatsächlich war GABOON eben ein Abklatsch und Erzeugnis ihrer Zeit und keineswegs luxuriös. An Bord unter dem Kommando von Master Small - er war auch figürlich klein - standen über 30 Mann Besatzung aus mindestens einem halben Dutzend Nationen. Die Maschinen-Mannschaftsgrade, Heizer und Trimmer (Kohlenzieher) waren ausschließlich Schwarze, Neger aus den britischen Kolonien Westafrikas. Dieses Sammelsurium von Nationalitäten gab dem Schiff in meinen Augen das Flair des Exotischen und den besonderen „Duft der weiten Welt“. Als angemusterter Decksjunge war ich zwar nur sozusagen der Geringste der Geringen, ich fühlte mich trotzdem als kleiner König und eben auch dazu berufen und ausersehen, mit diesem „Renner“ (das hielt sich in Grenzen) die ferne fremde Welt zu entdecken und zu erobern. Die angesichts der Schiffsgröße relativ starke Decksmannschaft von 6 Matrosen, 2 Leichtmatrosen, 2 Jungmännern und 2 Decksjungen, dazu Boots und Zimmermann setzte sich bei den „AB‘s“ (Vollgraden) aus älteren, lang befahrenen, in ihrem Fach sehr beschlagenen Leuten zusammen, aus deren Arbeitsweise und seemännischer Tätigkeit ein Neuling praktisch auf Schritt und Tritt etwas lernen konnte. Ich habe daher gleich mit Anbeginn meiner Decksfahrt viel Möglichkeit zum Aufnehmen der damals nötigen seemännischen Handarbeit-Kenntnisse gehabt und auch tatsächlich weitaus mehr auf meinen drei Engländern (es folgten noch zwei weitere gelernt, als das auf meinen deutschen Schiffen - nach späterer Vergleichsmöglichkeit der Fall gewesen wäre. Woran das lag? Wahrscheinlich an den verschiedenen Ansichten über Einsatz und Tätigkeit von Junggraden rein äußerlich, inhaltlich war es zum anderen zweifellos begründet durch die, zumindest derzeit, andere eben gemäß deutscher Mentalität gebildete Meinung über die Arbeitsteilung an Bord je nach Rangunterschied und Würde. Auch auf ausländischen Schiffen kannte und kennt man Klassen und Ränge, aber auf ihnen fehlten deutscher Drill und deutsche Arroganz - eine leider typische Eigenart deutscher Menschen, auch wenn sie sich oft nur in absoluter Besserwisserei kundtat und tut. Auf den Engländern jedenfalls waren tatsächliche Leistung und ohne Augendienerei gezeigter Diensteifer wichtig. Aber sei dem, wie ihm sei, meine ersten knapp drei Monate währende Reise nach der Westküste des mittleren Afrikas nahm also zwei Tage nach meiner Anmusterung ihren Anfang, und auf Aus und Heimreise wurden in ihrem Ablauf insgesamt 22 Häfen angelaufen, davon 15 an der Küste des schwarzen Erdteils selber. Hin ging es via Rotterdarn - Antwerpen - Madeira - Las Palmas, zurück via Las Palmas - Amsterdam - Hamburg. Als GABOON nach Ablegen vom Kai in Hamburg elbabwärts dampfte, durchrieselte mich beim Rückblick auf „meine“ in immer weitere Ferne entschwindende Stadt zum ersten Mal das seltsame Gefühl eines Abschieds mit später oder möglicherweise gar ohne Wiederkehr. Dass es einer von in der Folge unendlich vielen gleichen Abschiedsmomenten war, konnte ich derzeit höchstens ahnen, dass ein solches Valet-Sagen aber ein fester Bestandteil des Seemannseins, ein Teil Seemannslos war, wurde mir jedenfalls in diesem Moment klar und deutlich bewusst. Vielleicht muss bei Verlassen des Heimathafens zum Antritt einer langen Reise jeder Fahrensmann immer wieder so etwas wie seinen „inneren Schweinehund“, die in ihm aufkommenden vagen Zweifel, mehr oder weniger erfolgreich besiegen können, wenn er dem erwählten Beruf, seiner Mission, für viele Jahre die Treue halten soll und will. Ein Abschiednehmen gleich welcher Art ist immer schwer, und mag es auch hinterher meistenteils mit einer glücklichen Wiederkehr enden und im Seemannsleben eben das übliche sein, so fordert es im Verein mit anderen ähnlich gelagerten Gefühlssituationen jedem Fahrensmann mindest eine Portion Selbstzucht, gegebenenfalls auch eine gute Prise von gesundem Fatalismus ab. Wahrscheinlich langten aber meine damaligen ersten Erkenntnisse noch nicht für Philosophistereien solcher Art, und das war sicher gut so. SS GABOON dampfte also elbabwärts und legte sich dann wegen starken NW-Sturms nach Passieren Cuxhavens vor Anker. Dort lagen bereits einige andere Schiffe in Ruhestellung, und alle hofften wohl auf eine baldige Wetterbesserung. Neue Erkenntnis für mich: auch Schiffe vom Format der GABOON sind anscheinend verwundbar oder, was noch schlimmer sein dürfte, mit einem zu ängstlichen Capitano besetzt. Was wusste ich damals schon vom Mordbuben Nordsee, bzw. von den gefährlichen Sänden links und rechts des Fahrwassers der Elbmündung. Das heißt, viel Zeit zum Nachdenken hatte ich nicht, auf einem auslaufenden Schiff gibt es genügend Arbeit, dazwischen die betuliche Bedienung von Boots- und Zimmermann und den Herren Matrosen bei den Mahlzeiten, und die scheuchten derzeit einen „Moses“ recht kräftig durch die Gegend. Immerhin gelangten wir nach langem Abwarten, viel Regen und Sturm schließlich trotzdem erst nach Rotterdam, dann Antwerpen, ohne dass ich der Schiffsleitung eine Weg-Belehrung zu geben brauchte. Die genannten beiden Hafenstädte fand ich im Übrigen sehr schön und sah sie mir auf meinen mehrstündigen abendlichen Spaziergängen auch wirklich gründlich an, eben weil kein „Kleingeld“ für abenteuerliche Exkursionen zur Verfügung hatte. Auch eine erste Erfahrung für später: Allein und mit leeren Taschen unterwegs, du siehst mehr als die Reichen unter deinen Kollegen, die Reichen kommen meist arm heim, die Armen - ausgleichende Gerechtigkeit - kehren reich an Bord zurück, auch wenn der Reichtum nur innere Werte beinhaltet, Erfahrungswerte, die man auf Wunsch weiterreichen kann. Auch späterhin nach reichlicherer Bekanntschaft mit Rotterdam und Antwerpen haben beide großen Handelsmetropolen meine ersten positiven Eindrücke niemals verwischen können, diese eher noch verstärkt. In Antwerpen am letzten Hafenabend bei Rückkehr an Bord - GABOON lag am Scheldekai richtig passend für weite Spaziergänge - fand ich unsere Herren Matrosen in ziemlich aufgeschreckter Stimmung. Sie waren kurz zuvor in trauter Gemeinschaft in einen bereits abgedeckten Laderaum eingestiegen und daraus etliche Ballen feinen englischen Tuches von ihnen entwendet worden. Bei dieser unfeinen Handlung, gedacht für privaten Handel an der afrikanischen Küste, hatte sie der „erste Leutnant“ erwischt, und den Übeltätern drohten nun möglicherweise strenge Strafen wegen Einbruchs und Diebstahls. Die Schiffsleitung entschied schließlich recht gnädig: Der Initiatoren der üblen Angelegenheit, mir persönlich ein höchst unsympathischer Bursche, wurde stante pede gefeuert, die restlichen Beteiligten kamen mit Geldbußen an die Schiffskasse davon. „By Jove“, diesmal war ich nun wirklich, zumindest umstandbedingt, unbeteiligt gewesen, zum anderen lernt man aus solchen Vorfällen, dass das unerlaubte öffnen einer verschalkten Ladeluke ein Einbruch, dass eventuelle Hinterher des Klauens je nach Sachlage ein weiterer Einbruch oder ein Diebstahl ist. Solches Wissen ist wertvoll, auch wenn man es selber niemals praktisch durchexerzieren möchte. Und dann war GABOON endlich auf der Reise nach dem Süden mit anfänglich ruppiger See im Englischen Kanal und Golf von Biskaya. Rasch erfolgte dann der Übergang in Zonen ruhiger See und milden Klimas. Etwa querab auf Höhe Gibraltar der erste unvergessliche Anblick einer riesigen, aus dem Wasser springenden und elegant wieder eintauchenden Delphin-Herde (Fachausdruck: Schule) unter zartblauer, fast wolkenloser Himmelskuppel. Dann Madeira und die Kanaren, Ansteuern von Inseln, die hei Annäherung des Schiffes von Etappe zu Etappe förmlich aus dem Meer aufzutauchen scheinen und von Minute zu Minute greifbarer werden. In den Hafen von Funchal / Madeira und Las Palmas / Gran Canaria liegt der GABOON vor Anker, längsseits Leichter für Ladungsabgabe oder –aufnahme und Händlerboote mit Frucht und billigen Souvenirs für Tauschhandel zwischen Janmaat und „Jude“, ein Geschäft meist ohne Vorteile für den Seemann. Jan Daddel liebt dieses „change for change“ bis auf den heutigen Tag, derzeit ganz besonders, weil es für ja in vielen kleinen Hafen keinen „Bordschuss“ gab, seine Taschen also meist leer waren. Alles in allem jedenfalls auch beim Ankerliegen viel Betrieb und Unterhaltung, für mich, den Neuling, eine stetig rotierende andere Szenerie. Auf Freetown-Reede, dem ersten Westafrika-Port kommt dann eine zusätzliche schwarze crew an Bord, es sind 60 bis 70 leicht bekleidete, schwarze Männer mit einer kargen Reiseausrüstung. Sie verteilen sich an Deck, überall hin in die entferntesten Ecken schleppen sie ihren Kram, richten sich dort häuslich ein. Sie sind nun während der Lösch- und Ladezeit an der Küste diejenigen „welche“ an Bord: Schauerleute, Schiffsverschönerer, Außenbordanstreicher, Messingblänker, Wäscher, außerdienstlich Burschen und Diener für die weißen „Herren“ (vom Matrose aufwärts), Kaffeeträger und, und, und - Immerhin bleibt für die weiße crew auch noch genügend Arbeit nach, zur Hauptsache seemännischer Umgang mit Tauwerk, Drähten, Booten und deren Überholung. Außer drei Quartermeistern (Steurer) ist jede „deckshand“ während der Küstenfahrt Tagelöhner. So geht das je nach Ladungsanfall in den zahlreich unten angesteuerten Häfen vier bis sechs Wochen lang bis Freetown (Sierra Leone) auf Heimreise, wo die „crewboys“ (richtiger: cru-boys – Männer vom Stamm der Cru) die GABOON wieder verlassen. Letztere sind der weißen Decksmannschaft wegen der Tropenhitze eine wertvolle, Kräfte schonende Hilfe. Im Gegensatz zu späteren Jahren ist für die weißen Besatzungsmitglieder in den Tropen ein Herumlaufen an Deck mit bloßem Oberkörper verboten, obligatorisch muss zum anderen an Deck während der Tagesstunden ein von der Reederei verpasster Tropenhelm getragen werden. Wer ohne „toppy“ während der hellen Tageszeit angetroffen wird, zahlt eine Geldstrafe an die Bordkasse, in Wiederholungsfällen jeweils die doppelte Summe des vorangegangenen Betrags. Kurz vor dem Mittagessen versammelt sich zum anderen die gesamte weiße crew mittschiffs an Deck, wo jeder Mann ein Schnapsglas voll Chininwassers (in Wasser bereits aufgelöste Chinin-Tabletten) und dahinter zum Nachspülen des bitteren Chinin ein halbes Wasserglas voll Rum zum Austrinken vor den Augen der Obrigkeit erhalt. Da mancher den Rum nicht trinken mochte, waren ihm andere trinkfeste Kameraden gern dabei behilflich, zumal sonst damals auf englischen Schiffen für die gewöhnlichen Dienstgrade der Besitz von Alkoholika strikt verboten war. In der Kantine gab es nur allgemein Tabakwaren und für Vollgrade geringe Mengen Flaschenbier. Irgendwelche Limonaden-Erfrischungsgetränke führte die Kantine nicht, stattdessen bekam jede Messegemeinschaft kostenlos zum Wochenproviant eine Liter-Buddel „lime juice“ (Limonen-Syrup), welcher Wortbegriff derzeit im Seemannsjargon für jedes britische Schiff und jeden englischen Seemann schlechtweg als Identifikation Gültigkeit hatte. Dem „lime juice“ sagt man zum anderen gewisse, die menschliche Gesundheit schädigende Auswirkungen bei längerer anhaltender Verwendung als Limonaden-Verdünnungsmittel nach, z. B. nachlassende Manneskraft bis zu geschlechtlicher Impotenz. Die englischen Seemannsgesetze und ausgestellten Proviantrollen waren, derzeit wenigstens, alles in allem wie jedes Ding im britischen Empire althergebracht konservativ und teilweise ausgefallen und streng. Sie waren abgeleitet aus dem traditionell gepflegten Brauchtum und aus gerecht empfundenen Dienstvorschriften der englischen Kriegsmarine etwa seit Nelsons Zeiten oder noch früheren Epochen. Rückblickend auf meine englische Seefahrerzeit möchte ich sagen, es war vieles auf meinen englischen Schiffen mit mehrhundertjährigem Staub bedeckt, die Bordgepflogenheiten und Ansichten hinsichtlich Disziplin und Moral waren im Übrigen einerseits altväterlich, andererseits bei genauem Hinsehen oft reichlich zwielichtig. Aber vorzugsweise unter steter Einhaltung des Althergebrachten und mit ihren selbst gefertigten und selbstgefälligen Tugenden hatten die Briten schließlich ein Weltreich mit Hunderten von Millionen Kolonial-Untertanen erworben, sie mussten demnach an sich als die begnadeten Vertreter eines Herrenvolkes glauben und in der Kontinuität ihres Tuns und Lassens die beste Garantie für ihren Fortbestand als Volk und den ihres Weltreiches sehen. Dennoch bin ich auf meinen vier englischen Schiffen mit durchweg reinen Engländern als Bordoffizieren keiner Überheblichkeit der „Machthaber“ begegnet, genau so wenig bei meinen späteren vielen Kontakten mit Briten in ihrem Heimatland selber. Die Behandlung von uns Ausländern an Bord incl. der schwarzen Maschinenbesatzung war gerecht, objektiv und unparteiisch, vorausgesetzt natürlich, dass man selber guten Willens war. Ich wuchs jedenfalls rasch und mühelos in die Bordgemeinschaft hinein und fühlte mich auf GABOON uneingeschränkt wohl. Trotz Tropenhitze und viel vergossenen Schweißes konnte mir jede Arbeit recht sein, auch zusätzlich freiwillige Tätigkeiten wie Erlernen des Schiff-Steuerns und guter Handfertigkeit in „Knoten und Spleißen“. Vorgesetzte und Matrosen unterstützten dabei, soweit angängig, meinen Lerneifer. Wie nützlich sich das für das Schiff und mich selber auswirkte, das zeigte die Heimreise, als die halbe Decksmannschaft nach Verlassen der westafrikanischen Küste trotz aller vorsorglichen Chinin-Einnahme mehr oder weniger schwer an Malaria erkrankte, bzw. mein Einsatz als Wachgänger und Steurer ein Gebot der Stunde wurde. Wir konnten mit den wenigen gesunden Männern die auf Engländern übliche Zweiwachen-Einteilung sonst anders nicht einhalten, es sei denn, dass die wachhabenden „mates“ selber ihr Schiff steuerten. Solches tun britische „gentlemen“ aber nur im äußersten Notfall, also ließ die Schiffsleitung mich Decksjungen laut Gesetz international nicht statthaft - in dieser Notsituation Wache mitgehen mit allen Funktionen eines Wachgängers, Steuern (Rudergehen), Ausguck bei Nacht auf der Back, Brücke oder im Mast(korb) und Flötentörn, was abwechselnd auf die Männer einer Wache verteilt wird. Erschwert wurde die Heimreise durch ein Sauwetter, praktisch ab Afrika-Küste bis zum Englischen Kanal hinauf. Wir hatten einen schon für jene südlichen Breiten einfach unwahrscheinlichen Seegang, stampften und rollten, je weiter GABOON nach Norden kam, wie ein Lämmerschwanz in der kochenden See. Als Rudergänger hat man in solchem Fall Mühe, den Kahn auf Kurs zu halten. Ein größeres oder großes Schiff zu steuern, ist unter normalen Bedingungen problemlos, es wird jedoch zur Gefühlssache bei schwerer See. Irgendwie ist ein Schiff so eine Art Lebewesen mit einer Seele in seinem Stahlleib. Diese Definition ist wahrscheinlich insofern zutreffend, als bauliche Qualität, möglichst maßgerechte Linienführung und maximal günstige Stabilität des Schiffskörpers im Verein mit gut durchdachter Stauung der Fracht für den „Geist“ eines Schiffes auf See ausschlaggebend sind. Speziell bei Stückgutladung mit variabler Stau-Notwendigkeit ändern sich jedoch zwangsläufig und wider alles Kalkül die Eigenschaft und das Verhalten jedes seegehenden Fahrzeuges, also ändert sich auch seine Seele, bzw. die Anpassung des Steurers an dessen „Launen“. Ein Rätsel ist es mir im Übrigen bis heute geblieben, weshalb wir auf meinen insgesamt drei Reisen nach Westküste Afrikas soviel Mannschaftsausfälle à cto Malaria hatten. Ob später die erfolgreiche Bekämpfung der Anopheles (Fiebermücken) diese Malaria-Anfälligkeit zumindest in den tropischen Küstengebieten praktisch gänzlich beseitigt hat, das mag gut möglich sein. Wahrscheinlich haben aber auch bessere Hygiene und Arzneimittel, sowie Schutzimpfungen bei Seefahrern und Landmenschen, ganz abgesehen von der Modernität der heutigen Mannschaftsunterkünfte an Bord, die Geisel Malaria langsam zum Aussterben gebracht. In diesem Zusammenhang noch eine „Untat“ meinerseits auf dieser meiner ersten großen Reise. Unsere Malaria-Erkrankten wurden, wohl vorschriftsmäßig, sehr kurz in Aufnahme von Flüssigkeit gehalten. Der nächtliche Wachgänger-Flötentörn musste u. a. einmal stündlich nach den Kranken schauen, gegebenenfalls bei einer sichtbaren Verschlechterung im Zustand eines Kranken, davon den Bordarzt unterrichten. Die Malaria selbst ist außer hohem Fieberbefalls des Opfers kaum ernstlich gefährlich. Aber etwaige Folgeerscheinungen, Komplikationen können es unter Umständen sein, z. B. das Schwarzwasserfieber mit seinerzeit oft oder meist tödlichem Ausgang dieses Leidens. Kurzum, ein ernstlich an Malaria erkrankter Leichtmatrose bittet mich auf einem meiner nächtlichen Inspektionsgänge um einen kühlen Schluck Wasser. Unwissend um etwaige Folgen und beseelt von kameradschaftlichem Mitgefühl bringe ich ihm das Verbotene. Am kommenden Morgen ist der Mann in bedenklicher Verfassung. Die Nachforschung der hohen Obrigkeit fördert mühelos mein unsinniges Tun zutage. Ich muss zum Kapitän, Mr. Small, um mir eine Riesenzigarre mit anschließender Gewissenswäsche und möglicher Verantwortlichkeit im hoffentlich nicht eintretenden Ernstfall abholen. Gottlob stand der Kranke sein Leiden durch, und ich war wieder einmal um eine Erfahrung reicher. Immerhin auch das wieder ein herrlicher Aspekt für meine Zukunft: Daheim fast ein zartes, wenn auch leichtes Mädchen zertrümmert, zumindest maßgeblich daran beteiligt, nun fast einem Kameraden, wenn auch in Unvernunft, den Weg in den Seemannshimmel geebnet, mein lieber Spitz, so kann es einfach nicht weitergehen. Viele Jahre später soll ich angeblich wiederum einen Mann abgesoffen haben, wenn auch nicht direkt durch Einfüllen von zuviel Flüssigkeit, aber auf meinen Wunsch hin stellte man ihm die Flaschen hin, woraus er sich selber im Übermaß bediente. Ich scheine wirklich nicht unter glücklichen Sternen ins irdische Jammertal gekommen zu sein. Meine Vorgesetzten auf GABOON haben mir im Übrigen diesen schlimmen Vorfall nicht weiter angekreidet, mir vielmehr bei Abmusterung in Hamburg gute Zeugnisnoten ausgestellt. Da mein Sampan kurz vor dem Weihnachtsfest in Hamburg eingetroffen war, fuhr ich für die Festtage zu den Eltern nach Ostpreußen. Diese wohnten jetzt nach dienstlicher Versetzung meines Vaters in Angerburg, einer Kleinstadt mit etwa 8.000 Einwohnern, etwa in der Mitte Ostpreußens gelegen. Angerburg galt im Volksmund als nördliche Eingangspforte zur Landschaft Masuren mit ihren 1.000 Seen diverser Größe, von denen der Mauersee dicht an der Stadt der zweitgrößte war. Angerburg hatte eine landschaftlich schöne Umgebung, war sonst eine wenig reizvolle Klein- und gleichzeitig Kreisstadt mit entsprechendem gesellschaftlichem Gepräge einer solchen. Wer bereits einmal einen Blick in die weite Welt getan hatte, dem konnte genannter Ort kaum imponieren, schon gar nicht jemandem ohne irgendwelche früheren Bindungen an das Städtchen und seine Bewohner. Außer der Freude des Wiedersehens mit den Meinen und gemeinsam verlebter Festtage gab es für mich also nichts, was mich zu einem längeren Verweilen in A. hätte einladen können. Vater und mein ebenfalls in Urlaub daheim weilenden Bruder reichten mich wohl als weit gereisten Mann hier und da bei ihren Bekannten herum, aber mir kamen die Menschen dort unter dem bei mir nachhaltigen Eindruck der größeren, innerlich noch nicht verdauten Welt wie klein karierte Pfahlbürger vor, und die ostpreußische Landschaft schien mir trotz all ihrer Weite in ihrer nun im Winter auf den stillen Betrachter besonders intensiv ausstrahlenden melancholischen Stimmung eng und verlassen. Welche Bedeutung dieses Angerburg nebst Umwelt einmal in Zukunft für mich haben sollte, das wusste ich derzeit natürlich nicht. Mein Vater hätte es im Übrigen gern gesehen, wenn ich nach allen meinen in etwa acht Monaten „draußen“ gesammelten, eher negativen Erfahrungen mein ihm unbegreifliches Fernweh aufgesteckt und beruflich irgendetwas Handfestes in Angriff genommen hätte. Aber was konnte das bei immer höher steigender Arbeitslosenzahl im Deutschen Reich außer einem noch möglichen Studienbeginn denn sein? Alle Beamtenlaufbahnen standen fast einzig und allein den Versorgungsanwärtern von Reichswehr und Polizei offen, die damalige freie Wirtschaft der Weimarer Republik stagnierte, die Zahl der Konkurse in ihrem Bereich nahm rapide zu, die Weltwirtschaftskrise hatte ihre Geburtsstunde oder tat, anders gesagt, den sie einleitenden Paukenschlag. Ergo schnürte ich gegen Ende Januar 1927 erneut mein Bündel ‚ um wieder in die unbestimmbare Weite außerhalb der heimatlichen Grenzen zu ziehen. Das nächste Schiff ließ diesmal wider Erwarten nicht lange auf sich warten, Anfang März musterte ich in Hamburg als Leichtmatrose (OS) auf dem englischen SS „POLZELLA“, einem Trampschiff mit Heimathafen London an. Mit einiger Seefahrterfahrung wäre ich vermutlich von besagtem Pott nach kurzer Visite gleich wieder abgestiegen, aber damals fand ich wahrscheinlich sein verworfenes „Image“ geradezu erregend und eher unbekannte Abenteuer versprechend als ein „Linienreiter“. Tatsächlich war POLZELLSA, im nachhinein gesehen mein erbärmlichster See-Untersatz, hässlich, heruntergewirtschaftet, unhygienisch, verbaut, unkomfortabel sogar nach damaligen humangültigen Gesichtspunkten und Normen, sie bewegte sich außerdem wie eine Laus vorwärts, bzw. ihre Maschine hatte hochgradiges Asthma. Dass ihr Unterleib hernach im einzig angelaufenen Ladehafen Bahia Blanca / Argentinien à cto mehrwöchiger Warte-Ankerzeit mit Bewuchs gänzlich verkrautete, war zweifellos weder ein ihr zusätzlich anzulastender Schönheitsfehler, noch ein angeborenes Gebrechen, aber es ließ wiederum ihren Laufschritt noch kürzer als zuvor werden und ihre Gangart der einer Raupe gleichen. Trotz aller Mängel konnte man dieses Zerrbild von Schiff, vielleicht noch gerade für ein Butterbrot, an einen neuen Eigentümer verkaufen - und die Mannschaft sozusagen gratis dazu -‚ wir gingen jedenfalls unter dem Namen POLZELLA nur von Hamburg nach North Shields, nahmen dort als Ballast Kohlen in Luk 3, 4 und auf Deck und erhielten für unseren Wellenreiter den neuen, stolzen Namen „ESSEX COUNTY“. Aber damit wurde ja der Kahn nicht besser als zuvor, noch weniger und karger vielmehr das, was man allgemein unter dem Begriff der Beköstigung von Seeleuten versteht, und die war an sich schon damals auf Engländern ein Kreuzworträtsel. Im Übrigen fuhren unter der neuen Reedereiflagge bei 32 Köpfen Besatzung Vertreter von 17 Nationen mit einziger Verständigungsmöglichkeit im Englischen, ganz abgesehen von den diversen Nationalitäten der ebenfalls, seit längerer Zeit vermutlich, eingeschifften unzählbaren Ratten. In welchem Kauderwelsch sich letztere untereinander verständigten, kann ich nicht sagen, ich weiß nur, dass diese mehr oder weniger geschätzten Nager an Bord nach Sonnenuntergang überall und nirgendwo präsent waren und das Rattenfangen während der ganzen Folgezeit der Mannschaft liebste Freizeitbeschäftigung blieb. Aber irgendwie lässt es sich ja auch mit Ratten zusammen leben, denn anders hätte ich wohl nicht mehr meine Weisheiten der Nachwelt überliefern können. Wirkliche Angst vor den Ratten hatten wahrscheinlich nur unsere drei Bordkatzen und vielleicht, aber nur vielleicht, der Terrier, ein Produkt aus einer Unzahl von Kreuzungen, den der dänische Bootsmann von seinem letzten Hamburger Landgang mit an Bord brachte in der edlen Absicht, das Selbstbewusstsein der vom Arbeitsstress geplagten Katzen durch den vermutlich zu erwartenden Tatendrang dieses Köters wieder auf Vordermann zu bringen. Immerhin waren wir Mannen der ESSEX COUNTY einsichtig genug, die Überforderung unserer echten Haustiere einerseits anzuerkennen, den Vielbeschäftigten andererseits von uns aus volle Unterstützung mit ausgeklügelten Jagdprogrammen zu geben. Ratten von beachtlicher Größe und in heller Überzahl können durchaus, einmal in die Enge getrieben, ernsthafte Gegner auch für den Menschen sein. Unsere figürlich zierlichen Katzen, wahrscheinlich „made in Italy“, wussten längst, was eine Konfrontation mit den frechen, gewieften Nagern heißt, nachts krochen sie daher lieber unter die Bettdecken der ruhenden sailors - und sahen und hörten nichts. Der Terrier, soweit er diese Bezeichnung überhaupt verdiente, blieb an Deck. Im Laufe der Zeit stank er nämlich wie ein Skunk, und angesichts des üblichen undefinierbaren Miefs in einem Massenlogis verzichtete jeder auf eine weitere Duftkomponente im Raum. Wir in Rauheit geschulten Seemänner waren im Übrigen im Umgang mit den Ratten auch nicht gerade zart. Die in Fallen gefangenen Viecher wurden zur Abschreckung ihrer Artgenossen mit Petroleum übergossen und verbrannt, die Kadaver dann ihren Brüdern und Schwestern zum Begräbnis überantwortet. Das soll angeblich die beste Abwehrmethode sein, sie soll sogar Ratten zum Verlassen ihrer ungastlichen Bleibe veranlassen. Wer da glaubet, wird selig, wir hatten jedenfalls keinen Erfolg damit, nachts liefen die Ratten über uns Schläfer hinweg wie gehabt. Die Reise war sonst wetterlich ungestört. Ich war als einziger Junggrad an Bord, wurde von den Offizieren aber wie die übrigen sechs Decksvollgrade behandelt und eingesetzt. Die in Shields mitgenommenen Kohlen wurden auf Ausreise in mühevoller Kleinarbeit in die Bunker als Nachfüllung verfrachtet, wobei jeder freie Mann incl. Kapitän und Offiziere wacker mithalf. Nach langem Seetörn langte ESSEX COUNTY schließlich mit von Kohle leeren Decks glücklich in Puerto Militaris, dem Vorhafen von Bahia Blanca, an, wo eine Masse anderer Trampschiffe, kaum schöner als wir, auf Reede liegend, auf einen Platz am Getreidekai wartete. Etwa vier Wochen verharrten wir nun just wie die anderen Kähne als Ankerlieger ohne die Möglichkeit eines Landganges. Nur eine Unterbrechung gab ‘s im Einerlei des Wartens, ein Pampero brauste über Land und Hafen hinweg, und ich lernte dabei die Gefährlichkeit eines tropischen Wirbelsturmes kennen, als wir trotz beider ausgebrachten Buganker zu driften anfingen. Zuvor hatte uns beim unfreiwilligen Drehen des Schiffes in den Sturmböen Kamerad Wind drei Törns der Ankerketten beschert. Aber ESSEX COUNTY schien trotz all ihrer sonstigen Verrufenheit wohl ein Glückskind zu sein, denn wir kollidierten beim machtlosen Treiben mit keinem unserer Nachbarn. Die vorsorglich auf langsamen Touren laufende Maschine hatte zwar das mehrmalige Krängeln unserer Arche nicht verhindern können, aber dank ihrer Mithilfe schlidderten wir mehr oder weniger elegant am lieben Nächsten vorbei in die „Freiheit“. Endlich hatte auch das Warten auf einen Pierplatz den verdienten Lohn, wir gingen mit der ESSEX COUNTY zur Beladung mit Getreide unter die Pusterohre eines Getreidesilos - sicher auch zur Freude unser Ratten -‚ und wir sailors konnten nun an drei oder vier Abenden zum Landgang starten. Dieser bot nach meinem Geschmack zwar nicht viel Interessantes, aber man hatte wenigstens die Gelegenheit, sich die Füße zu vertreten. Im Allgemeinen pflegte damals der „leidgeprüfte“ Janmaat schon zufrieden zu sein, wenn er, nicht allzu fern von seinem Schiff, irgendwelche etwas anrüchigen Kneipen oder Bars ausmachte. Solche gibt es gewöhnlich überall da, wo durstige Seeleute aufkreuzen, innerhalb der Hafen-Bannmeile also, die Hülle und Fülle, von der übelsten Bruchbude aufwärts bis zur glitzernden Bar - im großen lateinamerikanischen Raum speziell inclusive hauseigenem Bordell. Nepp oder zumindest saftig überhöhte Preise, gegebenenfalls auch Mord und Totschlag sind u. U. gratis zu beziehen. Um einer eventuellen Eskalation heißer Gemüter vorzubeugen, durchsuchen in Argentinien vielerorts Polizisten oder Angehörige der dortigen Streitkräfte den Gast solcher Puff-Bar auf Waffenbesitz. Auch das kleinste Taschenmesser muss bei der Wache für die Dauer des Lokalbesuches hinterlegt werden. Man soll nun etwaige Bar-Gefahren nicht überbewerten, es passiert normalerweise kaum Schreckliches. Bars und Bordelle sind in allen lateinamerikanischen Staaten in ihrer typischen Art und Form nicht wegzudenkende Institutionen, die, ich möchte sagen, zum Teil gesellschaftliche Funktionen außer ihrer gedachten Aufgabe des Freudespendens mitzuerfüllen haben. Ich werde diese delikaten Dinge an anderer Stelle noch eingehender zu behandeln versuchen, wenn ich mehr in allgemeiner Form Freud und Leid im Seemannsleben ableuchten werde. Weil eben im tristen Puerto Militaris nichts los war oder man zumindest dort auf die Schnelle hin nichts Interessantes finden, bzw. die Zeit zum Hereinfahren nach der Großstadt Bahia Blanca nicht erübrigen konnte, musste man wohl oder übel mit dem zufrieden sein, was irgendeine Art Unterhaltung bot. Ergo widmete Hein Seemann, teils wegen Fehlens anderer besserer Kommunikationsmittel, teils aus Gewohntheit, den Rest des Tages Kneipe und Puff, getreu dem sicher sehr hässlichen Motto: „Zuletzt ging man auch in ein Freudenhaus, denn nur in einem Freudenhaus tob sich der rechte Seemann aus!“ Um solches von vornherein richtig zu stellen, niemand ist bei solchem Besuch verpflichtet, sich an allem Gebotenen aktiv zu beteiligen. Ja zu einigen kühlen Drinks, zum Flirt und Tanzen mit den leichten Mädchen, zum Spendabeisein ihnen gegenüber mit Getränken und Zigaretten, aber - vorzugsweise in einen solchen Treffpunkt von ‘zig Nationen - besser ein striktes Nein zu anderen Verführungen, dann wird auch ein derart verbrachter Abend eine irgendwie wertvolle Erfahrung beinhalten. - Die Beladung der ESSEX COUNTY am Pier ging glücklicherweise rasch vor sich, wir stachen jedenfalls bald wieder mit voll Korn und Zielhafen Hamburg in See, benötigten im Übrigen bis „Hammonia, der Feinen“ einen runden Monat plus einem Tag Reise incl. eines mehrstündigen Bunker-Aufenthaltes in Sao Vincente / Kap Verdische Inseln. Der Kahn ESSEX COUNTY war tief abgeladen und lag wie ein Stein in der See, er entpuppte sich in diesem Zustand zwar als gutes Seeschiff, aber seine Etmale - zurückgelegte Distanz vom Mittag eines Tages bis zum Mittag des nächsten - wurde von Tag zu Tag kümmerlicher. Ich persönlich empfand die reine Seefahrt trotz der vielen gleichbleibenden Verschönerungsarbeit an Bord nach dem unergiebigen langen Hafenliegen ausgesprochen schön und genoss die uferlose Seelandschaft mit all ihren wechselvollen Bildern und Stimmungen in vollen Zügen. Diese Einstellung zum Milieu Meer verblieb mir während meiner ganzen Fahrenszeit, sehr im Gegensatz zu der des Großteils meiner Kameraden zur See. Leider dämpften die nach der Beladung des Schiffes eher noch zahlreicher gewordenen Ratten und die eintönige Kost, Rinderherz heute, morgen und die ganze Woche lang in gleicher Couleur und Zubereitung - wo hatten sie bloß diesen Flickschuster von Koch aufgelesen? - die Freude an Seefahrt und über das stete Näherschleichen an die Heimat. Endlich wieder Hamburg - uns hatte auf der Elbe jeder lumpige Fischkutter überholt -‚ ich ging von Bord ohne Zwang und Reue und ohne den leisesten Wunsch, diesen Rattendampfer jemals wiedersehen zu wollen. Da ich als Leichtmatrose auf gehabter Reise einiges Geld gespart hatte, der Frühling zum anderen in letzter Phase seinen Höhepunkt erreicht hatte, leistete ich mir wieder einen befristeten Besuch bei den Eltern in Angerburg, gleichzeitig verbunden mit einem mehrtägigen Abstecher nach Tilsit. Das Wiedersehen mit den Stätten meiner Kindheit und Jugendzeit war wider alle Erwartung eine Enttäuschung, ich fand meine Geburtsstadt nach nur etlichen Monaten Abwesenheit irgendwie verändert, eng und fremd und hatte schon am zweiten Besuchstag das unbestimmte Gefühl, nicht mehr dorthin zu gehören. Hätte ich damals geahnt, dass dies mein letztes Wiedersehen mit Tilsit überhaupt war, so hätte ich mir wahrscheinlich mehr Zeit genommen, allen Spuren der Vergangenheit nachzugehen. Dafür fehlten mir damals wohl Sinn und Verständnis. Die innerliche Einkehr und stille Auseinandersetzung mit den zwiespältigen Begebenheiten in meiner Wachstumsphase waren mir, möglicherweise durch das in der Zwischenzeit Erlebte zu stark unterdrückt und beschattet, leider verwehrt, der Abstand vom Damals zum Augenblick war nicht groß genug geworden. Hamburg zog mich jedenfalls recht bald wieder als starker Magnet an. Von dort aus ging es in der Folge erst wieder auf der guten, alten GABOON, dann mit der etwas größeren „NEW BRIGHTON“, auch Elder-Dempster-Schiff, für zwei gute Drei-Monatsreisen nach der Westküste des mittleren Afrikas herunter. NEW BRIGHTON war mein letzter Engländer. Hatten wir auf GABOON auf meiner zweiten Reise darauf rund 40 Lösch- und Ladehäfen zu bedienen, so waren es mit NEW BRIGHTON nur etwa 30. Diese Zahlen lassen erkennen, dass auch damals schon angesichts von 70 Häfen innerhalb von 7 Monaten incl. Seereisetagen Zeit Geld bedeutete. Das „hurry up“ in der Linienfahrt ist also durchaus nicht eine Erfindung der höher technisierten Neuzeit, das gab es in der Seefahrt schon lange. Die Linienfahrt konnte oder kann zum anderer von den Schiffseignern nur unter intensivster Ausnutzung eines maximalen Einsatzes ihrer Transportmittel betrieben werden. Voraussetzung für einen solchen gezielten Einsatz eines Tourenschiff es ist natürlich auch ein gut funktionierendes Agentennetz und das Nichtauftreten eines Schiffsstaus in den einzelnen Häfen, der meistenteils in den genannten Entwicklungsländern durch deren mangelhafte Infrastruktur im Zubringerdienst bedingt ist. Nun, genannte beide Reisen waren wie gehabt auf erster Fahrt nach jener Küste, im Übrigen war ich ja nun ein erprobter Leichtmatrose, der die an Bord anfallenden Arbeiten kannte, das bordgebräuchliche Englisch intus hatte und den Ehrgeiz besaß, in der harten, aber nach meinem Empfinden schönen Seefahrt irgendwie voranzukommen, auch wenn für den Augenblick damals im Zeichen der weltweit negativen Konjunktur in Handel und Wirtschaft eher folgender Spruch zutreffend gewesen wäre: „Mit tausend Masten schifft hinaus der Jüngling, still auf gerettetem Kahn kehrt er bescheiden zurück!“ Glücklicherweise ahnte oder wusste ich damals kaum etwas von der realen, eventuell auch für meine Person gültigen Aussage dieses schulgemachten Hexameters. Zu erwähnen wäre noch, dass NEW BRIGHTON kein überaus glückhaftes Schiff zu sein schien. Es gab auf fast jeder Reise dieses „Liner“ dem Hörensagen nach Un- und Todesfälle an Bord. Meine einzige Reise darauf war ebenfalls von Unglücksfällen gekennzeichnet. Zwei cru-Neger stürzten bei Ladevorgängen in eine Luke, der 1. Steward starb an Schwarzwasserfieber, bzw. dessen Nebenerscheinungen. Die beiden schwerverletzten Neger kamen in ein Hospital an Land mit mir unbekanntem Ausgang, ihres Zustandes, den Steward begruben wir in Grand Bassam / Elfenbeinküste auf einem von hohen Palmen gesäumten Friedhof. Letzterer hatte sich irgendwie unbemerkt aus dem irdischen Dasein geschlichen. Seine Erkrankung an Malaria verlief an sich wie jeder andere gleiche Malariafall mit dem üblichen hohen Fieber, es bestand demnach kein Anlass zu einer Verlagerung des Fiebernden in das nächst erreichbare Krankenhaus. In der Todesnacht muss dann wahrscheinlich unbemerkt eine Krise eingetreten sein, der nach ihm schauende Deckswächter fand in den Morgenstunden den Mann tot in seiner Koje mit schwarz verfärbten Adern im Gesicht und an den Händen. Die abergläubischen cru-Neger führten die Häufung der Unglücksfälle auf der NEW BRIGHTON auf eine „Untat“ deren Kapitäns zurück. Dieser soll - nicht nachprüfbar - vor einigen Reisen eine schwarze Katze eines cruboys grundlos, bzw. als absoluter Katzenfeind eigenhändig über Bord geworfen haben, weshalb nun auf seinem Schiff ein Fluch laste. Der Aberglauben der black men mit seiner irrlichtigen Urteiletrübung ließ im Übrigen auf dieser meiner Reise einen cruboy in der Silvesternacht zweimal den erst kurz vorher verstorbenen Steward auf dem Schiff als wandelnden Geist sehen. Sein gellender Angstschrei jagte darob alle das Neue Jahr Feiernden, auch mich, an Deck. Einem weißen Besatzungsmitglied hat sich der Verstorbene allerdings nicht gezeigt, so sehr wir Weißen auch auf den verschreckten Aufstand der Farbigen hin nach der angeblichen Astralgestalt des allzu früh Verblichenen fahndeten. Jedenfalls war bei Rückkehr nach Hamburg auch für mich „Sense“ mit diesem „Geisterschiff“, weniger des vermeintlichen Bannstrahls wegen als aus dem Wunsch heraus, hinfort auf deutschen Schiffen mein Glück zu versuchen. Schließlich wollte ich ja einmal ein deutsches Patent erwerben und sollte eigentlich schon deswegen die erforderliche, noch fehlende Fahrtzeit für den Schulbesuch auch auf deutschen Schiffen zu sammeln versuchen. Außerdem - vielleicht sogar das Hauptmotiv des geplanten Wechsels - war die nun dreimal genossene „hafenfeindliche“ Westküste Afrikas mit viel Anlaufhäfen und trotzdem wenig Landgangsmöglichkeiten. Fremde Küsten lösen eben auch Neugier zum Schauen an Land aus. Meist wird man zwar vom Landgang in primitiven tropischen Ländern saftig enttäuscht, hat dann aber zumindest den Durst der Neugierde gelöscht und trägt irgendwie neues Wissen um die Vielfalt menschlichen Daseins auf dem Erdenrund mit sich heim. Etwas bleibt von allem Erschauten immer im Gedächtnis, mal mehr, mal weniger, je nach Interessenlage, und wie man zu erschauen vermag.


Vor dem Mast unter deutscher Flagge - 1928

Angesichts der immer katastrophaler werdenden Arbeitslosigkeit in der deutschen Heimat war guter Rat für einen Job zwar ziemlich teuer, aber fast schien man auch jetzt wieder nur auf mich gewartet zu haben, denn nach relativ nur kurzer Landliegezeit wurde mir von der deutschen Heuerstelle der Vereinigten Reeder an den Vorsetzen in Hamburg eine Leichtmatrosenstelle auf dem deutschen Dampfschiff „MARGOT“ vermittelt. Weshalb kein anderer unter den vielen möglichen Bewerbern auf die MARGOT aufsteigen wollte und bei Zustimmung nach Harlingen / Holland per fremdbezahlter Bahnreise fahren sollte, ist mir wie damals so mancher Zufall unerklärlich. Leute mit mehr Erfahrung als ich witterten vielleicht bei diesem, dem Namen nach sonst unbekannten Kahn einen Haken, irgendeinen Typ von „never come back“-Schiff, zumal dieser seltsame Zossen in Hamburg sozusagen anonym von einem Korrespondenz-Reeder gemanaged wurde. Sei es darum wie auch immer, ich fand zumindest den Namen MARGOT schön und klangvoll und setzte mich, mit frommen Wünschen der Ein-Mann-Reederei ausgerüstet, am Morgen des 31.03.1928 erwartungsvoll in den Zug Richtung Groningen / Nordholland. Ziemlich spät abends traf ich in Harlingen ein und machte mich allsogleich auf die Suche nach meinem neuen Kahn. MARGOT fand ich dann auch glücklich und noch gerade ohne Vergrößerungsglas. Der erste Eindruck von diesem Sampan war nicht ausgesprochen ermutigend, sintemal die mit ca. 700 BRT vermessene Schiffsdame MARGOT - tatsächlicher Eigner war oder waren der oder die Inhaber des großen Hamburger Nobel-Porzellan-Geschäfts Waitz / Neuer Wall - rein äußerlich ein ziemlicher Sonderling unter den üblichen Meerungeheuern war. Während des 1. Weltkrieges hatte man dieses Schiff in England als „submarine-catcher“ gebaut und verwendet. Merkmale derzeit: gleiches Aussehen des Schiffes vorn und achtern, damit auf die Schnelle niemand, also der böse Feind, erkennen konnte, in welche Richtung der Bursche eigentlich fahre, ferner mittschiffs gleichförmig hochbordig für Aufstellung von Geschützen, deren Vorhandensein durch Klappen getarnt wurde. Diese Klappen fielen, wenn in der Nähe ein deutsches U-Boot ahnungslos auftauchte, um den. vermeintlichen Handelsfahrer zu kapern, also ein Prisenkommando auf ihn an Bord zu setzen. Das still liegende aufgetauchte U-Boot war dann für den ebenfalls stilliegenden Fänger ein lohnendes und sicheres Ziel für seine freistehenden Geschütze. Etliche deutsche U-Boote sind jedenfalls von diesen laut Kriegsrecht verbotenen U-Boot-Fallen (verboten 1864 und späteres Verbot 1906 in Genfer Konvention, einer internationalen Übereinkunft zur Humanisierung der Kriegsführung) versenkt worden. Das hier erwähnte aber nur so nebenbei, es sollte nur eine Erklärung zum Typ „Submarine-Catcher“ sein. Ein weiteres Kuriosum für MARGOT war ferner, dass sie drei Masten von etwa gleicher Höhe - wohl auch noch von ihrer Kriegsaufgabe her - besaß. Kurzum, der neue deutsche Eigner hatte dieses Vehikel nach dem Krieg vom Engländer gekauft und es dann wohl möglichst billig und so weit wie nötig - zum kleinen Frachter umbauen lassen. Ansonsten zeigte sich dieser Eimer als gutes Seeschiff mit einer relativ starken Maschinenanlage im verlumpten Leib und primitiven Mannschaftsunterkünften für ein Dutzend people. Sein Einsatz dürfte im Übrigen recht einträglich gewesen sein, MARGOT lief in englischer Charter jede Woche die Tour Harlingen – Hull - Harlingen ab, stets voll beladen, hin mit Stückgut und Lebensmitteln - Butter, Fleisch, Käse etc. – zurück mit Kohle bis zur Haiskrause. Die Bordverpflegung war gut, was etwa daran fehlte, wurde großzügig aus der Hinfracht entnommen, besser gesagt geklaut, wir waren eben eine eingeschworene Mannschaft, die dann und wann auch mal zwei oder drei junge englische Weibsen - natürlich außer Tarif und an sich strikt verboten - für die Dauer einer Rundreise mitnahm. Entsprach solch „blinder Passagier“ den Erwartungen der Seeleute, so blieb er gar zwei Rundreisen an Bord, länger auf keinen Fall, wir hatten dann die „Damen“ satt. Es war schon was los auf diesem „Huker“, ich war jedenfalls anfänglich perplex, als ich, vom ersten abendlichen Hull-Landgang heimkehrend, in meiner Koje, darauf unvorbereitet, ein völlig betrunkenes Mädchen in tiefem Schlaf liegend vorfand. In Holland, wo die girls moralisch blitzsauber waren, hatten wir jungen Kerle unsere „Angebetete“, in England, wer es wollte, die käufliche, gegebenenfalls gefährliche und darum nicht anzubetende Liebe. Nach meinen damals spärlichen Vergleichsmöglichkeiten schien es in Hull von leichten Mädchen geradezu zu wimmeln, ein Teil von ihnen außerdem geschlechtskrank zu sein - drei Männer von uns steckten sich innerhalb kurzer Zeit an -‚ das bedenken- und rücksichtslose Handeln dieses Typs Frauen bereicherte jedenfalls beträchtlich meinen dementsprechenden Erfahrungsschatz sowohl für den Augenblick als auch für die Zukunft. Das an sich seitens Polizei und Hafenbehörden streng verbotene Anbordkommen leichter Mädchen. erleichterte das Liegen von MARGOT in den zutrittfreien Stadtdocks von Hull, die Kontrolle durch einzelne Polizisten geschah selten, im Übrigen sah sie der Wachmann bei ihrem Anmarsch à cto deren Uniform „meilenweit“, ich muss es wissen, denn ich spielte oft den Warner als „Nachtwächter“. Alles in allem, so positiv meine Erfahrungen auf meinen gehabten englischen Schiffen gewesen waren, so negativ waren umgekehrt meine Eindrücke in verschiedener Hinsicht in England selber, vor allem in puncto Hygiene und Sauberkeit, Moral und für den Betrachter sichtbarer britischer Daseinsgestaltung. Die nähere Umgebung von Null, das „flache Land“ bot wenig Anreiz zu anderer vorteilhafter Einschätzung. Natürlich sah ich damals als junger Kerl manches mit anderen Augen, als es heute geschähe, mit anderen Interessen als nur solchen für irgendwie billige Unterhaltung, Kinos und etwa erreichbare Mädchen. Für gewöhnlich kann ein junger Seemann im Ausland ohne einen Familienanschluss ein besseres Mädchen als ein „leichtes“ nur sehr schwer kennen lernen, eher schon, wenn er bereits ein Schiffsoffizier mit entsprechender Haltung und genügender Fremdsprachenkenntnis ist. In reichlich verkleinertem Maßstab versuchte ich das damals in Hull - Holland war darin viel problemloser als in „Merry Old England“ - auf andere Art. Also steckte ich mir just wie meine lockeren, üblen Bordkameraden vorbereitete Zettelchen mit freundlich fixierten Bekanntschaftsangeboten darauf bei Landgängen in Hull in die Tasche, um selbige in Kaufhäusern bei getätigten nichtigen Einkäufen zusammen mit der geforderten Zahlsumme einer mir sympathisch erscheinenden Verkäuferin in die Hand zu drücken. Dieses Bekanntschaftsersuchen war derzeit in England gerade in Mode, und mitunter klappte sogar eine solche „geschäftliche“ Verabredung, meist war es Fehlanzeige, und das Mädchen reichte einen den Zettel, ohne ihn überhaupt gelesen zu haben, wieder zurück. Ich fand dieses Buhlen um die Gunst einer Schönen zumindest interessant, bzw. als eine Art Selbstbestätigung und Schutzschild gegen die Invasion der weiblichen Billigware. Die viel gebetene „Landlubberei“ mit ihren kleinen Freuden und die gute Kameradschaft unter uns wenigen Männern an Bord mögen jedenfalls sehr dazu beigetragen haben, dass mir die Kleine Fahrt rundum gefiel, die auf MARGOT im Übrigen zu verrichtenden seemännischen Arbeiten - es wurde jede Taklerarbeit bordeigen gemacht - lagen ganz auf meiner Linie und boten mir viel Gelegenheit, die früh erlernten Kenntnisse in Spleißen von Drähten und Tauwerk, Knoten, Nähen mit Segelgarn etc. zu üben und zu vervollkommnen. Talkler- und Riggerarbeit für sein Schiff zu machen, ist für den Ausführenden nicht nur interessant und schön, es beinhaltet auch Verantwortung denen gegenüber, die damit in praktischer Verwendung umgehen müssen, bzw. auf die Güte des ihnen in die Hand gegebenen Materials vertrauen. Für jemand, der sich Seemann schimpft, sind geschilderte Tätigkeiten irgendwie in seinem Beruf das „Salz in der Suppe“. Leider steckt in jedem Detail aber auch der Teufel drin. Das Wissen um unser Können, unseren vermeintlichen Wert machte uns Männer der MARGOT, wenn auch berechtigt, nicht nur selbstbewusst, sondern gleichzeitig und in gleichem Maße auch leichtsinnig und forsch. Jugend kennt bekanntlich keine Tugend, sie glaubt vielmehr, sich in diesem und jenem einiges zwecks ihrer Selbstbestätigung durchaus schuldig sein zu müssen, zum ersten der holden Weiblichkeit gegenüber - wie oben geschildert -‚ zum zweiten im „Kampf gegen den Alkohol“. Letzteres geschah also auch unsererseits, allerdings weniger im Sinne der Heilsarmee, als im Versuch der Ausrottung dieses „Menschenfeindes“ durch pures Wegpicheln, wobei außerdem und gleichzeitig ein amtlicher Nachweis der persönlichen Standfestigkeit im Kampfgeschehen erbracht werden sollte. Was hinterher nach des „Teufels“ unausbleiblichem Sieg der Unterlegene, wenn auch im neckischen Sinne, oftmals anzustellen pflegte, erheitert nicht gerade immer die große Schar der Nüchternen und in Harlingen besonders nicht die kleine Zunft der dort ihr Zubrot verdienenden Polypen. Also hagelte es mehrmals, mal für den einen, mal für den anderen von uns, wegen zuviel Lebhaftigkeit Strafen in barer Münze, und ich handelte mir sogar eine Verurteilung wegen groben Unfugs in Tateinheit mit Falschangabe meines Namens ein. Auslösender Vorfall laut Anklage: Erklimmen eines hohen Laternenmastes in der Hafengegend (um oben die Gasleuchte funktionsuntüchtig zu machen) unter Undefinierbaren lauten Beitönen. Unten nach Rückkehr vom Olymp wenig liebevoller Empfang durch zwei übellaunige Ordnungshüter anschließend auf Wache gröbliche Täuschung der Vollzugsorgane bei Feststellung der Identität des Täters, ich hatte anstatt meines Namens den eines am gleichen Tage abgemusterten Bordkameraden zu Protokoll gegeben. Am Morgen nach der Untat war die sorglos gelegte Bombe geplatzt, als die Polente zum Kassieren an Bord bei Capitano erschien. Selbiger kaufte mich gegen 50 Gulden (damals viel Geld) frei und nannte seinen „Lateiner“ - das waren für ihn sämtliche Intellektuellen - einen Raufbold und Randalierer, möglicherweise sogar Schläger, tatsächlich schien mein Wert ob meines frevelhaften Tuns bei ihm eher noch gestiegen zu sein. Er liebte verschuldete Besatzungsmänner, weil diese dann nicht abmustern konnten und dem Reeder damit die Fahrkosten Hamburg - Harlingen ersparten. Unser Chef war im übrigen höchstselbst durchaus kein Tugendapostel, seine Sünden lagen nur in einem anderen Bereich, sein Herz gehörte ausnahmslos allen Frauen, die seinen Weg kreuzten. Ja, die Dame MARGOT hatte es in vielen Dingen in sich, für mich selber hat sie zumindest einen reichlichen Erinnerungswert aufzuweisen. Genau acht runde Monate gehörte ich zu ihrer Besatzung, dann wollte ich wieder anderes von der Welt sehen. Seinem nächsten Schiff, dem Däumling “AUGUST SCHULZE“ kann der Chronist leider nicht die guten Noten, die er seinem Vorgänger zuteilte, geben. Es war zweifellos ein gesitteteres und schöneres Fahrzeug als jener, aber es war zur Hälfte von Ostfriesen besiedelt, mit denen der Schreibe bis dato in Einschätzung deren Wertes keinerlei Erfahrung besaß. Die es kommandierten, waren halb Bauern, halb Seefahrer, die Geborene ihres Stammlandes von vornherein weitaus höher einschätzten, als es Leuten aus anderen Heimatgauen recht zu sein schien. Genannter Untersatz gehörte zur Oldenhurg-Potugiesischen Dampfschifffahrtsgesellschaft und fuhr nach Hafen in Spanien, Portugal, Marokko oder auf den Kanaren. Ein Plus für ihn errechne ich heute allein aus der Tatsache, dass ich nach Weggang von der seligen MARGOT nicht lange auf ihn warten musste. Trotz schon sehr mieser Arbeitslage in der Seeschifffahrt Ende 1928 fand ein Junggrad, bzw. Leichtmatrose derzeit noch immer rasch ein Unterkommen an Bord, schwer war nur ein Avancieren zum Vollgrad des Matrosen, Matrosenplätze waren absolute Mangelware. Auf dem neuen Sampan lief im Decksbetrieb angesichts von eingeschifften acht Vollgraden (auf MARGOT nur zwei) praktisch und verständlicherweise alles ganz anders als auf meinem vorigen. Leichtmatrosen wurden fast wie Decksjungen eingestuft von den Matrosen und Offizieren wie die Dummen durch die Gegend gescheucht und nur an niedere Tätigkeiten herangelassen. Das uns Deutschen viel nachgesagte „Nach oben kratzen – nach unten treten“ feierte auf AUGUST SCHULZE fröhlichen Urstand, umso mehr, je größer die Null war, und Nullen waren wir ja letzten Endes allesamt hinsichtlich der gesellschaftlichen Einreihung. Die Offiziere dieses meines Schiffes entsprachen in Haltung und Ausdruck etwa meiner Elnschätzung vom Schiffer oder Bestmann der verflossenen FAREWELL. Ein Anfänger nimmt primitive Vorgesetzte meist vorurteilslos hin, ein halbwegs „Oldtimer“ sieht sie, soweit er überhaupt eine Meinung hat, schon mit anderen Augen. Um nicht falsch verstanden zu werden, man erwartet unter den Führenden oder Offizieren auf Handelsschiffen seitens des einfachen Schiffsmannes keine Gelehrten oder Intelligenzbestien, der patentierte Mann auf der Brücke oder im Maschinenraum soll vielmehr mit seiner Erfahrung und seinem Fachwissen seinen Untergebenen die Gewähr für Sicherheit und Glaubwürdigkeit zu seinen Anordnungen vermitteln. Strahlt er darüber hinaus in seiner geistigen und äußeren Haltung auf seine people auch noch das Gefühl kameradschaftlichen Zusammengehörens miteinander aus, dann besitzt er alles, was einen Führenden einen wirklichen Führer sein lässt. Das war auf der AUGUST SCHULZE durchaus nicht gegeben, die erwähnte Sparte der Privilegierten fühlte allein ihren Mehrwert, der sie laut Papier zum Kommandieren berechtigte. Der Beste von ihnen war in meinen Augen noch der „Alte“, ein wortkarger Oldenburger mit einer Portion Misstrauen ohne Unterschied allen seinen Schäflein gegenüber, vielleicht auf Grund langjähriger bitterer Erfahrungen, was weiß davon schon ein Neuling. Unvergesslich an diesem Capitano meine erste Begegnung mit dem Mann. Am zweiten Tag meines Borddaseins, noch in Hamburg, bin ich Nachtwachmann. Der 1. Offizier hatte mir vor Wachantritt eingebläut, auf jeden Fall an der Gangway präsent zu sein, wenn der „Chef“ samt Ehegesponst spätabends vom Landgang zurückkehrt. Ich laufe daher emsig an Deck herum, schaue nach den Festmacherleinen eher zu viel als zu wenig und so weiter und so fort. Ein Leichtmatrose als Wachmann im Hamburger Hafen war gewissermaßen ein „full job“. Außerdem wurde bis etwa 23 Uhr auch noch Ladung eingenommen, was mich schon darum vorzugsweise an Deck herumkrabbeln ließ. Gegen Mitternacht kommen die Erwarteten angeschaukelt, ich stehe am Landgang, um der Ehefrau gegebenenfalls beim Erklimmen des Steges und Übersteigen auf die „Lotsentreppe“ (über die Reling gehakte Trittleiter) behilflich zu sein. Meinerseits tönt es pflichtschuldig „Guten Abend“, der Alte darauf: „op mi hebben Se wohl grad noch täuwt!“, kein Gegengruß sonst, nichts weiter. Mein Gedanke dazu: „ihr Bauern!“ Alles in allem gesagt, auf der AUGUST SCHULZE arbeiteten wir, solange ich diesen Zossen bevölkerte, nicht als ein aufeinander eingespieltes team und gegenseitiger Achtung voreinander zusammen, wir waren vielmehr ein wesenloser Haufen von unterschiedlichen Chargen. Die Reisen selbst nach Häfen in Portugal, Südspanien und Marokko waren an sich ein schönes Fahrtgebiet mit nur wenigen Reedehäfen und oft herrlichen Küstenszenerien, aber das allein konnte dieses Schiff in meinen Augen nicht aufwerten und ließ mich nur zwei je sechswöchige Reisen auf ihm machen. Markant übrigens auf erster Reise zur Winterzeit - der Winter 1928/29 war in Nordeuropa sehr streng - in Marokko Anfang Februar 1929 hatten wir gute 30 Grad Wärme, heimkehrend im Nordseeraum nur acht Tage später ca. 30 Grad Kälte, also rund 60 Grad Temperaturunterschied. Etwa ab Terschelling bis zur Elbmündung hin war die südliche Nordsee vereist. In Deutschland war inzwischen das Heer der Arbeitsiosen ganz beträchtlich angewachsen, zum anderen hörte nun auch ein dem Teufelskreis Politik wenig verfallener Beobachter - die deutschen Seeleute gehörten im allgemeinen dazu - zunehmend mehr von einem gewissen Herren Hitler als einem ominösen Exponenten in der politischen Szene. Mir war der Name Hitler aus meinen letzten Tilsit-Jahren her zwar nicht unbekannt, aber ich hatte diesem Namensträger seinerzeit keine besondere Bedeutung zugemessen. Bei einem kameradschaftlichen Plausch hatten sich wider mein Erwarten auch zwei oder der Bordkameraden auf AUGUST SCHULZE als Sympathisanten Hitlers bezeichnet. Das ließ mich insofern aufhorchen, als die Masse der deutschen Seeleute im Allgemeinen außer ein paar kommunistischen Schreiern dem damaligen politischen Geschehen teilnahmslos gegenüberstand. Dieser ging es angesichts der Heere von Arbeitslosen in allen Berufssparten mehr ums Brotverdienen als um die Problematik politischer Aussagen. Trotz aller Misère am Arbeitsmarkt erhielt ich bereits zwei Wochen nach Abmusterung von AUGUST SCHULZE meinen zweiten August in Gestalt der „AUGUST LEONHARDT“, eines handigen Massengutfrachters von etwa 4.000 BRT der Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg, leider wieder als Leichtmatrose. Meine Hoffnung auf eine Anmusterung als Matrose à cto meiner langen Junggrad-Fahrtzeit erfüllte sich zu meinem Bedauern nicht, man übersah schlechtweg meine ersprießlich gewesenen Aufbauzeiten auf den englischen Schiffen. Im Nachhinein erwies sich mein rascher Entschluss, die Leichtmatrosen-Chance einem ungewissen Warten auf einen Matrosen-Job vorzuziehen, als durchaus richtig, denn nach etwa halber Reise von insgesamt 11 Monaten „wilder Fahrt“ wurde ich auf diesem zweiten August zum Matrosen umgemustert. Außerdem, obwohl sie zweifellos auch kein Renommierschiff darstellte, gefiel mir diese AUGUST LEONAHRDT, was nicht in letzter Linie ihr interessanter Trampeinsatz im Hin- und Herpendeln zwischen Europa und Nord-Amerika bedingen mochte, zum anderen die geschicktere Menschenführung der auf diesem August eingeschifften Offiziere - im Gegensatz zu der des anderen - begründete. Sein Kapitän, Herr A. war in meinen Augen in seiner Haltung und seinem Auftreten ein weltgewandter Mann und rechter Vertreter seiner Sparte, und die ganze Besatzung stellte nach einigem Hinsehen eine gute Mischung von seefahrendem Volk dar. Wir ertrugen die Mängel der AUGUST LEONAHRDT in puncto Verpflegung, von öfteren diesbezüglichen Beschwerden abgesehen, mit Elan und Würde, es war im Übrigen verständlich, dass manchen von uns die lange Dauer der Reise und deren scheinbare Ziellosigkeit dann und wann kräftig verschnupfte. Mich als jungen Kerl erschütterten die uns Mannen konfus erscheinenden Zielwechsel herzlich wenig, im Gegenteil, sie stillten eher meinen Hunger nach Aufnahme immer neuer Reiseeindrücke. Wen es interessieren sollte, der mag die einzelnen Stationen dieser meiner längsten, ununterbrochenen Reise auf dem Globus nachverfolgen: Hamburg (Ausgang) Antwerpen – Oran (Bunkern) - Smyrna - Konstantinopel – Galatz / Rumänien – Oran (Bunkern) - Jacksonville - Tampa - Houston - Galveston – Norfolk (Bunkern) – Bergen (Bunkern) - Tromsoe - Murmansk - Archangelsk – Harstad (Bunkern) - Loedingen – Louisburg (Bunkern) – Sydney / Canada (Bunkern) – Norfolk (Bunkern) - New Orleans - New Brunswick - Savannah – Norfolk (Bunkern) – Ardrossan / Schottland (Bunkern) - Murmansk - Kirkenes – Jakobsnes - Harstad - West Hartlepool (Bunkern) - London – Hamburg (Eingang). Zugegeben, das war oder ist eine bunte Palette von Häfen, auch wenn ein Drittel davon nur zwecks Bunkerns angelaufen wurde mit knapper oder gar keiner Landgangsmöglichkeit. Anders oder weniger wechselhaft als damals ist die heutige Trampfahrt auch nicht, im übrigen fuhren wir für die Trampreederei L & B, welche Buchstaben der deutsche Seemann damals mit „Lumpen und Blei“ interpretierte, wir fuhren also viele Ausnahme-Ladungen und Ausnahme-Touren, die obiger Interpretation irgendwie gerecht wurden. Das mag jedoch nichts über den wirklichen Wert oder Unwert des genannten Reeders und seine Schiffe aussagen. Hein Seemann ist leicht indigniert (unwillig, entrüstet) und in seinem Urteil abfällig, wenn ein Schiff und dessen Reiseroute irgendwie nicht seinen Erwartungen entsprechen, er, der in vielen Fällen die etwa kargen Fleischtöpfe an Bord dem damals oft langen Mangelleben an Land immerhin noch vorzog, schimpfte allein oft des reinen Schimpfens wegen, weil eben mancher Schreihals damit sein angekratztes „image“ aufzupolieren trachtete. Es entzog sich im Übrigen damals meiner Beurteilung, wie weit die oft falsch verstandenen Thesen der Gewerkschaften einzelne Geister in ihren Ansichten und deren Ausdrücke beeinflussten, bzw. Impuls für vieles Jammern und Klagen waren. Heute neige ich der Ansicht zu, dass derzeit wahrscheinlich „vieles faul im Staate Dänemark“, also allgemein in der Seefahrt war. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass der unglückliche Kriegsausgang die deutschen Reeder zumindest empfindlich zur Ader gelassen hatte, der Wiederaufbau ihrer Flotten à cto Inflation, Diktat und des wieder erwachenden Neids der ehemaligen Kriegsgegner auf den trotz seiner Niederlage infolge seiner deutschen Gründlichkeit wieder erstarkenden Konkurrenten äußerst risikoreich und schwierig war. Mithin hatten die deutschen Schiffseigner nicht nur ein neues image, sondern gleichzeitig auch mit knappen Kriegsentschädigungen und hohen Fremdkrediten eine neue Flotte aufzubauen. Vieles entstand dabei gewissermaßen aus dem Nichts, das langsam Aufgebaute war in der Folge, wenn es Bestand haben sollte, nur mit größtmöglicher Sparsamkeit und gegebenenfalls kleinsten Gewinnmargen zu halten und erhalten. Das galt natürlich auch für „Lumpen und Blei“. Trotz allen Sparens erfüllten sie aber ohne irgendwelchen Zweifel die Forderungen von Seemannstarif und Speiserolle. Im Ausland gekaufter Proviant war jedoch teuer und oftmals schlecht, große Mitnahme von Lebensmitteln aus der Heimat für eine längere Reisedauer war wegen fehlenden Kühlraums an Bord zum anderen nicht möglich, ergo wurde mit jedem Mehrmonat einer Reise der „Fraß“ auf einem Tramper knapper und schlechter, dazu kam, dass der Schiffskoch S. und sein Sohn, der Bäcker, nicht gerade Meister ihres Fachs waren. Schwierigkeiten machte auch die Bunkerei, obwohl die dafür installierten Bunker für mehrere tausend Seemeilen Dampferzeugung Kohle aufnehmen konnten. Ein Teil des Bunkerraums wurde jedoch oft zweckentfremdet, weil man entweder mehr an Fracht mitnehmen wollte oder aber die einzelnen erhältlichen Ladungspartien mehr Frachtraum beanspruchten. Wie dem auch gewesen sein mag, wir waren eigentlich immer knapp an Bunkers, versuchten daher, nach Möglichkeit nur in den billigsten Bunkerplätzen unseren Kohlebedarf zu decken. Darum konnte es auf Atlantik-Überquerung von Harstad nach Louisburg tatsächlich passieren, dass wir einen halben Tag vor Kanadas Küste trotz wetterlich ruhiger Reise mit unseren Kohlen bis auf einen spärlichen Rest ausverkauft waren. Kapitän A. war an dieser Misere nur bedingt schuldhaft, hatte vielmehr rechtzeitig die Reederei in Hamburg zur Zwischenbunkerung in Rejkjavik / Island zu überreden versucht. Nun war es plötzlich kritisch geworden, für die restlichen 40 oder 50 Seemeilen bis zum nächst erreichbaren Hafen fehlte der Stoff, mit dessen Hilfe man Wasser in Antriebsdampf umsetzen kann. Also mit all hands ran an alles vorhandene Holz - hauptsächlich große, an Deck aufgestapelte Mengen Stauhölzer von der vorangegangenen Reise mit full ship Baumwolle. Falls alle Stränge reißen sollten, das Holz mit geringer Kohle-Anreicherung nicht ganz ausreichen würde, hatten wir gegebenenfalls noch einen weiteren Trumpf in Händen, die in Archangelsk full ship eingenommene Massenladung von luftgetrockneten, ausgebleichten Knochen. Aber das Holzzeug, dessen längste Stücke wir mit Schwung an den Festmachepollern zerbrachen oder einfach zersägten, langte gerade, um noch einigermaßen majestätisch und kraftprotzig trotz blitzblank leer gefegter Bunker im Schiffsleib in Port Louisburg an die Kohlenkippe zu gehen. Es war auch höchste Zeit damit, Petrus hatte nämlich inzwischen still und leise einen starken, ablandigen Wind wehen lassen, der uns möglicherweise letzten Endes noch zu einem Bergungsfall hätte werden lassen. Das viele Bretterholz mang den restlichen verbrannten schwarzen Diamanten gab der AUGUST LEONHARDT nebenbei gesagt, drum rum einen Duft, als führe da eine Großbäckerei durch die Gegend. Da sich eine Begebenheit wie die geschilderte selten ereignet, fand ich sie damals sehr interessant und erinnerungswert. Es gab an Bord in dieser Situation einer bedingten Notlage keinen einzigen Mann, der über die unbezahlte Mehrarbeit schimpfte oder irgendwie meuterte, abgesehen allerdings von den unzähligen saftigen Flüchen beim Brechen des resistenten Holzes. Mit welcher Begeisterung die Heizer vor den Feuern das ihnen zugeworfene Holz empfingen, weiß ich leider nicht zu berichten. Die erwähnte Knochenfracht in allen Laderäumen, auch das sei noch gesagt, ging nach New Orleans, wo das weißgraue Tiergebein von Gäulern und Rindern restlich in zermahlenem Zustand als Knochenfilter bei der Zuckerraffinerie verwendet werden sollte - zur gefälligen Beruhigung von Zweiflern: Menschenknochen als Rückstand einer seitens der sowjetischen GPU durchgeführten „Generalreinigung“ waren unter Garantie nicht dabei. Auf Rückreise USA - Murmansk geriet AUGUST LEONHARDT, wieder mit einer seltsamen Massenfracht, Kolophonium (Baumharz) in Fässern, im Bauch im Nordatlantik in einen schweren Sturm. Erstmalig erlebte ich da, was dieses Seegebiet gegebenenfalls an Seegang zu bieten vermag. Die Wellenberge waren so unverschämt lang und hoch, dass unser ehrsamer „Pudel“, beigedreht (Bug in Richtung der ankommenden See) in diesem Hexenkessel treibend, seiner ganzen Länge nach entweder im tiefen Tal oder hoch oben auf dem Wellenberg herumritt. Etwa zwei Tage auf solcher Luftschaukel decken jeden Bedarf an Bewegung, die jemand für sein Wohlbefinden bedarf. Jan Maat gewöhnt sich normalerweise recht rasch an solche Schaukelei, wichtig dabei für Schiff und Besatzung war allein, das wild herumjumpende Gefährt nicht in Dwarslage (Quenlage zu den Wellenbergen) kommen zu lassen, was unter Umständen zu Wassereinbrüchen oder aber zum Kentern der Arche hätte führen können. Auf das Ruder (Steuer) musste daher riesig aufgepasst, nötigenfalls die wellengerechte Schieflage durch mehr oder weniger Umdrehungen der Schiffsschraube ausbalanciert werden. Glücklicherweise flaut jeder Sturm einmal ab, „A. L.“ kam ohne nennenswerte Schäden und mit einigem Zeitverlust aus diesem Aufruhr der Elemente. Als Resumée zu meiner Bordzeit auf diesem AUGUST kann ich jedenfalls vermelden, dass ich während ihres Ablaufs viel gesehen und dazugelernt habe, für mich besonders wichtig darin war meine Ummusterung zum Matrosen, ich glaubte zumindest, meinem Endziel wieder ein ganzes Stück Weg damit näher gekommen zu sein. Dass ich mit meiner Abmusterung von AUGUST LEONHARDT (Hamburg, 9.02.1930) den unglückseligen Start in eine böse Zeit langer Arbeitslosigkeit tat, war mir anfänglich natürlich nicht bewusst, anders wäre ich diesem Schiff vermutlich noch eine weitere Reise lang treu geblieben...

 

Funkpatent - 1936

Ein Nautiker auf ANNI hatte mir angeraten, der Decksfahrt Valet zu sagen und einen Funkkursus für den Erwerb des Funk-Sonderzeugnisses zu absolvieren. Genanntes Patent berechtige zwar nur, den Telegraphie-Funkdienst auf Schiffen bis zu 1.600 BRT wahrzunehmen, böte aber Aufstiegschancen für den Erhalt eines höheren Funkpatentes nach etlichen Praxisjahren. Sonderklassen-Funker seien im Übrigen für die stark im Aufbau befindliche deutsche Fischdampfer-Flotte und im zivilen Flugsicherheitsdienst sehr begehrt. Da ich die Voraussetzungen, die der Besuch eines Funker-Kursus forderte, erfüllte, meldete ich mich gleich nach Abmusterung von ANNI für die Teilnahme am ersten Lehrgang, Beginn Januar 1936, an und nutzte die kurze Zwischenzeit, über Weihnacht und Neujahr, zu einem Heimaturlaub. Dem Funkwesen - das möchte ich hier extra erwähnen - brachte ich, ohne davon etwas Detailliertes zu wissen, eine Menge Interesse entgegen, hatte ich mich doch bereits vor meinem „ersten“ Abitur, damals auf Anraten meines Vaters und leider erfolglos, für eine Funkerausbildung im Rahmen der Reichspost beworben gehabt. Reine, also hauptamtliche Funker waren mir praktisch nur auf meinen Engländern und AUGUST LEONHARDT begegnet, sie schienen mir in ihrer Bordabgeschiedenheit und stets sauberen Gewandung eine Art exclusiver Schiffslebewesen zu sein und imponierten mir als solche. Ich erblickte jedenfalls im Geiste ein neues, hehres Ziel, dem nachzueifern, sich lohnte. Der Funkkursus selbst lief als schulischer Nebenzweig an der Seefahrtschule Hamburg, die abschließende Prüfung und Patentausgabe erfolgten im Hamburger Telegraphen-Hauptamt. Kurz gesagt, ich erlernte alles Handwerkliche der edlen Funkerei sogar wider eigenes Erwarten sehr schnell, brachte dieser Ausbildung viel Begeisterung entgegen und schaffte mein Funkpatent in genau vier Monaten und fünf Tagen Schulzeit, ein wahrer Rekord nach ausgesprochen freundlichem Unterrichtsplan...

Bergungsdampfer „ALBATROS“ Ich wurde mit neuem Dienstbeginn 29.12.1936 auf die weitaus größere “ALBATROS“, auf Nordseestation Borkum, je nach Wetterlage am Möwensteert oder auf Fischerbalje zu Anker liegend, versetzt, was für meine zukünftige Verwendung als Funker bestimmt nur positiv sein konnte. Es wehte im Norseerund eben ein anderer Wind als in der irgendwie „kleinbürgerlichen“ Ostsee. Allein schon die Tatsache der Gezeitenwechsel und der im Nordseeraum stetig ablaufenden Großchifffahrt nach aller Welt hin verlieh und verleiht diesem Randmeer des Atlantiks ein schon dem äußeren Anschein nach bevorzugtes Gepräge. Das heißt zum anderen für den Neuling-Funker, spitze deine Ohren mit erhöhter Aufmerksamkeit und picke aus dem großen Kuchen Verkehr nach Möglichkeit die größten Rosinen heraus, sie können unter Umständen gutes Bargeld sein für dich selber, deine engeren Kameraden zur See und deinen Reeder. Denn, so deines Bosses Schornstein raucht, so raucht auch dein eigener, wobei erklärend zu erwähnen ist, dass der Berger neben seinem tariflich festen Salär auch am Reingewinn seines Reeders bei jeder erfolgreich durchgeführten Bergung seitens seines Schiffes nach einem bestimmten Verteilungssatz beteiligt wird. Bei einer etwaigen Funker-Erstmeldung einer Havarie an die Bergungsfirma mit einem daraus resultierenden anschließenden Bergungserfolg kann der Funker-Anteil unter Umständen sogar recht beträchtlich sein, auch dann, wenn das jeweilige Schiff des Erstmelders selbst nicht an der Unfall-Lösung beteiligt war oder wurde. Nun, der liebe Herrgott gibt es den Seinen nicht im Schlaf oder beim Schlafen, der hoffnungsvolle Funkerling muss vielmehr stetig auf dem Quivive (auf der Hut) sein in seinem Bemühen um einen ertragreichen Job. Das damalige Ankerliegen auf Station Borkum war für die Berger natürlich mit der Zeit eine triste Angelegenheit (heute liegt der jeweilige Stationsdampfer am Pier im Borkum-Außenhafen), aber das Draußenliegen vor Anker machte die „Retter“ derzeit eben rascher beweglich und à cto Zeitersparnis schneller beim Anlauf nach See zu. Wer bei einem plötzlichen Einsatz ab Reede gerade nicht an Bord war, kam nicht mit und büßte gegebenenfalls etwaige Bergungsprozente ein. Dass sich Besatzungsmitglieder des Bergungsdampfers aus irgendwelchen Gründen dann und wann einmal an Land befanden, war durchaus natürlich, Hein Daddeldu ist schließlich auch nur ein Mensch mit menschlichen Ansprüchen an das Erdenleben...

Wieder zurück auf ALBATROS / Station Borkum in der Folgezeit, ab Oktober 1937 dann Verlegung der ALBATROS nach Horta / Azoren-Insel Fayal. Das war nun tatsächlich als Stationsplatz ein Außenposten nach Wunsch, gelegen an der Route für die Großchifffahrt zwischen der alten und neuen Welt, ansonsten rein äußerlich eines der neun Azoren-Eilanden, dem der reiche Bewuchs mit Hortensien an Straßen und Wegen den richtigen Namen - horta lateinisch „der Garten“ - verliehen zu haben schien. Fayal gegenüber im Osten in etwa 5 sm Distanz stieg auf Insel Pico der Monte Pico bis 2.351 m in den Himmel auf. Sein Krater-Haupt - er war seit langem ein erloschener Vulkan - war meist umwölkt, zeigte es sich mal klar unter blauem Himmel, war es ein begeisternder Anblick. Wir lagen mit ALBATROS mitten im ziemlich geräumigen Hafen, vorne vor Anker, hinten mit kurzen Leinen an einer Ankerboje befestigt. Außerhalb des Hafens in der Straße zwischen den Inseln Fayal und Pico lag damals, irgendwie als ein Leidensgenosse von uns, ein Katapultschiff der Lufthansa, entweder die „SCHWABENLAND“ oder die „FRIESENLAND“. Sie lagen da als Zwischenstation zur Erprobung eines von Lufthansa geplanten regelmäßigen Flugverkehrs zwischen Lissabon / Europa und New York / Nordamerika, möglicherweise auch nach Recife / Brasilien mit Horta als Umsteige- und Auftankplatz. Das jeweilig stationierte Katapultschiff kam nur zur Aufnahme der im Hafenbecken wassernden und vom Schiff „abzuschießenden“ Schwimmer-Flugzeuge in den durch eine lange, hohe Mole gegen Seegang geschützten Hafen herein. Das geschah etwa einmal jede Woche. Alle zwei Wochen kam zum anderen ein portugiesisches Passagier- und Postschiff, das von allen „Hortensen“ und Zwangsinsulanern wie uns stets sehnlichst erwartet wurde. Ja, lieber Leser, vor 40 Jahren war alles viel primitiver als heute, es gab noch keinen Nonstop-Flugverkehr Europa-Amerika, keine Flugverbindung für Touristenströme nach den einzelnen Inselgruppen im Atlantik, auf diesen keine Hotelburgen für Sonnenhungrige und kein Fernsehen. Was es bereits gab: Radio, Telegraphen-Fernschreiber im Kabeldienst zwischen den Kontinenten und Seefunk auf Lang- oder Kurzwellen für weite Distanzen, bzw. KW-Funktelefonie auf einigen Passagierschiffen. Das Thema Funk war übrigens auch von einiger Bedeutung bei der ALBATROS-Stationierung in Horta, denn wir wollten die Möglichkeit haben, aus dem Hafen heraus – allgemein sonst nicht statthaft - auf KW-Frequenzen mit Norddeichradio in Deutschland gegebenenfalls Funkkontakt aufzunehmen. Diese Erlaubnis mussten wir uns vom Hafenkommandanten (Horta ist ein Stützpunkt der portugiesischen Kriegsmarine) schnellstmöglich geben lassen. Also zogen gleich am ersten Liegetag Kapitän R. und meine Person als Sachkundiger und Dolmetscher für Englisch an Land los, erst zur Agentur Bensaude zwecks Antrittsbesuchs und Erhalts eines Barvorschusses, dann per Taxi bergauf zum Marine-Stützpunkt, der gleichzeitig die Marine-Küstenfunkstelle Horta Radio beherbergte. Der Kommandant, ein im Dienstgrad höheres Licht, empfing uns nach bereits vorangegangener telefonischer Anmeldung seinen verbindlichen Gebärden nach sehr freundlich, sprach aber nur Portugiesisch und Französisch, ich wiederum war aber nur neben meiner Muttersprache des Englischen sprachmächtig mit zusätzlich nur sehr geringen verwertbaren Sprach- und Sprechkenntnissen im Französischen - mein Abiturzeugnis wies schließlich darin wahrheitsgemäß ein „Nichtgenügend“ (eine Fünf) auf. Aber irgendwie verständigen sich Seeleute untereinander in allen Lebenslagen immer, wir schafften jedenfalls die Funkerlaubnis und zogen mehr oder weniger in eigener Bewunderung zufrieden per wartendem Taxi bergab und heimwärts. Letzteres dachte ich zumindest, ohne dabei die ausgefallenen Ambitionen meines werten Capitanos einkalkuliert zu haben. Selbiger, Jonny R., war eben ein mitunter ausufernder Pfundskerl, und an diesem Sonnentag, den der liebe Herrgott so recht zur Freude der Menschen geschaffen zu haben schien, stand sein inneres Barometer irgendwie wieder einmal auf Sturm, bzw. hatte sein Kalender andere Termine als meiner. Das sah etwa folgendermaßen aus: eingangs ein deftiges Mittagsmahl mit Beafsteak à la Meyer, dazu zwei Flaschen Wein vom Hiesigen, hau rein Funker, alles zu Lasten Bugsier im fernen Hamburg. Anschließend Lokalwechsel zwecks weiterer genüsslicher Drinks. Dort ein Deutscher von Kabelstation Horta, bald ein zweiter und später noch zwei weitere Kabelkollegen dazu, in summa eine urgemütliche Kneiperei unter Landsleuten. Ab und an denke ich dabei an meinen armen Bordgenossen, der nun schon etliche Stunden über sein Soll den „elektrischen Stuhl“ drückt und derweil zwecks seiner Erheiterung wahrscheinlich mit seiner Luftpistole im Stationsraum Scheibenschießen macht. Aber der „Alte“ sagt auf meine entsprechende Vorhaltung nur: „Du bleibst“, und das ist letzten Endes ein dienstlicher Befehl, und eigentlich unterhalte ich mich ja in diesem fröhlichen Kreis auch sehr gut. Plötzlich sind die lieben deutschen Volksgenossen verschwunden, und draußen wartet wieder ein Taxi auf uns Lotterbuben. Es bringt uns in eine freudige Straße, Mädchen umringen uns, und wir eisen uns beide in einem nach Seemannsbegriffen pfundigen Lokal fest. Drinnen ein gewaltiger Trubel. Französische sailors von einem im Hafen liegenden kleinen französischen Kriegsschiff lassen die Puppen tanzen und verprassen rücksichtslos ihre schmalen Zechinen im „chercher la femme“, wir zwei mittenmang in Erprobung des Theken-Angebots und ob des harten Tagesstress schon ziemlich am Boden zerstört. Es muss schon ziemlich spät am Tage gewesen sein - so unwichtig das für uns in jenem Augenblick auch gewesen sein mag -‚ da hören wir aus dem Nachtdunkel draußen einen immer mehr und stärker anschwellenden Singsang aus rauen Männerkehlen und können bald Melodie und Text des Liedes „Blau blüht ein Blümelein“ deutlich ausmachen. Wer sollte das schon sein, sicher doch nur unsere vaterlosen Knaben von ALBATROS. „Hol‘ unsere Jungs an Deck“, sagt Capitano, und das ist schließlich wieder ein Befehl, und alsbald war um uns versammelt die gute halbe Heerschar der „Albatrosse“. Sie hatten uns bereits seit längerem gesucht, nicht gerade um unser beider wegen, nein, sie wollten „Schuss“ vom Alten. Ergo fand nun die Vorschussausgabe, etwas ortsentfremdet, im „Puff“ statt, alles auf Treu und Glauben. Anschließend dominierten Tanz und vermutlich Liebe in allen Räumen und Verschlägen dieses ehrsamen Etablissements. Wie ich selber nach vorzeitiger grußloser Verabschiedung von den „Meinen“ an Bord kam, weiß ich heute nicht zu berichten, ich löste jedenfalls meinen „Schummi“ im Amt ziemlich verspätet ab, was selbiger wiederum mit den Worten „Wurst, Widerwurst“ quittierte und mich dann umgekehrt runde 24 Stunden lang „oben“ sitzen ließ. Ja, so was konnten wir in jenen und unseren Jahren ohne viel Murren und Protestieren ab, und bei einer plötzlichen Ausfahrt hätte trotzdem jeder einzelne an Bord seinen Mann gestanden. Normalerweise durften im Übrigen von 16 Besatzungsmitgliedern auf der ALBATROS bei guter Wetterlage höchstens vier oder fünf Leute gleichzeitig Landgang machen, der erste Stationsliegetag in Horta war also eine absolute Ausnahme, seine Geschehnisse des geprobten „dulce vita“ dürften dennoch wenig nachahmenswert sein, weil ausgerechnet die gedachten Ordnungshüter an Bord, Kapitän und „Politleiter“, die eigentlichen Auslöser dafür waren. Zu den langen Funkwachen möchte ich zusätzlich sagen, dass einmal der Funkverkehr damals einen geringeren Umfang als heute hatte, dass wir praktisch zum anderen nur einen Empfänger zur Beobachtung einsetzen konnten. Außerdem waren mein Kollege und ich Foto-Fans, die sich nächtlicherweile stundenlang neben dem bloßen Abhören der Mittelwellen-Anruf- und Seenotfrequenz in der ziemlich geräumigen ALBATROS-Station mit Foto-Arbeiten (Filmentwickeln, Abzügemachen oder Herstellung von Vergrößerungen) beschäftigten. Lesen guter oder schlechter Bücher und Schreiben langer Briefe – schließlich war ich ein jung verheirateter Mann in weiter Ferne - waren weitere Nebentätigkeiten. Wenn alle Stränge der selbst verordneten Arbeitstherapie rissen, dann machten wir in großzügiger Auslegung der Funkerlaubnis des Hafenkommandanten Testproben mit dem kurz vor Ausreise aus Deutschland eingebauten 40-Watt-KW-Sender zwecks Reichweiten-Feststellungen. Das hatten wir natürlich schon von See aus bei der Anreise nach Horta getan, aber KW-Kontakte haben ihre speziellen Bedingungen, dabei wird ein Anfänger nur durch entsprechende Erfahrungen schlau. Ansonsten war der ALBATROS das Bergungsglück im Seeraum Azoren just so wenig hold wie weiland in der Nordsee. Allein die uneingestandene Gegenwart des äußerlich klobigen Bergungsdampfers genügte vermutlich, dass alles Wassergefährt nah und fern der Azoren sich sittsam benahm, also seiner freundlichen Hilfsbereitschaft nicht bedurfte. Der anfängliche Überschwank unserer Besatzung machte andererseits recht bald einem nach Seemannsbegriffen geruhsamen Alltag Platz. Wir wurden im weiteren Verlauf der Horta-Liegezeit, jeder nach seiner Art und seinem Alter oder à cto Gesicht mit etlichen netten Menschen bekannt, die Schiffsoffiziere dann und wann von den deutschen Herren der Horta-Kabelstation entweder zu ihnen nach Hause oder irgendwelchen Festivitäten anderswo eingeladen, und wer es gern wollte, konnte, soweit es der Schiffsdienst zuließ, an Landausflügen ins Inselinnere teilnehmen. Die „Photographen“ an Bord bekamen jedenfalls reichlich Gelegenheit zu interessanten Schnappschüssen. Natürlich konnte man auch als Einzelgänger die Insel Fayal zu erforschen versuchen. Als ich mal in den „slums“ von Horta knipste, löste das metallische Klicken meines Camera-Verschlusses den Zorn eines winzigen Köters aus – vermutlich empfand er das Eindringen in seine Intimsphäre empörend - jedenfalls biss er mich bei meinem Beschwichtigungsversuch ins Bein. Mein Landgang endete darob vorzeitig in einer Arztpraxis. Sein Angriff trug mir hinterher manche Spöttelei meiner Bordkameraden ein. Ein großes, dazu sehr fotogenes Ereignis für alles Volk in Horta war im Übrigen das Anlanden eines in Küstennähe von Männern der hiesigen .Walfang-Landstation von Ruder-Jagdbooten aus per Harpunierung erlegten, riesigen Blauwales. Der Körper des Wals war ca. 20 Meter lang, sein Gewicht wurde auf rund 200 tons geschätzt. Die Beute an Waltran war demnach erheblich und zumindest für die Walfänger selber eine einträgliche Angelegenheit. Beeindruckend für mich die rasche und gekonnte Ausschlachtung des getöteten Tieres, beispielsweise das Entspecken des Meeresriesen mit Hellebarden ähnlich sehenden Schneidewerkzeugen, wobei dahingestellt bleiben mag, ob der Mensch des 20. Jahrhunderts zwecks Erhalts einer im Aussterben begriffenen Tierwelt - das trifft u. a. auf verschiedene Walarten zu - nicht besser um deren Erhalt als deren Abschlachtung und allmähliche Ausrottung bemüht sein sollte. Die von mir damals gemachten Fotos sind später leider verbrannt. Ja, Station Horta war schon irgendwie interessant, eben nur nicht in „ökonomischer“ Hinsicht (siehe oben). Beginn Februar 1938 wurde ALBATROS von einem holländischen Hochseeschlepper der Firma Smit / Rotterdam, mit der Bugsier bei Bergungen im nordatlantischen Raum zusammenarbeitete, auf Station Horta abgelöst. Mit ein Grund dafür war der „maschinengeschädigte“ britische Taker „CAPULET“, den wir von San Miguel / Azoren nach Thameshaven schleppen sollten. Es wurde, je weiter wir nach Norden kamen, eine sehr stürmische Überführungsreise, auf der uns im hohen Seegang mehrmals die Tow-Leinen brachen. Abgesehen von den Mühseligkeiten des Transports - tagelanges Anboxen gegen Wasserberge und Windstärken 10 bis 11 neben Wiederherstellung der Schleppverbindung - war der Anblick der sturmgepeitschten Wogenlandschaft mitunter geradezu faszinierend. Lagen Schlepper und Anhang gleichzeitig in Wellentälern, so konnten wir die große CAPULET, obwohl sie nur etwa 250 Meter hinter uns herurndümpelte, mit Ausnahme von zwei Mastspitzen nicht sehen, beim beiderseitigen Ritt auf den Kämmen der Wellen sah es hingegen aus, als ob uns der massige Leib des Tankers gleich erdrücken würde. Wenn es hoch kam, machte der Schleppzug pro Stunde ein bis zwei Seemeilen Fahrt voraus, ein oder zwei Tage lang rührten wir uns aber kaum von der Stelle., auf der wir just herumschaukelten. Erstaunlich war bei aller Berg- und Talfahrt, dass die ALBATROS dabei kaum einen Tropfen Seewasser an Deck bekam, die sailors praktisch in Pantoffeln an Bord herumlaufen konnten. Mag der alte Zossen ALBATROS auch noch so unkomfortabel und langsam gewesen sein, als ein gutes Seeschiff erwies er sich bei solchem Wetter auf jeden Fall...

1939 – Beginn des 2. Weltkrieges

...Handelsschiffsfahrer wurden im Kriegsfall nach den diesbezüglich im Weltkrieg 1 gemachten Erfahrungen der Kriegsmarine-Kommandos nämlich genau so benötigt wie Soldaten zur See, und das waren die „Männer der Kriegsmarine“ (Hitler-Ausspruch) zur Hauptsache. Entzog man zum anderen im Verlauf eines Krieges den Handelsschiffen ihr eingefahrenes Personal, so musste dieses durch Soldaten ohne die nötige seefahrtfachliche Erfahrung ersetzt werden. Das konnte wenig sinnvoll und u. U. nachteilig sein. Darum pflegte man bei den üblichen routinemäßigen soldatischen Nachmusterungen Berufsseeleute vom Wehrdienst geflissentlich freizustellen, irgendwie wirkten diese ja sowieso mit ihren angestammten „Untersätzen“ im Auftrag der Kriegsmarine. Das galt natürlich nicht für die so genannten „Blockadebrecher“, in Hilfskriegsschiffe umgewandelte, für den gedachten Einsatz besonders geeignete, mehr oder weniger schwer armierte ehemalige Handelsfahrzeuge, die nur mit Soldaten, darunter größtenteils eingezogene Berufsseeleute, besetzt waren. Kurzum, ich bestieg wieder, noch gerade rechtzeitig vor dem Beginn des „Polenfeldzuges“‚ die in Rügenwalde / Pommern in irgendwelcher Kriegseinsatzbereitschaft liegende "MÖWE". Der dortige enge Hafen lag voller meist kleiner Kriegsfahrzeuge, leerte sich aber rasch, über Nacht sozusagen, als sich die Dinge trotz aller stillen Hoffnung wohl der meisten Deutschen auf eine friedliche Beilegung der angeblichen Unstimmigkeiten zwischen dem Reich und Polen negativ gestalteten. Wie groß, welche Art und zu wessen Lasten diese, politisch gesprochen, „unerträglichen“, dem Kriegsausbruch vorausgehenden Übergriffe und Gegensätze waren und gingen, ist widersprüchlich und scheint mir persönlich bis zum heutigen Tag ungeklärt zu sein. Besonders erinnerlich aus den wenigen Rügenwalder Tagen bleibt mir immer die schicksalhafte FT-Meldung vom 3. September 1939 mit Inhalt: „Feindseligkeiten mit England und Frankreich haben begonnen. Richtig besehen, war es der Anfang vom Ende in noch nebuloser Ferne, ich konnte mich seinerzeit in dem Moment eines unguten Gefühls, einer schlimmen. Vorahnung des unwideruflich unfreundlichen Kommenden nicht erwehren. Im Gegensatz zum Beginn des ersten Weltkrieges gab es diesmal keine Begeisterung zum Start des von Herrn Hitler als notwendig erachteten Waffenganges. Die nur zwanzig Jahre Pause zwischen den Kriegen hatten die Schatten des Völkerringens 1914/18 noch längst nicht verblassen lassen, die Erinnerung an Blut, Hunger, Schweiß und Tränen war noch zu jung, um die Realität Krieg etwa mit einer Gloriole des heldischen Kampfes für die ehrenhafte Bewahrung der höchsten Güter und Werte einer Nation verbrämen zu können. Nichtsdestoweniger war das Gros der Deutschen bereit, seine Pflicht „Führer“ und Vaterland gegenüber nach besten Kräften zu erfüllen. Dafür gegebenenfalls auch zu sterben, war in näherer oder weiterer Zukunft noch immer Zeit, und jede abgeschossene Kugel traf gemäß jahrhundertealter Erfahrung sowieso nicht „apart ihren Mann“ (Marsch Fridericus Rex). Letzteres wussten sie hüben und drüben, selbst angesichts der hässlichen Tatsache, dass Menschenleben in Kriegszeiten „unter Preis“ gehandelt werden. Also, nun ging es mit der eisenhaltigen Luft los, und diese vertrugen erstmals die Polen sehr schlecht, was der kleinen MÖWE wiederum zum raschen Einsatz Auge in Auge mit der „Front“ verhalf. Als diese nach ein paar Tagen der Bereitschaft in Rügenwalde und anschließend Danzig-Neufahrwasser als erstes deutsches Handelsschiff in den polnischen Großhafen Gdynia, das nach deutscher Besetzung umbenannte Gotenhafen, einlief, wurde an der NW-Flanke des Hafenbereiches auf der hügeligen Oxhöfter Kämpe noch erbittert um jeden Fußbreit Boden gekämpft. Wir hatten unseren „Untersatz“ in Becken II an dessen Westseite hinter Kohlebergen und Umschlagsanlagen - verfahrbaren Kranbrücken der polnischen Handelsfirma „Polskarob“ - vertäut, sintemal polnische Artillerie von der Kämpe aus das Hafengebiet gut und gern unter Beschuss nehmen könnte. Dessen ungeachtet waren wir Männer der MÖWE incl. Marine-Bergungsexperte Fregattenkapitän Grünert (Kriegsmarine-Werft Kiel und Bugsier-Bergungsinspektor Meyer (Vater) ab und an in die Krananlagen geklettert, um den Ablauf des Kriegspiels auf der Kämpe neugierig oder interessiert zu beobachten. Einen Tag nach unserer Ankunft in Gdynia brach à cto des massierten deutschen Einsatzes von Land-, See- und Luftstreitkräften (Linienschiff „SCHLESWIG-HOLSTEIN“ und 9 Stukas vom Typ Ju 87) jeglicher polnische Widerstand scheinbar zusammen, wir stellten keine Gegenwehr der Verteidiger der Kämpe per Feldstecher mehr fest und hörten abends im Radio von deren ehrenvoller Kapitulation. Damit war ebenfalls unsere Tätigkeit als Schlachtenbummler beendet, wir durften zur ersten Bestandsaufnahme der Bergungsanforderungen im gesamten umfangreichen Hafengebiet von Gdynia (Gotenhafen) starten, und da sah es unter Wasser recht wüst aus. Der Pole hatte im Wissen um seine nur schwachen Verteidigungsmöglichkeiten in Gdynia - und im Kriegshafen Hela nach späterer Feststellung - praktisch jeden fahrbaren Untersatz, egal welcher Größe, beizeiten auf Tiefe geschickt und dabei vorzugsweise die schmalen Hafeneinfahrten zu sperren versucht. Die kleine MÖWE kam noch gerade so an den Rändern der Wracks vorbei in die einzelnen Hafenbecken hinein. Zum Glück hatte der „Feind“ das Verminen der Becken vergessen, anders hätte ich mutmaßlich keine Zeit mehr für die Niederschrift dieser Lebensbeichte gehabt. Ein paar Tage nach unserer Ortungstätigkeit traf wie zum Hohn ein kleiner Minensucher der Kriegmarine in Gdynia ein, der das Hafengebiet in mehrtägiger Arbeit auf Minenverdacht hin abklapperte, was MÖWE unbeabsichtigt schon längst getan hatte. Der heilige Bürokratius feierte also auch im Krieg fröhliche Urständ. Nachdem wir Lage und Vorhandensein von zig Wracks - es waren meiner Erinnerung nach über sechzig versenkte Fahrzeuge allein in Gdynia - gescheckt hatten und inzwischen einige Bugsier-Hebeschiffe und Danziger Bergungsschlepper (von Tochterfirma Bugsier-Danzig und der „Weichsel-AG“) zu uns gestoßen waren, setzte das große „Reinmachen“ der Becken ein, das sich in der Folge bis in den Sommer 1940 hinein hinzog (incl. Hela-Bergungen). MÖWE wurde aber bereits um die Jahreswende 1939/40 herum von Gotenhafen nach Kiel abgerufen...

... Im Sommer l941 wurde MÖWE vom Arsenal Kiel dem Admiral Norwegen zwecks Einsatz in dessen Machtbereich unterstellt. Sie verrichtete in der Folge im Auftrag der Hafenkapitäne in Trondheim, Stavanger und Kristiansand-Süd diverse Bergungs-, See- und Hafenschlepparbeiten, alles in Gewässern, in denen die für die Unterelbe und die deutschen Küstengewässer bestimmte kleine MÖWE in Friedenszeiten nicht herumkutschiert wäre. Ich selber lernte dadurch ein Land kennen, das mich seitdem wegen seiner eigenartigen Schönheit und stimmungsvollen Ausstrahlung regelrecht fasziniert. Die Mehrzahl der deutschen Besetzer war allerdings von den öden „Klamotten“, worunter sie die zahllosen Klippen und vegetationslosen Inselchen und Schären der steinernen Küstenlandschaft und die menschenleeren, von hohen, steilen Felswänden umsäumten Fjorde verstanden, weitaus weniger als ich begeistert und fühlte sich in Norwegen an den „AdW“ (Arsch der Welt) verbannt. Ich sah dieses Nordland irgendwie auf Anhieb als eine touristische Delikatesse, wobei es mir damals nur leid tat, es eben nicht als Tourist bereisen zu dürfen. Hierzuland machte ich auch erste Bekanntschaft mit unseren Schlachtschiffen „BISMARCK“ und „TIRPITZ“, wahrhaft gigantischen Burgen aus Stahl und Meisterwerke der Kriegsschiff-Baukunst und -Ausrüstung. BISMARCK geleiteten wir zusammen mit anderen Schleppern auf ihrer letzten Ausfahrt ein Stück des Weges durch die engen Schärenstraßen. TIRPITZ lag damals für einige Zeit in einer der innersten Ecken des Trondheim-Fjordes neben einer hohen Felswand und zusätzlich nach außen hin gegen Fliegereinsicht meisterlich getarnt. Aber was bedeutete schon Tarnung in einem Land, dessen Bevölkerung für England und alles Englische seit eh und je schwärmte und das gegen Spionage nie absolut abgesichert werden konnte. Erwähnen möchte ich noch in Verbindung mit Trondheim, dass am 22. Juni 1941, kurz nach Ankunft von MÖWE in Trondheim, der schicksalhafte Russlandfeldzug begann. Die Kunde davon stimmte mich ungeheuer deprimierend und ließ mich trotz aller bisherigen Kriegserfolge an den zahlreich gewordenen Fronten mehr als bislang am deutschen Endsieg zweifeln. Als sei es heute, erinnere ich mich daran, dass ich, in schweren Gedanken versunken, allein im heimatfernen Land an jenem mittsomrnerlich hellen Abend in Trondheims Umgebung stille Bergpfade entlanglief, um mit mir selber und den Aspekten einer grauverhangenen Zukunft irgendwie ins reine zu kommen. Ich dachte dabei natürlich auch an meine nun besonders bedrohte ostpreußische Heimat, meine dort lebenden nächsten Angehörigen incl. mein dort just zu Besuch weilendes Eheweib. Meine Frau erwartete seit einigen Monaten wieder ein Baby und war wegen der meist nächtlichen Bombenangriffe auf Hamburg in das bisher vom Krieg unberührte Ostpreußen zu ihren Eltern nach Gumbinnen gereist. Sie kam damit vom Regen in die Traufe. Am ersten oder zweiten Kriegstag machten russische Flugzeuge einen Störangriff auf Gumbinnen mit irgendwie wahllosen Bombenabwürfen. Etliche Bomben fielen in nächster Nähe des Mietwohnhauses meiner Schwiegereltern. Das Haus wurde zwar nur unwesentlich beschädigt, aber Schreck und Aufregung lösten bei der werdenden Mutter eine frühe Fehlgeburt aus. Wir in Norwegen verspürten vom Krieg mit Russland nichts. Der Seeweg dicht unter der norwegischen Küste war 19141 im großen Ganzen noch kaum vom „Feind“ - in diesem Fall England - gestört. Nur ab und an unternahmen britische Schnellboote auf den wenigen freien offenen Seestrecken der langen Nordland-Küste - man fuhr sonst nach Möglichkeit auf dem inneren Schärenweg - nächtliche Überraschungsangriffe auf militärisch geschützte Schiffskonvois oder etwaige Einzelfahrer. Kleine Schiffe wie MÖWE fuhren zumeist allein mit einem norwegischen Lokal-Lotsen an Bord, der bei etwa drohender Gefahr den Winzling rasch in eine sichere Ecke irgendwo zwischen den Schären geleiten sollte. Am Tage verlieh der hellgraue Schiffsanstrich dem kleinen Schlepper - vorausgesetzt dass der Schornstein keine dunklen Rauchwolken ausstieß - einen gewissen Sichtschutz. Niedrig fliegenden feindlichen Flugzeugen gegenüber war man allerdings im Falle eines Falles ziemlich wehrlos, aber kleine, unbewaffnete Fahrzeuge ließen derzeit die Briten meistens noch unbehelligt, Grund dafür: Es könnte möglicherweise ein zum Fahren für die Deutschen gezwungener Norweger sein, das Schifflein eines Freundes sozusagen, den man aus politisch motivierten Erwägungen heraus nicht verbittern wollte. Einen Freibrief für eine absolute Sicherheit gab es selbstverständlich in keinem Fall, sie hing allein von der individuellen Einschätzung der Sachlage seitens des Flugzeug-Kommandanten ab. Welcher Kriegsflieger kann es sich beispielsweise etwa leisten, mit den mitgeführten, ungeworfenen Bomben heimzukehren oder damit zu landen, also ohne Risiko für sich und andere wieder „zur Erde“ zu kommen? Unbewaffnete Seefahrzeuge kann man im Übrigen gegebenenfalls auch mit gut gezielten Schüssen in die Wasserlinie eines Schiffskörpers aus der Bordkanone eines Flugzeuges versenken. Wer einen Krieg unbeschadet überleben will, der braucht einerseits Glück, zum anderen einen guten Schutzengel, beide kann man nicht abonnieren...

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MS „OSTFRIESLAND“ – Brasilien - 1962

Der nur einen Reise auf GESTEMÜNDE folgte meine Versetzung auf den noch in der Ausrüstung bei den Howaldtwerken Hamburg liegenden Reederei-Neubau „OSTFRIESLAND“, einen Nachbau  bzw. ein Schwesterschiff von NEUHARLINGERSIEL.  Auf letzter Fertigungsphase der OSTFRIESLAND sollte ich also wie auch seinerzeit bei Entstehen der NEUHARLINGERSIEL wieder ein Mitglied der Werftaufsicht beim Einbau der FT-Anlage durch die Debeg Hamburg sein.  Mit Infahrtkommen von OSTFRIESLAND nahmen ab Juli 1962 rund drei Jahre lang stete Reisen nach Brasilien in Charter von Lloide Brasileiro ihren Anfang.  Das waren im genannten Zeitraum acht Reisen dorthin mit OSTFRIESLAND und eine weitere als Urlaubsablöser auf NEUHARLINGERSIEL.  Auf meinem letzten Reedereischiff „HANNOVERLAND“ bin ich dann noch einmal auf drei Reisen in Charter der brasilianischen Firma „Alianca“ nach Brasilien und Argentinien hingekommen.  Ich erwähne letzteres nur darum, weil ich das Erlebnis Brasilien mit seinen mannigfaltigen Begebenheiten sozusagen in einem Ritt wie die Westküstenreisen Nord und Süd abtun möchte.  Es wäre zu uninteressant und langatmig, wollte ich jede Brasilreise einzeln behandeln, ganz davon abgesehen, dass ich mich gar nicht recht daran erinnern könnte, wann was genau nach Datum geschah.  Das Riesenland Brasilien ist alles in allem jedenfalls ein besonders schillernder Teil unseres Globus, wo man auf Schritt und Tritt Neuem begegnet und Seltsames erleben konnte und kann, ein Land, reich an Naturschönheit und voll von Kontrasten, seine Bürger sind zum anderen eine Mixtur aus vielen Völkerrassen, Hautfarben und Kulturkreisen.  Wenn diesem Land, diesem buntfarbigen Menschengemisch die Portugiesen als ehemalige Kolonialherren neben einer Menge anderer Tugenden und Untugenden nicht auch einen großen Schuss gegenseitiger Toleranz, heiterer Weltaufgeschlossenheit und die Maxime der „allein selig machenden (katholischen) Kirche“ in die Wiege gelegt hätten, dann wäre Brasilien, politisch gesehen, vermutlich schon längst explodiert.  Dass solches noch nicht geschah, das verdankte und verdankt dieses aus vielen einzelnen Bundesstaaten zusammengesetzte, eigenständige Großland Brasilien außer der bisherigen politischen Lethargie seiner unterschiedlich weit verstreuten Bevölkerung seinem Reichtum an abbaufähigen und zum Teil noch schlummernden Bodenschätzen und anderen Naturprodukten für Eigenernährung und Welthandel.  Nicht ganz abwegig schien mir der dortzuland oft gehörte Ausspruch zu sein, dass 100 Millionen auch nur fauler Brasilianer nicht imstande seien, ihr Land kaputt zu kriegen.  Das klingt wohl reichlich großmäulig, ist aber durchaus charakteristisch für die Mentalität der „Brasis“ als Ausdruck ihres in mancher Hinsicht unmotivierten Selbstbewusstseins einerseits und ihres übersteigerten Nationalstolzes andererseits, welche beiden - allerdings nur aus der Sicht der absoluten Fanatiker unter ihnen - stark angekratzt werden, wenn wider alles Erwarten Brasiliens Söhne nicht Fußball-Weltmeister und Brasiliens Töchter nicht Weltschönheitsköniginnen werden.  Wie lange man dortzuland zum einen seinen Stolz und Schlendrian, zum anderen seinen Raubbau am Leichtgreifbaren in der scheinbar unerschöpflichen Natur noch hegen und pflegen kann, weiß allein der liebe Herrgott.  Vermutlich wird die stete hohe Zunahme der Einwohnerzahl im Land Brasilien bald strengere Maßstäbe an die Verwertung des Vorhandenen und in jungfräulichem Boden noch Verborgenen stellen.  Außerdem ist anzunehmen, dass in Bälde das gewaltige Heer der Armen im Lande - wie allerorts in lateinamerikanischen Staaten - seinen sicher berechtigten Anteil am großen Kuchen des Verteilbaren mehr oder weniger energisch erheischen wird.  Im Gegensatz zur Mehrzahl meiner Bordkameraden war ich selber nach den gemachten Erfahrungen der beiden ersten Brasil-Reisen trotz des vielen Schönen und Wechselvollen im Erleben von Landschaft und Menschen im Wunderland Brasilien nicht so absolut entzückt über den jahrelangen Einsatz der Bugsier-Frachter seitens brasilianischer Charterfirmen.  Das an jenen „Eldorado“-Gestaden Gebotene barg besonders für unsere meist jungen Seeleute viele Momente der Herausforderung an ihre moralische Haltung in sich, eine Forderung, der junge Männer wegen der meist noch fehlenden charakterlichen Reife kaum gerecht werden konnten.  Ich hatte bis dato in all meinen Seefahrtjahren kein anderes Land mit so viel käuflicher Liebe - staatlich kontrollierter und „freiberuflicher“ Prostitution – kennen gelernt wie Brasilien.  Dieser Umstand bekundete zweifellos zu seinem Teil den Verfall von Anstand und Sitte als - in meinen Augen zumindest - eindeutige Folgeerscheinung einer seit Jahrzehnten falschen Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik in diesem Land des Überflusses.  Anstieg von Kriminalität und laufender Währungsverfall waren weitere Anzeichen dafür, von dem erbärmlichen, aller Hygiene widersprechenden Zustand unzähliger Slum-Viertel in den Großstädten des Landes schon ganz abgesehen.  Ganz bestimmt war im Staat Brasilien vieles „oberfaul“.  Ganz gewiss hatten wir deutschen Seeleute mit guten Ami-Dollars oder harter DM in der Tasche vom zunehmend abgrundtiefen Sturz des brasilianischen Cruzeiros finanziell nur Vorteile, an denen die Seemannsbräute bei entsprechendem Arbeitseinsatz ihrerseits kräftig partizipierten, sozusagen als eine Art Empfänger von stiller „Entwicklungshilfe“.  Dagegen wäre an sich nicht unbedingt etwas einzuwenden gewesen, der hautritzende Haken im Umgang mit den in reicher Auswahl sich anbietenden in allen möglichen Körperfarben schillernden Schönen war leider sehr oft deren Vor- oder Nachliebe, ihren gewesenen Galanen etwas zu hinterlassen, was als absolut unerwünschtes Erbe dann von gewinnlüsternen Ärzten mit millionenstarken Penicillin-Einheiten mehr oder weniger erbittert bekämpft werden musste.  Kurz gesagt, es gab auf Schiffen der Brasil-Fahrt, sobald sie die jungfräulichen Gestade Brasiliens erreicht hatten, in zunehmender Zahl geschlechtskranke Seeleute.  Mir als abkömmlichem Besatzungsmitglied während meines Schiffes Hafenliegezeit, der außerdem sowieso bei den örtlichen Agenturen, Postämtern, Wechselstuben usw. Schiffsdienstliches zu erledigen hatte, fiel die zeitraubende Aufgabe zu, die „Eros-Ritter“ den Ärzten zum Fraß vorzuwerfen.  Ich fand es dabei gar nicht lustig, dass die klugen Männer im weißen Kittel mich - gewissermaßen als Zeugen ihres redlichen Tuns - unbedingt bei ihrer Arbeit am Kunden zuschauen lassen wollten, mir nach Begleichung des Entgelts für ihre geleisteten guten Dienste zum Abschied lautstark „auf Wiedersehen“ sagten, zum anderen bei Abmarsch „Funkoffizier mit Kranken“ von Bord die Szenenbeobachter auf dem Schiffsdeck die Abziehenden mit hämischen Anspielungen bedachten.  Vielleicht sah es für Zuschauer auch tatsächlich urkomisch aus, als ich mal in Porto Alegre, unserem mehrmals letzten Ausreisehafen, mit einem guten Dutzend mir genau im Gänsemarsch folgenden, seelisch sichtlich geknickten Männern zur Visite im dortigen deutschen Hospital aufbrach.  Ausgesprochen originell fand ich meinerseits allerdings einen Arztbesuch mit drei oder vier Bordkranken in Vitoria.  Der mir angewiesene, noch junge Arzt hielt seine Praxis an einem Schreibtisch in einer Ecke eines Großraumbüros ab.  Auf seinen wohl schon oft erfolgten Wink hin erhoben sich die Büroangestellten, Weiblein (hübsche „Bienen“ unter ihnen) und Männlein wie Zirkuspuppen und verließen in geordneter Formation den Saal.  Die „Aussteiger“ waren noch nicht ganz draußen, als auf einen weiteren Wink des medicos bei meinen Männern die Hosen fielen.  Was im Übrigen allgemein hin brasilianische Mädchen und Frauen für den Ausländer aus nördlichen Ländern - anfänglich zumindest - überaus anziehend machte: Außer derer in jungen Jahren meist guten Figur und Haltung, ihr Ausdruck eines natürlich wirkenden Selbstbewusstseins und die stete Betonung ihrer Weiblichkeit durch Anmut in Gesten und Auftreten und eine Kleidung, die - nach damaliger Ansicht zumindest - ihrem Geschlecht mehr entsprach als der im Norden Europas derweil modern gewordene Gammel- oder Kosakenlook.  Natürlich fielen nicht alle Mädchen oder Frauen dem fremden Seemann, sobald er nur aufkreuzte, um den Hals, und selbstverständlich war auch in Brasilien, wie überall in der Welt, die käufliche „freie“ Liebe in jeder Erscheinungsform verpönt und verboten.  Aber welcher Staat könnte denn schon das heimliche Gewerbe des „Anschaffens“ ernsthaft kontrollieren, schon gar nicht dort, wo außer angeborener Sinnenfreude und verspielt optimistischer Lebenseinstellung der Landesbevölkerung viele andere Mängel irgendwie selbstverständliche Erscheinungen sind, z. B. weit verbreitetes Analphabetentum, Arbeitslosigkeit, zeitweilig monatelanger Lohnzahlungsverzug in privaten und staatlichen Betrieben, alles Dinge oder Umstände, die Hunger und Armut breiter Volksschichten fördern, die zum anderen aus Selbsterhaltungstrieb heraus Menschen zu unlauteren Mitteln - siehe Prostitution der Frauen - greifen lassen.  Hinsichtlich Thema Prostitution konnte ich mir im Übrigen gut vorstellen, dass die seit Olims Zeiten für sich beanspruchte Ausschließlichkeit und erotische Großzügigkeit des brasilianischen „Herrn der Schöpfung“ für die brasilianische Frau nicht nur ein sehr schlechtes Lehrbeispiel, sondern im Zeitalter der aufgekommenen Frauen-Emanzipation für die bisher diesbezüglich „Eingeengten“ geradezu eine Herausforderung gewesen sein mag, den Herrenmenschen nun Gleiches mit entsprechendem Gleichen zu vergelten.  Nun, keine Regel ohne Ausnahmen, es gab ohne jeden Zweifel auch noch reichlich züchtige Frauen im Lande Brasilien, Hein Seemanns Missgeschick lag eben zur Hauptsache darin, dass diese Spezies wertvoller Frauen für ihn nicht greifbar war, er darum mit seinen mitgebrachten Einsatzmitteln Gutgläubigkeit, Gesundheit und Geld ein gefundener Leckerbissen für die „Eros-Profis“ in den Hafenstädten war.  Bedingt durch die kurzen Hafenliegezeiten war und ist sicher auch heute noch eine Kontaktaufnahme der Seeleute mit ehrbaren Menschen und Familien im Ausland, egal wo es auch sein mag, im allgemeinen schwierig, weil meistenteils das verbindende Glied sprachlicher Verständigung fehlt, viele Seeleute außerdem auch gar nicht bereit sind, an Land weite Wege zu gehen.  Liegen seine Stätten der Freude weiter ab vom Schiffsliegeplatz, dann warten ja Taxis darauf, von Janmaat benutzt zu werden, und am erreichten Ziel wartete bestimmt ein Mägdelein, schön und treu, wie es ihm bisher nirgendwo in weiter Welt „untergekommen“ war.  Nur wenige Tage später verblassten allerdings die angeblichen Qualitäten dieser Schönen, wenn Hein zum Arzt hin musste.  Als unsere Schiffe nach den Krankheitserfahrungen von zwei Brasil-Reisen zu viele „an Liebe Erkrankte“ auswiesen, entschloss sich Bugsiers Seniorchef aus Verantwortungsbewusstsein für seine „unaufgeklärten“ und darum so gefährdeten Besatzungsmänner in Brasilfahrt, dass jedes seiner Schiffe in dieser Marschroute hinfort einen deutschen Arzt zusätzlich anmustern solle.  Das war für unsere jungen Seeleute sicher eine gute Vorsorgemaßnahme, brachte mir selber zum anderen durch Wegfall der Arztgänge eine Arbeitserleichterung, ansonsten aber - leider und unerwartet - stieß nicht selten mit dem neuen Dienstgrad „Doktor“ nur ein weiteres schwarzes Schaf zu den bereits reichlich an Bord vorhandenen, es war eben nur ein wenig schlauer als die anderen.  Das Weshalb möchte ich der Phantasie des Lesers überlassen, Reden ist Silber, Schweigen oftmals Gold...

...im Übrigen gehen Ordnungsorgane nirgendwo sehr sanft um und oftmals nicht grundlos.  Leider kann ich zum Abschluss der Schilderung meiner Brasil-Erlebnisse den nun folgenden Bericht über ein besonders hartes, auch mich im Punkt Willkür befremdendes Verhalten örtlicher kleiner Polizisten dem Leser nicht vorenthalten. 

 

Der Ort des unfreundlichen Geschehens hieß Cabedelo, eine - oder besser gesagt – „die“ Hafenstadt des brasilianischen Bundesstaates Paraiba, etwa 20 km von der Landesmetropole Joao Pessoa entfernt.  Aus später ersichtlichem Grund muss ich die geografische Lage von Cabedelo möglichst genau fixieren.  Genannter Ort inmitten von Kokospalmen-Hainen erfreute sich bei den Seeleuten der anlaufenden Frachtschiffe als „Paradies am Meeresstrand“ wegen der relativ zahlreichen dort etablierten anspruchslosen Bar-Lokale mit vielen willigen Mädchen darinnen recht großer Beliebtheit.  Mit irgendwelchen meist humorigen Vorkommnissen hatte Cabedelo bei jedem meiner Schiffsbesuche aufzuwarten gehabt.  Einmal auf einem „Dienstgang“ beobachtete ich z. B. längere Zeit und sehr interessiert den einzigen von mir in Brasilien je gesehenen Dackel, ein hübsches Tier seiner Rasse mit Halsband und Hundemarke, Merkmale, die ihn als Hausgenossen wohlhabender Eigner legitimierten.  Vermutlich aufgrund einer genossenen guten „Kinderstube“ distanzierte sich „mein Freund“ geflissentlich und unübersehbar von der Unzahl der vielen anderen rasse- und haltungslosen schafähnlich aussehenden Köter im Ort.  Ein anderes Mal war einer unserer Besatzungsmänner beim Versuch des „Fensterlns“ nach Durchbruch der Abdeckung einer Senkgrube in deren Innerem gelandet und anschließend unter dem hämischen Jubel von Hiesigen (in seiner „Ausstrahlung“ entsprechendem Abstand selbiger) an Bord begleitet worden.  Dann die Geschichte mit der Passagierin „Susi“ und unserem dritten Leutnant, die an Land zu emsig gebechert und auf ihrem Heimweg im Nachtdunkel in einen Straßengraben gepurzelt waren.  Ihr nicht einfacher Versuch, sich aus dem Graben zu hangeln, wurde vom just vorbeihuschenden ersten Offizier irrtümlich als derer Vollzug eines Liebesaktes gewertet.  Es gab in Cabedelo natürlich auch dann und wann in den Bars handgreifliche Auseinandersetzungen unter Einheimischen und Fremden, alles in allem aber waren die ausländischen Seeleute wegen ihres großzügigen Umgangs mit den von den Brasilianern geschätzten harten Devisen beliebte Gäste, nicht zuletzt die deutschen Janmaaten mit ihrer guten D-Mark.  Besonders bezeigte erklärlicherweise die holde Weiblichkeit in Cabedelo viel Sympathie für seine deutschen Freunde, zumindest so lange, wie jene im Städtchen greifbar waren.  Das hatte in geschildertem Maße wenigstens bis zu einem September anno 1965 Gültigkeit.  Angeblich soll am betreffenden Tag auf einem Schiff des Bremer Norddeutschen Lloyds aufgrund einer Dieberei an Bord jenes Zossens ein Brasilianer seitens deutscher Seeleute überaus raubeinig behandelt worden sein.  Da der deutsche Frachter an jenem Tag auslief, darob keine Gelegenheit zum „Rachenehmen“ an dessen Besatzung bestand, sollte nach später bekannt gewordener Absprache Brasil-Hiesiger die Crew des nächsteinlaufenden deutschen Frachters für die „ungerechtfertigten“ Übergriffe ihrer anderen Landsleute büßen.  Der nächste deutsche „Ankommer“ in Cabedelo bei rundum spannunggeladener Luft war zufälligerweise Bugsiers NEUHARLINGERSIEL, und ein Zufall war es auch, dass ich auf diesem für mich schon à cto Rot-China legendär gewordenen Schiff just nur für die Dauer einer einzigen Brasil-Reise als Urlaubsablöser Dienst tat.  Bis zum Eintreffen in Cabedelo „homeward bound“ - ich glaube am Morgen des 6. September 1965 - war auch diese meine Brasil-Reise soweit normal verlaufen, abgesehen vielleicht von einem meinerseits nicht eingeplant gewesenen, kostspieligen „Ausrutscher“ an Land in Sao Vicente, Brasiliens bestem Seebad in Nähe des Großhafens Santos.  Da gingen zwecks irgendeines „Erlebnisses“ fünf weise Herren der Schiffsführung NEUHARLINGERSIEL, zwei Landeskenner (ich als ungehörter steter Warner) und drei Landesneulinge nach einigem Hin und Her zuletzt zum „gepflegten Bierchen“ in eine Nobelherberge genannten Badeortes.  Sie glaubten, zum Abschluss des wohlgelungenen Abends nicht auf Tischdamen verzichten zu können, und alsbald war um sie ein wahrer Schwarm dürstender leichter Mädchen, die einen ungeheuren „Bock“ auf teuren Sekt hatten, was zum anderen wiederum unsere sauer verdienten Zechinen in Kürze restlos aufzehrte.  Es blieb den fünf kühnen Seefahrern beim endlichen Kassensturz nur noch das zurück, was sie unbedingt für die Taxenfahrt zum fernen Liegeplatz der NEUHARLINGERSEIEL in Santos als Auslösung brauchten.  Ich war damals sehr wütend auf meine unklugen „Kinder“ - und die eigene Unkonsequenz, mitgegangen, mit gefangen sagt man dazu.  Meine ostentativ zur Schau gestellten Zornesfalten glätteten sich aber schon wenige Tage nach dem pekuniären Desaster, genau gesagt am 15.08.1965, als mir per Funktelegramm via Norddeich just bei Einfahrt Rio - dwarsab vom „Zuckerhut“ - die glückliche Geburt meines ersten Enkelkindes Oliver angezeigt wurde.  Das war zweifellos der Höhepunkt dieser Reise trotz all meiner Ferne vom Ort des Geschehens.  Etwa drei Wochen später traf die NEUHARLINGERSIEL dann in Cabedelo ein, was wiederum erfahrungsmäßig eine Freudenstimmung bei den meisten Besatzungsmitgliedern des Schiffes auslöste, eine Freude, die ich selber mit meiner Erfahrung von 59 Lebensjahren nicht mehr bzw. hinsichtlich der kleinen Hafenstadt Cabedelo schon gar nicht teilen konnte.  Ich erinnere im Übrigen heute noch, mich damals beim Einlaufen in Cabedelo irgendwie vergeblich gegen ein plötzlich aufkommendes undeutbares ungutes Gefühl gewehrt zu haben, das mir - etwa wie zur Kriegszeit 1939/45 - ohne dafür vorhandene Symptome innerlich eine drohende Gefahr signalisierte.  Ich schien in dieser Hinsicht allerdings der einzige „Schwarzseher“ auf der NEUHARLINGERSIEL zu sein, die meisten Bordkameraden schwärmten vielmehr vom Landgang nach Feierabend trotz by and by erhaltener Warnungen ihrer am Kai erschienenen „Flammen“ vor möglichen Scherereien mit den Hiesigen.  So lehnte u. a. der vom 1. Offizier bestimmte Hafen-Nachtwächter, der an sich pflichtbewusste und tüchtige Matrose K., strikt die angetragene Hafenwache mit den Worten ab: „Wenn Sie jemand haben wollen, der nachts nicht an Bord ist, dann ist das Ihre Schuld!“  Der „Erste“ darauf: „Lieben Sie denn Cabedelo so sehr?“  K. zur Antwort: „Nein, hier wollte ich nicht einmal in meinen Stiefeln sterben!“  Das mag damals eine pure Redensart gewesen sein, aber dieses Ungereimte hätte Matrose K. besser nicht sagen sollen, denn man spricht nicht in dieser Art schwarzen Humors über seine Zukunft, schon ganz und gar nicht bei einem an sich nichtigen Vorgang.  Also ging ein anderer die Bord-Nachtwache, wahrscheinlich auch nicht gerade gerne, aber später mochte er sich darob vielleicht glücklich geschätzt haben.  Seine Kameraden eilten jedenfalls nach vollbrachtem Tagewerk frohgemut an Land und strebten wie üblich ihrem beliebten Stammlokal in Cabedelo, der „Bolero-Bar“, zu, all hands zusammen, um gegebenen- und nötigenfalls eine geballte Widerstandsmasse zu sein.  Auch die fünf durch den „Reinfall“ in Sao Vicente aktenkundig gewordenen bzw. gebrannten Herren waren zu einem abendlichen Spaziergang durch Ort und Umgebung gestartet, nachdem selbige vier von ihnen mich zuvor trotz anfänglicher Ablehnung meinerseits, wieder einmal kompromissbereit gestimmt hatten, außerdem sei ich doch wohl als alter „Brasil-Hase“ der bestgeeignetste Fremdenführer.  Nachträglich ein Danke für die Blumen, der Reinfall hinterher war prächtig, allerdings ohne die Schuld des „Eseltreibers“ oder des Dazutuns eines der anderen vier Wandergesellen.  Gegen Ende unseres Orientierungsganges passierten wir auch die „Bolero-Bar“, sahen darin unsere Seeleute fröhlich bechern, und diese erblickten ihre Bord-Oberen bzw. baten ihre „Götter“ zur kameradschaftlichen Teilnahme am Gelage.  Während 1. Offizier Herr R., Doktor K. und ich einwilligten, zogen Kapitän Sch. und Chief H. anderswohin in der Nähe zum ungestörten kleinen Umtrunk.  Es ging auch anfänglich in der Bar im Kreise unserer Seeleute und einiger ihrer gesittet-spielenden Mädchen recht gemütlich zu, aber der „Frieden auf Erden“ konnte nach der Anzahl der bereits von unseren Seeleuten geleerten Flaschen harten Stoffes meinen einschlägigen Erfahrungen nach kaum von langer Dauer sein, denn angetrunkene Radaubrüder einer Clique, die es in jeder Gemeinschaft gibt, suchen in dieser oder jener Situation förmlich nach einem Auslöser für Zank und Streit, gewissermaßen als Beweis für ihr vermeintliches Kraftvermögen.  Darum mahnte ich recht bald den Ersten und den Doktor zum Wiederaufbruch - leider vergeblich.  Ob nun der von mir befürchtete große „Orlog“ (Krieg) von außen nach innen oder in umgekehrter Richtung seinen Weg nahm, konnte ich damals und kann ich heute nicht sagen, ich schaute einfach nicht durch, was sich da auf die Schnelle zu entwickeln begann.  Innen zumindest fing es damit an, dass sich einer unserer Assis (Maschinenassistenten) plötzlich eines der im Lokal bedienenden Mädchen griff (dieses Mädchen wurde seiner Kleinheit wegen von den Seeleuten „Der laufende Meter“ genannt), dieses mit Griff unter dessen Armen im Kreis herumschwang und seinerseits gezielt oder ungezielt irgendjemand an einem der Tische Sitzenden mit den wirbelnden Extremitäten der Dame belästigen wollte.  Unser Schiffskoch, ein Bayer streitbarer Natur, stieß jedenfalls mit dem anklagenden Ruf „Mir hat jemand ein Mädchen an den Kopf geschlagen“ jäh und unbeherrscht seinen Tisch mit allerhand Gläsern oben drauf um, worauf sich wiederum andere unserer Janmaaten wie elektrisiert von ihren Plätzen erhoben und allsogleich, mehr oder weniger zart, sämtliche brasilianischen Lokalbesucher aus der Bar wiesen.  Das wiederum ließ die Herausgeworfenen umgehend ihre draußen auf „Stunk“ in „Bereitschaft“ stehenden Freunde und viel anderes neugieriges oder kampferprobtes Volk alarmieren, und in Kürze stand eine Mauer böswilliger Menschen vor den hohen Toren der nur zur Straße hin offenen Bar, darunter Männer, die mit Stangen und Holzprügeln bewaffnet waren.  Folgerichtig kam es dann zwischen beiden feindlichen Lagern zu ersten Kampfhandlungen incl. ersten Verwundeten, vermutlich auf jeder Seite, zumal sich derweil auch unsere Jungen mit Tisch- und Stuhlbeinen vom Inventar der Bolero-Bar stammend, gegen ein Eindrücken ihrer Front zu erwehren versuchten.  Aber die Übermacht der Brasilianer war so erdrückend, dass ein offener Widerstand der Männer der NEUHARLINGERSIEL angesichts ihrer Verwundetenzahl reiner Selbstmord bedeutet hätte und nun die zweite Kampfphase ihren Anfang nahm: die Belagerung der Bolero-Bar, in der die deutschen Seeleute durch krampfhaftes Zuhalten der ein oder zwei hohen Tore deren Eindrücken durch die Brasis zu verhindern suchten.  Ob es denn keine Polizisten in Cabedelo gab?  Doch, doch, die rückten auch allmählich an, um die Ordnung wieder in das rechte Licht zu rücken, und mit Unterstützung seiner Landsleute gelang es auch einem, in die belagerte Festung einzudringen, was nach meinem Dafürhalten gut und richtig war.  Richtig war es nur nicht, dass ihm einer der Belagerten ein Stuhlbein auf den Kopf „legte“, leider so kräftig, dass dem ganz gewiss friedfertigen Ordnungshüter das Blut aus Nase und Ohren schoss.  Ich habe den Täter dieser wahnwitzigen Handlung nicht erkannt, wusste darob aber als bislang völlig Unbeteiligter Zuschauer, dass es nun auch mir selber aufgrund meines bloßen Daseins in dieser Bar und inmitten solcher landsmännischen Rüpel u. U. an den viel zitierten Kragen gehen konnte.  Wiederum folgerichtig griffen nun die Kollegen des verwundeten Polizisten zur Schusswaffe und schossen bei jedem erneuten Eindrücken der Tore ungezielt in den Barraum, was zumindest alle Unbeteiligten am Ringen um die Tore zu tiefen Kniebeugen oder zum Niederhocken veranlasste.  Scherben erzeugende Kugeleinschläge im Gläser und Schnapsflaschen bergenden Standregal hinter dem Bartisch - es befand sich genau gegenüber von den belagerten Türen - machten mir unangenehm klar, dass die Polypen draußen harte Kugeln, also keine Platzpatronen verschossen.  Das ließ mich zum neben mir kauernden, sich just wie ich in „Erdkunde“ übenden Doktor äußern - lapidar wie alle meine Aussprüche an diesem unfreundlichen Abend: „Die schießen uns noch alle tot!“  Ob ich davon tatsächlich damals überzeugt war, kann ich auch nachträglich nicht sagen, unbesonnen oder gottergeben fügte ich mich ob solcher obigen Feststellung keineswegs in mein Schicksal, schon gar nicht, als mich Doktor K. in ein von ihm während einer Schusspause entdecktes Kabuff hinter der Thekenwand bugsierte.  Dessen Vorhandensein hatte er bei der vergeblichen Suche nach einem Hinterausgang der Bar „ausbaldowert“.  Da hielten sich im Übrigen bereits zwei unserer Männer auf, die sich abseits vom Schlachtfeld mit flinken Händen darum bemühten, durch die Decke des kleinen Raumes ein Fluchtloch zu brechen.  Das schien mir wohl im ersten Moment einfach ein unmöglich zerstörerisches Tun meiner Landsleute zu sein und nötigte mir den in jener verzwickten Situation völlig unpassenden Geistesblitz ab: „Sind Sie denn jetzt ganz wahnsinnig geworden, wer soll hinterher alle Zerstörungen bezahlen?“  Mein allda für weise erachteter Ausspruch fand jedoch keine Gegenliebe, und das war wohl auch gut so, denn als das Loch überraschend schnell groß genug zum Aussteigen war, da kletterten wir vier Mann im Raum und hinterher noch zwei weitere ernüchterte Kämpfer durch diesen Notausgang in die „Freiheit“.  Dass ich als altersgeschwächter Mann das schwierige Herausschlüpfen nach oben überhaupt schaffte, war nur zum geringen Teil mein Verdienst (dazu im abgewandelten Dichterwort: „Halb zog man ihn, halb schob man nach“), aber der dabei stattgefundene Umbruch eines Küchen-Abzugsrohres aus Weißblech auf dem Dach des Hauses ging voll zu meinen Lasten trotz meines steten Wetterns gegen „sinnlose“ Zerstörungsmanie.  Teils ziemlich bedeppert, teils leicht amüsiert, schaute ich nach Vollzug meiner Untat durch die jäh entstandene Lücke auf den häuslichen Herd der Bareignersleute mit Pfannen und Töpfen on top herab.  Wegen des nach der Straße zu ziemlich steil ansteigenden Hausdachs war unser aller Entweichen von den Menschenmassen vor der Bar nicht zu beobachten, darum schien der weitere Fluchtweg Richtung Hafenpier ziemlich unbehindert zu sein.  Während meine jungen Kumpel nun ungestört vom Dach in das rückseitige Gartengelände herunter sprangen, hielt ich einen Absprung aus etwa 2,5 Meter Höhe für eine glückliche Landung meiner mürben Knochen für zu gewagt, hangelte mich also mit den Händen am Dachrand an der Hausmauer zur Erde nieder und ließ mich zuletzt, mich von der Wand abstoßend, auf die Füße fallen.  Dabei landete ich unten in einer Pfütze schmutzigen und geruchsintensiven Wassers, das mich, jäh aus seiner Ruhe aufgeschreckt, ganz schön bespritzte, aber ich war zumindest heil geblieben für das nachfolgende großräumigere Absetzen vom Feind.  Ganz nebenbei sei erwähnt, dass nachträglich aufgemachte Rekonstruktionen der verschiedenen Geschehnisse das oben mehrmals genannte Kabuff als „Damen-Toilette“ der Bar und die Pfütze draußen als die „Abwässer“ der Lokalbesucherinnen auswiesen.  Wahrlich eine einzigartige Weihe, die mir demnach für den glücklichen Ausgang des Flüchtens zuteil geworden war.  Aber so neckisch auch manches Geschehnis jenes Abends in Calbedelo gewesen sein mag, wir hatten erstmal einen etwa 20 Minuten langen Weg von der BoIero-Bar bis zum Schiff vor uns und kratzten anfänglich mit gut 120 Sachen die verschiedenen Wegkurven, so lange, bis uns die Puste ausging und wir kürzer treten mussten.  Der Kampflärm um die Schreckensbar verebbte mit zunehmender Fluchtentfernung und machte allmählich einer fast vollkommenen Nachtstille Platz.  Menschen sahen wir auf unserer Bahn gar nicht oder nur sehr vereinzelt, es ließ sich wohl niemand der Hiesigen das Kampfgeschehen im Stadtinneren entgehen.  Unsere anderen Ausstiegsgenossen waren ebenfalls wie vom Erdboden verschwunden.  Als wir beiden glücklich die schützende NEUHARLINGERSIEL erreicht hatten, harrte dort ein neues Wunder unser, wir fanden, soweit auf die Schnelle übersehbar, die ganze Besatzung an Bord versammelt und viele darunter, die der helfenden Hand eines Arztes bedurften.  Schließlich stellte man nach genauer Auszählung fest, dass noch Matrose K. fehlte, vermutlich bei seinem Mädchen Unterschlupf gefunden hatte.  Aber K. konnte nicht mehr kommen, er lag, was alle, anderen noch nicht wussten, erschossen auf der Straße vor den Pforten der Bolero-Bar.  Das wurde erst um Mitternacht bekannt, als Kapitän Sch. und unser schwarzer brasilianischer Supercargo zur Identifizierung eines Toten von der Polizei an Land gebeten wurden.  Wahrscheinlich möchte der Leser erstmals gerne wissen, wie die Kampfhähne der Bolero-Bar so unwahrscheinlich rasch noch vor dem Doktor und mir an Bord der NEUHARLINGERSIEL gekommen sind.  Da kann ich im nun Folgenden leider nur das berichten, was ich darüber von Augenzeugen gehört habe, was, wofür ich mich zum anderen natürlich nicht verbürge, der Wahrheit einigermaßen nahe kommen dürfte.  Das lautet etwa wie folgt: Der örtlichen Polizei gelingt kurz nach oben geschilderter Flucht durch die Decke das Eindringen in die Bar mit anschließender Verhaftung der darin befindlichen deutschen Seeleute.  Beim Eindringen versuchen einige der „Belagerten“, sich durch panikartige waghalsige Flucht nach vorne der Verhaftung zu entziehen (einer oder zwei kamen tatsächlich durch), wobei der meines Wissens nach am Kampf unbeteiligt gewesener Matrose K. durch Genickschuss aus der Pistole eines Polizisten getötet wird (man will ihn beim Verlassen der Bar mit hochgehoben Armen gesehen haben).  Die ebenfalls von einer wütenden Volksmenge belagerte andere Bar, in der sich außer hiesigen und ortsfremden Gästen auch Kapitän und Chief der NEUHARLINGERSIEL aufhielten, hat rechtzeitig ihre Eingangstür verschlossen und verbarrikadiert, dahinter hat zum anderen, als der Mob draußen den Aufbruch versucht, der zufällig unter den Gästen weilende einzige Zivilpolizist des Ortes mit gezogener Dienstwaffe Posten eingenommen.  Die Wirtin dieses Lokals soll auf Anweisung des Kriminalbeamten beizeiten telefonisch die Präfektur in Joao Pessoa von den sich in Cabedelo anbahnenden Unruhen unterrichtet haben (unglaubhaft, der Anrufer dürfte wohl der Bürgermeister von Cabedelo gewesen sein) was den Präfekten zur sofortigen Inmarschsetzung eines Einsatzkaders der Militärpolizei (sie ist in Brasilien für Aufruhr zuständig) unter Führung eines erfahrenen Offiziers veranlasst hat.  Nach 30 bis 40 Minuten Anfahrt per Mannschaftswagen ist vermutlich kurz nach „Eroberung“ der Bolero-Bar der MP-Trupp in Cabedelo eingetroffen, hat Führer der Gruppe mit Erklärung von Ausnahmezustand Ordnungsgewalt in der Stadt übernommen und, auf Vernehmungen der Verhafteten gänzlich verzichtend, alle Besatzungsmitglieder der NEUHARLINGERSIEL in beiden Bars einsammeln bzw. diese dann unter dem Schutzschild der Maschinenpistolen seiner Männer per Mannschaftswagen an Bord ihres Schiffes bringen lassen.  Meiner Meinung nach hat dieser MP-Offizier im eigenen Wissen um die mögliche Eskalation der Rachegelüste vieler seiner heißblütigen Landsleute mit daraus resultierenden diplomatischen Demarchen zwischen zwei befreundeten Staaten im Nachhinein goldrichtig und weise gehandelt.  Ich laste der örtlichen Polizei in Cabedelo dagegen ein unnötiges Überziehen ihrer dienstlichen Rechte an, übersehe aber auch durchaus nicht die Tatsache, dass die noch reichlich grünen Jungen der NEUHARLINGERSIEL mit ihrem unbedachten Betragen, rechtlich gesehen, die Auslöser dieses Landfriedensbruchs und damit gleichzeitig sehr schlechte Vertreter ihres Heimatlandes im Ausland waren.  Ich möchte an dieser Stelle besonders daran erinnern, dass Brasilien vielen deutschstämmigen Menschen im Ablauf vieler Jahrzehnte zur zweiten Heimat geworden ist und die deutschen Einwanderer als wertvolle, loyale Staatsbürger schätzt.  Es erschien nach Rückkehr von NEUHARLINGERSIEL in Hamburg in der Bildzeitung ein allein auf den Aussagen zweier „Mitstreiter“ basierender Artikel über das stattgefundene Cabedelo-Debakel, in dem die deutschen Seeleute der NEUHARLINGERSIEL wenig objektiv als wahre Unschuldslämmer einerseits und bedauerliche Opfer eines rücksichtslosen brasilianischen Nationalismus und Rassismus andererseits hochstilisiert wurden.  Wenn gefragt, hätte ich dem BILD-Reporter unumwunden mitgeteilt, dass ich auf meine streitsüchtigen und übertemperamentvollen Bordkameraden zumindest damals nach Rückkehr an Bord wegen ihres skandalösen Betragens sehr böse war und fürder aufgrund der Erfahrungen jenes denkwürdigen Abends jeden weiteren Gemeinschaftsumtrunk an Land geflissentlich meiden würde.  Aber sei dem, wie ihm sei, das ganze Ausmaß des Geschehenen erfuhr ich erst am nächsten Morgen durch den ersten Offizier, dem man in der Restphase des Bar-Ringens bei seinem Schlichtungsversuch zwischen seinen Männern und den örtlichen Polizisten durch einen Faustschlag ins Gesicht die Zahnprothese zertrümmert und noch etliche andere Verletzungen zugefügt hatte.  Ich selber hatte mich in Ichbezogenheit nach gründlicher Reinigung von Körper und Kleidung nicht weiter groß um das lebhafte Lamento an Bord gekümmert und mich, ermüdet von meinen Flucht-Anstrengungen und sehr verärgert über den verdorbenen Abend und die „Übeltäter“, zur verdienten Nachtruhe in meine Koje gepackt.  Kapitän Sch. hatte inzwischen an Land den Erschossenen als seinen Matrosen K. identifiziert und im Anschluss daran von der Polizeiwache aus mit Unterstützung unseres brasilianischen Supercargos, Mister Martin, die erforderlichen Schritte für die laut Landesgesetz innerhalb von 24 Stunden zu vollziehende Beerdigung des Toten und für die Erledigung der mit diesem Tod aufgeworfenen rechtlichen Fragen unternommen.  Das bedeutete etwa Folgendes: Bestellung eines Begräbnisunternehmens - der Tote lag ja noch immer auf der Straße, musste eingesargt und wegtransportiert werden (viele Sarggeschäfte in Brasilien sind Tag und Nacht geöffnet) - und Unterrichtung des deutschen Konsulats in Recife und der Agentur des Charterers Loide Brasileiro in Joao Pessoa über die bedauerlichen Vorfälle des Abends.  Leider vergaß Kapitän Sch. bei allem Durcheinander dieser Nacht und in vermutlich eigener umstandbedingter Überforderung zwei meiner Meinung nach unerlässliche Maßnahmen: das Bestehen auf eine zusätzliche Totenschau durch seinen Bordarzt und eine einschlägige Benachrichtigung per dringendem Telegramm an Bugsier-­Reederei mit Bitte darin, die Angehörigen des Toten vom Ableben - in diesem Fall - ihres Sohnes für mögliches Überführen der Leiche nach Deutschland zu unterrichten.  Zwecks Vermeidung von Zeitverzug hätte ich mich anstandslos trotz Funkverbots für Schiffe in Häfen zur Abgabe eines Funktelegramms bereit erklärt.  Natürlich äußerte ich mich dementsprechend auch meinem Kapitän gegenüber am nächsten Morgen, er war jedoch der Meinung, dass er später von See aus nach Auslaufen aus Cabedelo die Reederei über die unangenehme Begebenheit und die vom ihm in dieser Sache getätigten Schritte in Kenntnis setzen würde.  Ob unsere in Mannschaftsbelangen human und verantwortungsbewusst eingestellte Reederei von einem solchen Konfrontiertwerden mit vollzogenen Tatsachen begeistert war, entzieht sich meinem Wissen.  Von etwaigen nachträglichen Einsprüchen der Angehörigen des Toten ist mir nichts zu Ohren gekommen, mir war an sich nur bekannt, dass der Verstorbene mit seiner Familie keinen Kontakt mehr hatte.  Was Kapitän Sch. hauptsächlichst zu seinem raschen „einsamen" Entschluss in dieser Sache veranlasst haben mag, war seine Angst vor der Kostenlawine à cto verursachter Sachschäden, Geldstrafen und Wiedergutmachungsleistungen, die mit einer zusätzlichen Überführung des Toten (incl. vorangehender Einbalsamierung) das seiner Meinung nach der Firma zumutbare Maß an finanziellem Aufwand übersteigen würde.  Später nach Aushandeln einer relativ geringen Schadenersatzleistung an den Inhaber der Bolero-Bar (zu Lasten der „Kampfteilnehmer" von NEUHARLINGERSIEL) und jeglichen Bußgelderlasses (aufgrund irgendwelcher mir unbekannter Kriterien) durch den angereisten deutschen Konsulatsvertreter und vor allem unter der Beihilfe eines scharfzüngigen Advokaten, den unser Agent aus Joao Pessoa mitgebracht hatte, glätteten sich unseres Capitanos Sorgenfalten wieder.  Die Bestattungskosten zu Lasten von Bugsier waren im Übrigen auch wider unseres Kapitäns Befürchtungen, mit etwaigen Leichen-Überführungskosten verglichen, sehr niedrig.  Ansonsten wurde der Besatzung der NEUHARLINGERSIEL außer für Teilnahme bei Begräbnis von Matrose K. für Dauer Schiffsaufenthalt in Cabedelo Landgangsverbot erteilt.  Nun, ich selber habe der Beisetzung nicht beigewohnt, mich fuhr mein einziger Cabedelo-Bekannter, der Müllermeister der großen Getreidemühle in Cabedelo, ein dahin nach Weitkrieg II verschlagener Deutscher (ich verkehrte bei seiner Familie), mit seinem PKW zwecks Erledigung verschiedener dienstlicher Belange nach Joao Pessoa hin und zurück.  Bei Vorüberfahrt am Friedhof in Cabedelo nahmen wir „auf einen Sprung" an der Bahre Abschied von K.  Jene Szene in der armseligen Leichenkammer am Eingang des Friedhofs steht mir mit ihrem düsteren Milieu ihres engen kahlwandigen Raumes und dem inmitten auf Lehmboden stehenden primitiven, noch offenen Sarg auch heute noch dann und wann lebhaft vor Augen.  Wie sein stiller Bewohner vor wenigen Stunden zur Erde gesunken war und starb, so lag er jetzt in seiner schmucklosen Kiste ohne jedwede bettende Innenausstattung (Capitano hatte mächtig gespart).  Die gebrochenen Augen des Toten schauten in eine unendliche, unfassbare Ferne, und die in Totenstarre angewinkelten Arme schienen noch immer Brust und Kinn vor einem unerwarteten Angriff von Gevatter Tod schützen zu wollen.  Der vor 24 Stunden noch lebhafte und große, kräftige Jungkerl wirkte als Leichnam in seiner letzten Koje im Übrigen unwahrscheinlich rasch kleiner geworden, als er es seiner Statur nach zu Lebzeiten gewesen war.  Im Halbdunkel der winzigen, relativ hohen Leichenhalle sah ich zwei junge Frauen mit Tränen in den Augen dastehen, sie hielten wohl eine Art Totenwache.  Eine von ihnen hatte ich am Vorabend mir schräg gegenüber am Tisch neben K. sitzen gesehen, sie war wohl seine hiesige Freundin gewesen.  Ich könnte auch heute nicht sagen, was mich im damaligen Augenblick des Erlebens jener Szene stärker, als von mir erwartet, erschütterte, der Anblick des Toten vor mir in seiner erbärmlichen letzten Behausung, die Dürftigkeit des Gesamtbildes oder die bei mir jäh aufkommende Erkenntnis vom Unberechenbaren der menschlichen Vergänglichkeit.  Das, was K. ahnungslos etwa 12 Stunden vor seinem Tod seinen losen Worten nach durchaus nicht als Ende seines Lebenspfades wollte, war ihm schicksalhaft beschieden worden, er hatte es mit seiner Ablehnung, in Cabedelo Nachtwächter zu spielen, geradezu herausgefordert.  Mir fielen damals, an seinem Sarg stehend, unwillkürlich die Schlussworte des Chors aus Schillers „Braut von Messina“ ein: „Noch niemand entfloh dem verhängten Geschick, und wer sich vermisst, es kühnlich zu wenden, der muss es selber erbauend vollenden!“  Etwa vor einem Jahr hatten wir als Besatzungsmitglieder der OSTFRIESLAND zwei unserer Bordkameraden, die mit einem Mietwagen auf dem Weg von Bremen nach Hause tödlich verunglückt waren, zu Grabe getragen.  Das war sicher ein genau so trauriger Vorfall wie das unerwartete Ableben von K. gewesen, aber es war ein Abschiednehmen im großen Kreis derer, denen die beiden Verunglückten zu ihren Lebzeiten sehr nahe gestanden hatten.  Zum anderen sagten wir den Verstorbenen das letzte Lebewohl in einem ihrer würdigen äußeren Rahmen, außerdem war es die Heimaterde, in der sie ihre letzte Ruhe fanden, also alles Nebenumstände, die die Kameraden das Hinscheiden eines Berufskollegen tröstlicher als K.‘s Heimgang empfinden lassen.  Doch nun genug von solchen traurigen Geschehnissen, von denen die meinerseits sehr breit geschilderte „Schlacht von Cabedelo“ im Nachhinein unter den damaligen Brasilfahrern von Bugsier-Reederei eine fragwürdige Berühmtheit erlangte. 

 

Die tatsächlich unheldische Flucht eines „alten“ Herrn durch die Decke eines „Örtchens“ hat man zum anderen im „Volksmund“ ähnlich hochstilisiert wie - etwa in gleicher Art Verherrlichung meiner Person - zuvor einmal in Bremen das angeblich von mir provozierte „Absaufen“ zweier Wasserschutzbeamten - angeblich meiner großen Trinkfestigkeit wegen.  Beteiligt war ich nur insofern daran, als ich den beiden Polizisten nach zügig erfolgter Einklarierung der OSTFRIESLAND und wegen Abhaltung durch andere drängende Zahlmeister-Pflichten bei Verabschiedung von ihnen eine leicht angebrochene Flasche Weinbrand zu derer weiteren gefälligen Selbstbedienung überließ.  Ob der Durst der beiden Uniformierten an jenem Tag besonders groß oder die Gastfreundlichkeit unseres 1. Stewards das verführende Moment war, mag dahingestellt bleiben.  Die beiden Beamten eisten sich jedenfalls auf der OSTFRIESLAND fest und vergaßen darüber ihre Dienstbarkasse, die sie bei Hochwasserstand am Liegekai der OSTFRIESLAND an der Sprossen einer Steigleiter festgemacht hatten.  Bei ablaufendem Wasser musste sich ihr stolzes Boot zwangsläufig „erhängen“ und bei seiner zunehmend steileren Schräglage purzelte schließlich etlicher loser Bootsinhalt (u. a. ein Funksprechgerät) frohgemut in die mehr oder weniger tiefen Weserfluten.  Derweil vermisste man auf der Hauptwache der Wasserschutzpolizei Bremen die beiden Amtskollegen und schickte in ernster Besorgnis um sie und deren Dienstfahrzeug eine Suchbarkasse aus, man wusste ja, wohin man vor einigen Stunden die „Abgängigen“ beordert hatte.  Und wer da suchet, wird finden, also fand man auf der OSTFRIESLAND die beiden inzwischen volltrunkenen Kameraden und deren an hoher Uferwand vertäutes, im freien Luftraum baumelndes Schifflein.  Die Folgen für die zwei beamteten Übeltäter kann sich der Leser selber ausmalen.  Natürlich geschah nicht nur in „Übersee“ sondern auch während der Schiffsaufenthalte in den europäischen Anlaufhäfen oftmals Merkwürdiges.  Ich erinnere mich z. B. an den bis heute mysteriös gebliebenen, bei meiner Firma wahrscheinlich längst vergessenen Geldraub von rund DM 23.000 aus dem vor und nach vollendeter Tat säuberlich verschlossenen Tresor im Kapitänsraum der OSTFRIESLAND.  Das Delikt, dessen Aufklärung trotz Recherchen der eingeschalteten Kripo Le Havre und späterer Bordbeobachtungen ergebnislos blieb, ereignete sich auf einer Brasil-Ausreise des Schiffes an einem von drei Tagen während der Fahrt von Antwerpen nach Le Havre via Boulogne sur Mer.  Als Täter verdächtigt wurden seitens der französischen Polizei aus einer Auswahl unter 43  Köpfen der in Hamburg neu eingeschiffte Bordarzt Dr. F. und der erste Steward.  Kenntnis vom Vorhandensein, von Standort des Panzerschrankes und dessen wertvollen Inhalt (zur Hauptsache DM und geringe Mengen ausländischer Devisen) haben, angeblich laut Verhör, nur Kapitän und Funkoffizier, also ich, gehabt, aber ausgerechnet diese beiden Hübschen bleiben von allem Anfang an für die Kripo Le Havre integer.  Dass speziell meine werte Person von vorn herein von jeglicher Verdächtigung ausgeschlossen wurde, berührte mich damals seltsam.  So sehr mich solches in mich gesetzte Vertrauen seitens meines Capitanos und der dienstbeflissenen „Bullen“ auch ehren mochte - tatsächlich war ich in diesem Fall zumindest trotz meiner ewig leeren Taschen auch „astrein“ wie ein neugeborenes Kindlein -‚ so empfand ich es im Stillen wiederum beleidigend, dass mir niemand die besagte „krumme Tat“ - wenn auch nur rein theoretisch den Indizien nach – zuzutrauen schien.  Diese Wahrnehmung löste bei mir einen bestimmten stillen Verdacht (neben etlichen anderen von mir vor- und nachher gemachten Feststellungen) aus, den ich jedoch weder damals, danach nicht gefragt, noch heute, wo über die ganze Angelegenheit seit langem hohes Gras gewachsen ist, äußern mochte oder möchte.  Das gestohlene Geld hat an Bord im Verlauf jener Reise jedenfalls nie Spuren hinterlassen, die auf einen greifbaren Täter hinweisen konnten, es hatte sich beizeiten in ein Nichts aufgelöst...  

 

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